Traminer im Qvevri
8000-jährige georgische Weinkultur am Mont Vully

Auf Château de Praz wurde Traminer nach georgischer Art in Ton-Amphoren, Qvevris, vergoren und monatelang in Ruhe gelassen. Entsprechend gross war die Spannung, als vergangene Woche der Qvevri geöffnet und der Wein erstmals verkostet wurde. Blick war mit dabei.
Publiziert: 05.05.2024 um 15:14 Uhr
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Ursula GeigerRedaktorin Wein

Der Wind treibt Schnee und Graupel über den Mont Vully und peitscht Wellen in den Murtensee. Welch dramatische Kulisse für einen spannenden Moment für Gäste und Team des Châteaus de Praz in Praz-Vully FR. Denn an diesem kalten Tag Ende April wird der Qvevri geöffnet und erstmals jener Wein probiert, der in der Ton-Amphore nach georgischem Vorbild lange Monate auf den Kernen, den Stielen, den Beerenhäuten und der Hefe reifen durfte.

Önologin Marylène Bovard-Chervet baut auf Château de Praz schon seit vielen Jahren einen kleinen Teil der Trauben nach der Gärung in Tonamphoren aus und assembliert diese Chargen mit den übrigen Weinen der Produktion. Im Herbst 2022 ging sie einen Schritt weiter und vergor Trauben der Sorte Freiburger auf den Häuten in der Amphore. Der georgische Winzer Ucha Gogichadze, der seit 2018 auf Château de Praz arbeitet, unterstützte sie dabei. Der Orange Wein fand so grossen Anklang, dass er im Nu ausverkauft war.

Ein georgischer Qvevri wird gepflanzt!

Weshalb also nicht noch einen Gang zulegen und im Garten hinter dem Haus einen Marani mit Platz für zwei Qvevris anlegen? Ucha übernahm den Lead. Es wurden im Frühsommer zwei Qvevris bei der besten Manufaktur in Westgeorgien bestellt und im Garten hinter dem Haus ein Marani ausgehoben.

Der georgische Winzer Ucha Gogichadze schöpft auf Château de Praz (FR) Wein aus dem eben geöffneten Qvevri.
Foto: Ursula Geiger
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Die 1000-Liter-Tonamphoren wurden sehr knapp vor der Ernte der Traminer-Trauben im Herbst 2023 geliefert und in den Boden gepflanzt. Einen Qvevri versenkt oder vergräbt man nicht! Er wird gepflanzt! Die Orange Wein-Bereitung konnte beginnen. Und das funktioniert so: Die ganzen Trauben werden in die beiden Qvevris verteilt. Das Gewicht der Trauben und enzymatische Vorgänge setzten Saft frei, die Gärung erfolgt spontan, ohne zugesetzte Hefen. Weil das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid Stiele, Beeren und Kerne nach oben treibt, stand Ucha Tag und Nacht alle drei Stunden mit dem Holzstössel an den Qvevris, um den Tresterhut wieder in den gärenden Most zu drücken.

Nach der Gärung sinken Kerne, Stiele, Beerenhäute und Hefetrub in den spitz zulaufenden, unteren Teil der Amphoren. Die grünen Tannine der Kerne und Stiele kommen so nicht mehr in den Kontakt mit dem Most. Nach der Gärung werden beide Qvevris zusammengelegt. Das geleerte Gefäss wird mit Wasser gespült und gekalkt, während der volle Qvevri luftdicht versiegelt wird. Nun hat der Jungwein alle Zeit und Ruhe, um zu reifen.

Zwei Weinkulturen vereint

«Macht der Ausbau im Qvevri bei uns wirklich Sinn?» Diese Frage stellte sich Marylène oft. Denn in der AOC Vully setzen die Winzer auf Terroir und die sortentypische Aromatik von Chasselas, Traminer, Freiburger oder Pinot noir. Letztendlich siegte die Neugier, die Lust, den Blick über den Tellerrand zu intensivieren und die beiden Weinkulturen zu verschmelzen. «Es gehört zu unseren Aufgaben, sich in anderen Weinregionen der Welt umzusehen, unseren Horizont zu erweitern und Neues zu wagen. Wir sind alle unglaublich gespannt, wie diese Geschichte ausgeht», sagt Marylène, bevor Ucha den traditionellen georgischen Segen für die Qvevri-Öffnung spricht, sich niederkniet und die erste Karaffe Traminer aus der Amphore schöpft.

Der Wein mit der leichten Trübung duftet zart nach Rosen (typisch für Traminer), die Fruchtaromatik ist diskret und am Gaumen animieren die schön eingebundene Säure sowie das feinkörnige Tannin zum nächsten Schluck. Alle sind glücklich. Das Acapella-Quartett stimmt den «Ranz des Vaches» an. Schweizer und georgische Kultur treffen sich anschliessend auch kulinarisch: zum ersten Qvevri-Wein der AOC Vully werden georgische Teigtaschen (Khinkali) und Speckkuchen serviert.


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