Blick beantwortet eure Wein-Fragen
Das sind die grössten Wein-Skandale der Geschichte

Blick-Weinexpertin Shirley Amberg beantwortet eure Fragen rund ums Thema Wein. Leser Christian F. möchte wissen, welches die grössten Skandale in der Weinwelt sind. Davon gibt es freilich einige – aber nicht alle kommen an die grosse Öffentlichkeit. Hier die Top 3.
Publiziert: 18.01.2022 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2022 um 14:34 Uhr
Shirley Amberg

Wein ist – wie Kunst – ein attraktiver Sektor für Fälscher. Eine gut gefälschte Flasche kann Zehntausende Schweizer Franken einbringen.

Für das kommerziellere Ende gibt es aber auch böse Winzer, die ihren Wein strecken oder verfälschen.

1985: Österreichisches Frostschutzmittel

Stellen Sie sich einen österreichischen Winzer vor. Leider liegt sein Rebberg auf der kühlen Nordseite eines Hügels, sein Wein ist entsprechend etwas dünner und grüner als die Weine seines Berufskollegen, dessen Reben auf der sonnigen Südseite des Hügels gedeihen.

Die allermeisten Wein-Skandale bleiben gut gehütete Geheimnisse.
Foto: Shutter Stock
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Der Winzer dachte sich: «Das lässt sich doch sicher irgendwie reparieren. Ja mei! Ich werde den Wein einfach mit a bissel Diethylenglykol aufpeppen!»

Gesagt, getan. Und es funktionierte: Der Wein war mehr wert. Diethylenglykol ist aber ein Bestandteil von Frostschutzmitteln – und sehr giftig! Jemand starb, und der Skandal war da. Der österreichische Weinverkauf brach ein und führte zur Vernichtung von 27 Millionen Litern Wein und einem Verbot des Verkaufs von importiertem Wein aus Österreich.

Das Land brauchte 15 Jahre, um sich davon zu erholen, die Geschichte wurde sogar in der Comic-Serie «The Simpsons» erwähnt.

Übrigens: Auch der Verkauf von australischen Weinen litt unter dem Frostschutz-Skandal. Warum? Weil viele Menschen «Austria» mit «Australia» verwechselten.

Lange Zeit wurde, wenn mit einem Glas österreichischen Wein angestossen wurde, scherzhaft «Frost» statt «Prost» gesagt. Damit macht man sich heute nicht unbedingt Freunde …

2008: Die italienischen Brunello-Blender

Mitten in der Finanzkrise braute sich in einer der schönsten Weinregionen Italiens ein Skandal zusammen: Ermittler fanden heraus, dass ein grosser Produzent rund 25 Jahre lang Merlot in seinen Brunello di Montalcino mischte. Erlaubt ist eigentlich ausschliesslich die Rebsorte Sangiovese. Das kommt nicht von ungefähr, sondern entspringt den strengen DOCG-Regelungen, die die «Reinheit» italienischer Weine gewährleisten.

Im Wesentlichen verweigert die DOCG-Organisation die Zulassung eines Weins, der nicht zu 100 Prozent so gekeltert wird, wie es vorgeschrieben ist. Im Falle des Brunello di Montalcino eben zu 100 Prozent aus Sangiovese Trauben.

Die Weinproduzenten stellten mitten im Skandal die Bedeutung des DOCG-Siegels in Frage und forderten eine Ablehnung der strengen Praktiken. Im gleichen Jahr folgte eine Abstimmung, und die überwältigende Mehrheit entschied sich dafür, die Regeln beizubehalten.

Auswirkungen des ganzen Skandals waren und sind keine zu spüren, im Gegenteil: Der Tourismus hat zugenommen, Absatz und Export blieben stabil.

Zwar wurde Brunello di Montalcino daraufhin in den USA verboten; bestraft wurde jedoch niemand. Vermutlich fanden die zuständigen Beamten neue Alfa Romeos oder Ferraris in ihrer Garage.

«Brunellogate», wie englische Medien das Spektakel nannten, war im Vergleich zum österreichischen Skandal zwar intensiver, hochkarätiger, aber letztlich nicht sehr folgenreich. Für kurze Zeit war der Skandal so gross, dass er die Industrie in seinen Grundfesten erschütterte und die jahrhundertealten Anwesen, einige der besten, die Italien zu bieten hat, zu ruinieren drohte. Der eine oder andere hat es vielleicht noch in Erinnerung – wird es aber bei einem oder zwei Gläschen des fabelhaften Weins der Region schnell wieder vergessen.

Dr. Conti

Der aus Indonesien stammende Weinhändler Rudy Kurniawan (45) gilt als «grösster und erfolgreichster Weinfälscher der Welt». Kurniawan hat mit seltenen Weinen ein riesiges Vermögen angehäuft. 2014 wurde er in den USA als erster Mensch wegen Weinbetrugs verurteilt. Bis November 2020 sass er seine Haftstrafe ab und wurde anschliessend zurück in sein Heimatland Indonesien abgeschoben.

Kurniawan alias «Dr. Conti», benannt nach seinem lukrativen Handel mit Domaine de la Romanée Conti, verkaufte zwischen 2004 und 2012 gefälschte Weinflaschen und machte damit Millionen. Die meisten verkaufte er über Auktionshäuser wie Acker Merrall & Condit, die Kurniawans Flaschen allein an zwei Auktionen für 35 Millionen US-Dollar verkauften.

Doch durch seinen langanhaltenden Erfolg wurde Kurniawan schliesslich unvorsichtig. So bot er beispielsweise Weine von Clos Saint-Denis der Jahrgänge 1945 bis 1971 an – diese Domaine hat aber erst 1982 ihren ersten Clos Saint-Denis produziert. Auch die Flaschen Clos de la Roche mit dem Jahrgang 1929 der Domaine Ponsot waren etwas zu optimistisch gefälscht, denn die Domaine Ponsot begann erst im Jahre 1934 unter eigenem Namen zu vermarkten.

Kurniawan übertrieb es gegen Ende seiner Karriere auch mit dem Handel von Romanée-Conti: Das berühmte Haus besitzt nur zwei Hektar Rebfläche und produziert jährlich nur wenige Flaschen – weniger, als Kurniawan jeweils in seiner Garage hortete.

Weinbetrug ist erst seit den Schlagzeilen um Kurniawan ein Thema und auf dem Radar der Weingeniesser. Seine Geschichte wurde in der britischen Dokumentation «Sour Grapes» (2016) verfilmt.

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