Es war einmal in Österreich
Dieser Skandal erschütterte die Weinwelt

Vom Betrug zur Spitzenqualität: Die skandalöse Geschichte des österreichischen Weins und sein beeindruckendes Comeback.
Publiziert: 25.05.2023 um 13:56 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2023 um 11:22 Uhr
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

Was haben ein aromatischer Sauvignon Blanc aus der Steiermark, ein erfrischender Grüner Veltliner aus der Wachau und ein würziger Blaufränkisch aus dem Burgenland gemeinsam? Sie kommen alle aus Österreich. Und sie können richtig gut sein. So gut, dass sie Höchstnoten in Fachpublikationen und wichtige Preise an Weltmeisterschaften abräumen.

Mit seinen rund 4000 Weingütern zählt Österreich heute zu einem gefragten Weinherstellungsland. Rund 20 Prozent der Weine gehen in den Export, wobei die Schweiz nach Deutschland zu einem der grössten Abnehmer österreichischen Weins zählt. Die Erfolgsgeschichte unseres Nachbarlandes birgt aber auch ein dunkles Kapitel. Fast 40 Jahre ist es her, seit die österreichische Weinindustrie über Nacht praktisch zum Erliegen kam.

Frostschutzmittel als Süssmacher

Ist es während der Vegetationsperiode zu kalt, reifen Weintrauben nicht vollständig aus und haben einen zu niedrigen Zuckergehalt. Vor rund 40 Jahren waren Weine mit leichter Restsüsse hoch im Kurs, wie zum Beispiel die deutsche Liebfrauenmilch. Wieso den Wein also nicht mit einem Süssungsmittel künstlich süsser machen? Das dachte sich ein österreichischer Winzer und versetzte seine Weine mit kleinen Mengen des Frostschutzmittels Diethylenglykol.

Österreichische Weine werden im Jahr 1985 aus den Regalen genommen, nachdem bekannt wurde, dass einzelne Winzer mit Diethylenglykol gepanschten Wein produziert haben.
Foto: Keystone
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Der letzte Teil des Wortes, «Glykol», stammt aus dem Griechischen und heisst übersetzt «süss». Die Beigabe von Diethylenglykol machte aus gewöhnlichem Tafelwein einen angeblich süssen Prädikatswein, der auf dem Markt einen höheren Preis erzielte. Doch damit nicht genug: Mittels Diethylenglykol liess sich künstlicher Wein erzeugen, der wie Wein aussah, roch und schmeckte, für den aber keine Weintrauben verwendet wurden.

Lange Zeit blieb der Betrug unerkannt, bis einer der betrügerischen Winzer seine Steuern optimieren wollte, indem er hohe Mengen an Frostschutzmittel von den Steuern abzog. Er besass aber nur einen einzigen Traktor, für den die angegebenen Diethylenglykol-Mengen unrealistisch gross waren.

Im Januar 1985 wurde Glykol erstmalig in einem österreichischen Wein nachgewiesen. Es dauerte allerdings noch ein paar Monate, bis das österreichische Landwirtschaftsministerium die Öffentlichkeit informierte. Als Konsequenz wurden nahezu sämtliche österreichischen Weine im In- und Ausland aus dem Verkauf genommen und die Exporte brachen fast komplett weg. Gesundheitliche Schäden von Konsumenten der Weine sind nicht bekannt.

Auf den Schock folgte die Erholung

Nach Tausenden Hausdurchsuchungen und mehreren Freiheitsstrafen für die in den Skandal involvierten Winzer musste sich die österreichische Weinlandschaft neu erfinden. Heute hat das Land eines der strengsten Weingesetze weltweit und einen festen Platz in der Welt der Spitzenweine.

Gerade in den vergangenen 20 Jahren haben Österreichs Wein-Exporte von in Österreich abgefülltem Qualitätswein markant zugelegt, während weniger in Containern transportierte und erst im Zielland abgefüllte Billig-Weine exportiert werden. Unser Nachbarland hat den Glykolwein-Skandal somit erfolgreich abgeschüttelt.

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