Junge kochen kaum noch selber
Vegane Fertigprodukte liegen im Trend

Der Detailhandel setzt voll auf die Karte Convenience. In den Kühlregalen stehen immer mehr vegane und vegetarische Produkte. Viele assoziieren diese mit gesunder Ernährung – doch das ist ein Trugschluss.
Publiziert: 05.01.2022 um 13:55 Uhr
|
Aktualisiert: 06.01.2022 um 10:52 Uhr
Fabio Giger

Zeit zum Kochen bleibt heute immer weniger. Vor 70 Jahren stand eine Person im Schnitt dreimal länger am Herd als heute. Ein Snack unterwegs ersetzt das gemeinsame Essen am Mittagstisch. Zu Hause schiebt man abends eine Fertig-Lasagne in den Backofen – schnell und bequem. Willkommen bei der Generation Convenience!

Detailhändler stillen deren kleinen Hunger für Zwischendurch mit Fertig-Food. Schnellbedienungsläden wie Coop to go, Avec, Migrolino und Co. setzen damit gegen fünf Milliarden Franken um, wie Zahlen des Beratungsunternehmens Alix Partners zeigen. Seit 2013 wächst der Umsatz jährlich um vier Prozent.

Trügerische Zwischenverpflegung

Der Umsatz von Migrolino ist allein 2019 um 15 Prozent gewachsen – das Kleinformat ist für den orangen Riesen ein Gewinngarant. 324 Shops umfasst das Migrolino-Netz bereits. «Die Expansion läuft aber stetig weiter», sagt Migrolino-Chef Markus Länzlinger zu BLICK. Seine Sicht zum Erfolg des Convenience-Konzepts: «Es gibt immer mehr Single-Haushalte, welche eine unkomplizierte, spontan verfügbare Verpflegungs- und Einkaufsmöglichkeit suchen.»

Sich zu verpflegen, soll immer schneller gehen – und immer gesünder werden. Auf Fleisch wird immer mehr verzichtet. Gesund ist ein fleischloser Snack aber nicht in jedem Fall.
Foto: Getty Images
1/8

Wie wichtig dieser Markt für den Detailhandel geworden ist, zeigt sich bei den Grossverteilern. Migros begründete den Verkauf von Globus, M-Way, Depot und Interio unter anderem mit dem Ausbau des Convenience-Segments.

In die gleiche Richtung geht Coop. Seit 2016 schluckte die Coop-Metzgerei Bell die Eisberg-Gruppe, Hügli und Hilcona – drei gewichtige Convenience-Food-Produzenten. Mittlerweile macht die Bell Food Group rund einen Viertel des Umsatzes mit fertig zubereiteten Produkten. Mittelfristig strebt Bell die 50-Prozent-Marke an.

Die Take-away-Formate liegen an Bahnhöfen, in der Innenstadt oder an Tankstellen – da, wo sich Menschen im Alltag bewegen. «Es wird oft unterwegs, im Zug oder bei der Arbeit gegessen», sagt Christine Schäfer (30), Trendforscherin am Gottlieb Duttweiler Institut. Detailhändler verdienen damit gutes Geld: Die Margen auf die Fertigprodukte sind relativ hoch. Der Markt ist ungesättigt, wie eine Studie des Beratungsunternehmens Fuhrer & Hotz andeutet.

Auch darum setzt Valora – der dritte grosse Convenience-Anbieter der Schweiz – bei den 262 Kiosk- und Verpflegungs-Verkaufsflächen an den SBB-Bahnhöfen, die sie kürzlich bei einer Ausschreibung gewonnen hat, stark auf einen höheren Foodanteil. Die Kunden sollen dort eine Zwischenverpflegung rasch und unkompliziert einkaufen können.

Veganes Convenience liegt im Trend

Ernährungsberaterin Barbara Richli (55) sieht den Snacking-Trend kritisch: «Ständiges Essen fördert das Übergewicht.» Grund dafür ist unser Stoffwechsel. «Versorgen wir unseren Körper andauernd mit Energie aus Kohlenhydraten, Fett und Eiweiss kann der Abbau von Körperfett nie einsetzen.» Pölsterchen setzen sich an. Für Richli ist es eine Frage des Lebensstils, nur zu Hauptmahlzeiten zu essen und damit dem Körper etwas Gutes zu tun.

Trendforscherin Schäfer beobachtet eine zweite Veränderung der Essgewohnheiten: «Wir stellen einen Trend hin zu veganen oder vegetarischen Convenience-Produkten fest.» Von diesen gibt es in Schweizer Kühlregalen immer mehr.

Unter dem Namen Karma verkauft Coop Vegi-Produkte. Die Migros setzt voll auf das eigene vegetarisch-vegane Cornatur-Sortiment und ihre Bio-Linie Alnatura. Seit kurzem liegen in ihren Kühlregalen auch verschiedene Fleischersatzprodukte.

Convenience Food macht dick

Die Hersteller achten vermehrt darauf, dass die Convenience-Produkte von den Konsumenten als frisch wahrgenommen werden. Viele assoziieren vegan und bio mit gesunder Ernährung. Doch das ist ein Trugschluss.

«Entscheidend ist, dass man im Verhältnis zum individuellen Energiebedarf nicht zu viele Kalorien konsumiert», sagt Ernährungsberaterin Richli. Sie erklärt: «Ob veganer oder tierischer Convenience Food – verarbeitete Lebensmittel können dick machen.»

Eine US-Studie gibt ihr recht: Vertilgen junge, normalgewichtige Personen Convenience-Food, nehmen sie viel mehr Energie zu sich, als wenn sie frisch zubereitete Lebensmittel essen. Täglich sind es 500 Kilokalorien mehr. Schon nach 14 Tagen nehmen sie ein knappes Kilo zu, wie die «NZZ» schreibt.

Verarbeitet und kalorienreich

Die Forscher erklären sich die Resultate mit der höheren Energiedichte von Fertigprodukten. Konsistenz und Beschaffenheit der Mahlzeiten erhöhten zudem die Essgeschwindigkeit der Probanden. Dadurch isst man zu viel. Die Kalorien häufen sich an, bevor die Sättigungssignale einsetzen.

Vegetarier und Veganer wurden in der Studie nicht berücksichtigt. Christian Wolfrum, Fettleibigkeitsforscher an der ETH Zürich, vermutet aber, dass die Resultate auf hoch prozessierte, vegane und vegetarische Nahrung übertragen werden können. Solche Produkte enthalten teilweise ebenfalls kaum Nahrungsfasern, aber viel Fett und Zucker. Experimentell gesichert sei dieser Rückschluss jedoch noch nicht.

Ob fleischloser Beyond-Meat-Burger oder konventionelles Kalbs-Paddy, Quorn oder Chicken Nuggets: Die Lebensmittelindustrie beeinflusst unser Essverhalten. Und damit unsere Gesundheit.

*Dieser Artikel wurde ursprünglich am 27. Februar 2020 publiziert. Wir veröffentlichen ihn erneut im Rahmen von «Veganuary» – einer Kampagne, die im Monat Januar auf eine vegane Lebensweise aufmerksam macht.*

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?