«Bin selber grosser Fan von Basquiat»
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Fondation-Beyeler-Direktor:«Bin selber grosser Fan von Basquiat»

«Basquiat. The Modena Paintings»
Fondation Beyeler sorgt für die Kunst-Sensation des Sommers

Vor über 40 Jahren für eine Schau in Italien geschaffen, zeigt die Fondation Beyeler in Riehen BS erstmals die Modena Paintings von Jean-Michel Basquiat. Es ist das Highlight der Kunstsaison – und hat einen Wert von gegen einer Milliarde Dollar.
Publiziert: 13.06.2023 um 14:05 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2023 um 11:32 Uhr
Die Ausstellung in Riehen BS vereint erstmals alle acht Gemälde, die Jean-Michel Basquiat in Modena schuf.
Foto: STEFAN BOHRER
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Schnelle, teure Autos aus Modena (I), ein Rennfahrer aus Riehen BS: Der Italiener Enzo Ferrari (1898–1988) gründete in seinem Geburtsort einen Rennstall und zog später mit der Autofabrik vor die Tore der Stadt. Und vor den Toren Basels kam der Schweizer Pilot Albert Scherrer (1908–1986) zur Welt. Genau so verhält es sich jetzt mit der Kunst.

Schnelle, teure Kunst aus Modena, die Riehen in Schuss bringt: Am 11. Juni startet in der Fondation Beyeler die in jeder Hinsicht kraftvolle Ausstellung «Basquiat. The Modena Paintings» – acht grosse Gemälde, die der schwarze US-Künstler Jean-Michel Basquiat (1960–1988) mit knalligen Farben und wuchtigen Pinselstrichen 1982 während etwa einer Woche in der italienischen Stadt schuf.

Erste Einzelausstellung in Modena

«Das sind richtige Energiebomben», sagt Fondation-Beyeler-Direktor Sam Keller (57), der die Schau zusammen mit Iris Hasler (37) kuratiert hat. Energiebomben, die beim Publikum einschlagen werden. Denn die beiden realisieren erstmals eine Schau der heute mitunter teuersten Basquiat-Bilder aus der ganzen Welt, eine Schau, die eigentlich schon vor 41 Jahren hätte stattfinden müssen.

Damals, im Juni 1982, reist ein ehemaliger Graffitikünstler aus New York in das pittoreske Modena, das vor allem für seinen Weinessig weltberühmt ist. Doch im mittelalterlichen Stadtkern gibt es eine Kunstgalerie, die zeitgenössische Kunst aus den USA feilbietet: die Galleria Mazzoli. Besitzer Emilio Mazzoli, heute über 80 Jahre alt, lädt Basquiat ein, in einer Lagerhalle Bilder für eine neue Ausstellung zu malen.

Bereits ein Jahr zuvor veranstaltete Mazzoli die weltweit erste Einzelausstellung des damals wenig bekannten Basquiat – noch unter seinem Street-Art-Namen Samo. Niemand interessierte sich dafür. Doch, so schreibt Hasler im Katalog: «Die Erfahrungen aus dem ersten Aufenthalt von 1981 dürften weder für den Künstler noch den Galeristen von der Art gewesen sein, dass beide eine Wiederholung abgelehnt hätten.»

Bis heute der jüngste Künstler an der documenta

Im beschaulichen Handwerkerviertel von Modena übergibt Mazzoli dem New Yorker – der in seiner Heimatstadt seit 1979 mit Blondie-Sängerin Debbie Harry (77) und Pop-Art-Künstler Andy Warhol (1928–1987) Partys feierte – Pinsel, Acrylfarben, Ölstifte und Spraydosen. Leinwände von 2,4 Metern Höhe und 4,2 Metern Breite warten auf den Meisterstrich. Noch nie arbeitete Basquiat auf so grossen Flächen.

Voller Energie geht er ans Werk, malt gleichzeitig an mehreren Gemälden. Beeinflusst von Künstlern wie Jackson Pollock (1912–1956), Cy Twombly (1928–2011) oder Willem de Kooning (1904–1997) richtet Basquiat mit dem grossen Pinsel an. Von den Motiven erinnert «Woman with Roman Torso (Venus)» am ehesten an den Entstehungsort. Doch, so Keller, der Maler sei nicht wegen Bella Italia in Modena gewesen.

«Die Bildsprache war radikal und schockierte», sagt Keller. Sie faszinierte aber auch. So durfte Basquiat noch im selben Jahr mit erst 21 Jahren an der documenta 7 in Kassel (D) teilnehmen – der bis heute jüngste Künstler. «1982 war sein Annus mirabilis», sein Wunderjahr, sagt Keller. Er kam durch Bilderverkauf zu Geld und zog erstmals in eine eigene Wohnung, zusammen mit seiner Freundin Suzanne Mallouk (62).

Modena-Gemälde gegen eine Milliarde wert

1960 in eine aufstrebende New Yorker Mittelschichtfamilie geboren, lernte Jean-Michel bereits mit vier Jahren lesen und schreiben. Mit elf sprach er fliessend Englisch, Französisch und Spanisch, denn sein Vater kam aus Haiti, die Familie der Mutter hat Wurzeln in Puerto Rico. Von Matilda Basquiat (1934–2008), die selber malte und zeichnete, erbte er die Liebe zur Kunst.

Doch Modena erweist sich ein zweites Mal als Misserfolg: Weil Annina Nosei (84) seit Ende 1981 Basquiat in New York vertritt, geraten sich die italienischstämmige Galeristin und ihr Landsmann in Modena in die Haare. Mazzoli sagt seine Ausstellung entnervt ab, zahlt Basquiat aus; Nosei verkauft die Werke für wenige Tausend Dollar in alle Welt – vier erwirbt der Schweizer Galerist Bruno Bischofberger (83).

Heute befinden sich die Modena-Gemälde in US-amerikanischen, asiatischen und Schweizer Privatsammlungen und sind zusammen gegen eine Milliarde Dollar wert. «Es ist eine kleine Ausstellung, aber eine grosse Sensation», sagt Keller. In zweijähriger Recherche-Arbeit machten er und Hasler die Werke ausfindig und bringen sie nun erstmals für eine Ausstellung zusammen.

Sammler brach für Ausstellung Wand ab

Das war nicht immer ganz einfach: Weil der Japaner Yusaku Maezawa (47) das Gemälde «Devil» letztes Jahr für 85 Millionen Dollar versteigern liess, mussten Keller und Hasler den neuen Besitzer ausfindig machen und ihn vom Ausstellungskonzept überzeugen. Und weil bei US-Sammler Aby Rosen (63) mittlerweile ein Baum vor dem Fenster gewachsen ist, musste man eine Wand abbrechen, um das grossformatige Bild «Cowparts» rauszubringen.

Doch die Fondation Beyeler hat Übung mit Basquiat: Bereits 1983 präsentierte Ernst Beyeler (1921–2010) vier seiner Gemälde in der Galerie, eine Zeichnung ist heute in der Museumssammlung. 2010 veranstaltete Keller die erste grosse Basquiat-Retrospektive Europas, die gegen 110'000 Personen besuchten – damaliger Rekord für zeitgenössische Kunst.

«Basquiat. The Modena Paintings», vom 11. Juni bis 27. August, Fondation Beyeler, Riehen BS

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