Dahlienschau im Emmental
Die Natur zeigt nochmals ihr ganzes Können

Eine letzte Farbexplosion vor dem weissen Winter: Bis etwa Mitte Oktober ist im Berner Emmental die schweizweit traditionsreichste Dahlienschau zu sehen. Genau vor 100 Jahren erblühte das Feld bei Lützelflüh zum ersten Mal fürs Publikum.
Publiziert: 08.10.2023 um 17:19 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2023 um 16:31 Uhr
Wie ein Feuerwerk der Natur: Dahlien Destiny’s Teacher.
Foto: Cigdem Ruf
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Sie heissen Peter, Sandra und Eveline, tragen Namen berühmter Personen wie des Erfinders Thomas A. Edison, des Schriftstellers Franz Kafka und des Malers Otto Dix oder sind nach ihren Farben benannt: Pink Skin, Red Cap und Orange Nugget. Die Zahl der Dahliensorten geht in die Tausende, im Internetverzeichnis sind 3282 namentlich aufgeführt – von A la mode bis Zuster Clarentine.

Wer die prachtvolle Königin des Herbstes in Echt bestaunen will, muss jetzt ins Emmental: Am Südhang vom Waldhusberg auf dem Gebiet der Gotthelf-Gemeinde Lützelflüh BE zieht die jährliche Dahlienschau der Gärtnerei Waldhaus Schaulustige in Scharen an. Auf dem rund 2200 Quadratmeter grossen Feld stehen die über 12'000 gepflanzten Knollen von rund 250 Dahliensorten noch bis etwa Mitte Oktober in voller Blüte.

Die traditionelle Dahlienschau feiert dieses Jahr ihr 100-Jahr-Jubiläum: 1923 veranstaltete Hans Bärtschi (1894–1936) hier die erste Blumenpräsentation. Seit dem 15. Jahrhundert ist das Gut in Familienbesitz. Die Bärtschis waren Bauern – bis der gelernte Gartenarchitekt Hans Bärtschi auf einer Studienreise nach Dresden (D) erstmals mit Dahlien in Berührung kam und ein paar Knollen mit nach Waldhaus nahm.

Goethe hatte erste Dahlien in seinem Garten

Dahlien, benannt nach dem schwedischen Arzt und Botaniker Anders Dahl (1751–1789), kommen ursprünglich aus den Hochebenen von Guatemala und Mexiko. Dort haben die Azteken die Knolle als Nahrungspflanze kultiviert und mit den Dahlienblüten Tempel geschmückt. Die spanischen Eroberer entdeckten die Blume Ende des 16. Jahrhunderts und schickten Ende des 18. erste Dahliensamen von Mexiko-Stadt nach Madrid.

Von Spanien breiteten sich die Dahlien rasend schnell in ganz Europa aus – bereits 1814 sollen die ersten im Weimarer Garten des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) erblüht sein. Und spätestens nachdem im nahe gelegenen Dresden Hans Bärtschi sich von der Blütenpracht begeistern liess, fanden die Dahlien ihren Weg ins Berner Emmental.

Die Sorten Renato Tosio (eine orange dekorative Dahlie, benannt nach dem langjährigen SCB-Eishockey-Torhüter) und Berner Oberland (eine purpurrote Seerosendahlie) klingen zwar nach Bern, es handelt sich jedoch um niederländische Züchtungen. So ist der Gruss aus Waldhaus (eine purpurrote, weiss gestreifte Halskrausendahlie) bis heute die einzige Schweizer Dahlienzüchtung, die weltweit an Dahlenschauen zu sehen ist.

Dahlienknollen lassen sich wie Kartoffeln zubereiten

Ab 1964 übernahm Hans Bärtschis Nichte Elisabeth Brändli-Bärtschi (83) die alljährliche Dahlienschau im Weiler Waldhaus und übergab das Geschäft 2014 der nächsten Generation. Brändli-Bärtschi wirkt aber immer noch im Hintergrund mit – sie ist vor allem um das leibliche Wohl der Besucherinnen und Besucher im Blueme-Festhüttli bemüht und tüftelt immer wieder an neuen Dahlien-Rezepten herum.

Servierte ihr Onkel den Gästen 1923 noch selbst gebackenes Bauernbrot und selbst gepressten Süssmost für 25 Rappen, so gibt es heute für ein paar Franken Dahliensirup und Schweinsmedaillon im Käse-Dahlienknollen-Mantel. Die Knollen lassen sich ähnlich wie Kartoffeln zubereiten, sind saftig und entfalten tropische Aromen wie etwa die der Ananas. Die Blätter sind zudem geeignet für Salate. 

Für die meisten bleiben Dahlien allerdings in erster Linie ein Augenschmaus: Sie bezaubern mit einer breiten Farbpalette und vielfältigen Blüten – von Hirschgeweih- über Pompon- und Ball- bis hin zur Kaktusform. Als müsste die Natur vor dem Winter noch einmal ihr ganzes Können unter Beweis stellen.

100 Jahre Dahlienschau der Gärtnerei Waldhaus in Lützelflüh BE, bis etwa Mitte Oktober, Eintritt gratis 

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