Zu Besuch beim bekanntesten Barkeeper der Welt
«Ich bin kein Feiermuffel»

Er hat das Saufen zum Trinken gemacht, führte in jungen Jahren einen Strip-Club an der französisch-spanischen Grenze und gilt als bekanntester Barkeeper der Welt. Charles Schumann (76) über das Feiern, die besten Cocktails für Silvester und seine Bar in München.
Publiziert: 30.12.2017 um 19:46 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2018 um 09:17 Uhr
Der Meistermixer hinter der Bar des Schumann’s in München.
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Jonas Dreyfus

Herr Schumann, was trinkt man an Silvester?
Charles Schumann: Es muss nicht immer Champagner sein. Wenn ich Silvester feiere, koche ich für ein paar Freunde. Genau wie beim Essen gibts auch für die Getränke eine Chronologie.

Wie sieht die aus?
Zuerst würde ich etwas geniessen, was mich ans Essen heranführt, wie Bitterspirituosen. Viele Wermuts aus dem Piemont sind grossartig. Oder einfach Campari. Ich trinke ihn am liebsten pur und richtig gut geschüttelt. Sodass er ein bisschen Schmelzwasser vom Eis enthält. Es gibt nichts Besseres!

Was gibts während des Essens?
Wenn überhaupt Alkohol, dann richtig guten Wein. Davon habe ich allerdings wenig Ahnung – ich bin kein Weintrinker. Nach dem Essen würde ich einen Ti Punch anbieten: ein kräftiger Rum mit Zitrone und Zucker respektive Honig. Den ­trinke ich übrigens auch im Winter vor dem Schlafengehen, wenn ich nicht fit bin, was Gott sei Dank ­selten vorkommt!

Mit welchem Getränk endet der Abend?
Ich öffne einen Portwein aus ­meiner grossen Sammlung. Wenn ich noch ausgehe, trinke ich einen ­Sazerac. Das ist ein Urdrink aus New Orleans, der normalerweise mit Brandy oder Cognac gemacht wird. Ich mache ihn mit Whisky. Dazu kommen Absinth und Bitters.

In jungen Jahren haben Sie eine Disco in Montpellier geführt. Im Tiffany’s gabs Themenpartys wie «Soirée blanche» oder «Nuit caribéenne». Später leiteten Sie einen Strip-Club an der französisch-spanischen Grenze. Was bedeutet Ihnen das Feiern heute?
Ich bin kein Feiermuffel, aber Schumann’s Bar bleibt an Silvester geschlossen. Wir haben es versucht. Zuerst mit Radau: Musik und allem Drum und Dran. Das hat mir nicht gefallen. Dann haben wir auf ein gepflegtes Dinner gesetzt mit dem Ergebnis, dass wir um ein Uhr allein waren, weil die Leute in die Clubs weitergezogen waren. Partys ­sagen mir immer weniger. Essen ist für mich das Zentrale. Am liebsten ungesund.

Foto: The Washington Post/Getty Images
Schumann’s Sazerac: Whiskey-Drink mit Anis-Note

Zutaten: 1 Zuckerwürfel, Peychaud’s Bitters, 6 cl Rye Whiskey, Pernod, ­Zitronenschale, Wasser oder Soda.

Zubereitung: Zuckerwürfel mit Peychaud’s Bitters tränken und mit dem Barlöffel in einem Tumblerglas zerdrücken. Whiskey und einige Spritzer Pernod hinzugeben, gut verrühren, mit einer Zitronenschale abspritzen und diese dazugeben. Mit Wasser oder Soda auffüllen.

Andere Rezepte sehen vor, das leere, ­gekühlte Glas mit Pernod (ursprünglich wurde Absinth verwendet) zu benetzen und den Drink mit Eis zu servieren. Das Originalrezept ist mit Cognac anstelle des Whiskeys gemacht.

Zutaten: 1 Zuckerwürfel, Peychaud’s Bitters, 6 cl Rye Whiskey, Pernod, ­Zitronenschale, Wasser oder Soda.

Zubereitung: Zuckerwürfel mit Peychaud’s Bitters tränken und mit dem Barlöffel in einem Tumblerglas zerdrücken. Whiskey und einige Spritzer Pernod hinzugeben, gut verrühren, mit einer Zitronenschale abspritzen und diese dazugeben. Mit Wasser oder Soda auffüllen.

Andere Rezepte sehen vor, das leere, ­gekühlte Glas mit Pernod (ursprünglich wurde Absinth verwendet) zu benetzen und den Drink mit Eis zu servieren. Das Originalrezept ist mit Cognac anstelle des Whiskeys gemacht.

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Wie meinen Sie das?
Ein perfektes Brot mit einer guten Butter ist mir lieber als alles ­andere. Ich bin sehr, sehr bodenständig in dieser Hinsicht, weder vegetarisch geprägt noch vegan. Für mich ist eine Wurst wichtig, für mich ist ein gutes Huhn wichtig. Im alten Schumann’s hatten wir diese unglaublich dicken, fetten Presshühner von einem Händler aus dem Elsass. Ich bin wirklich ein grosser Geflügelfan.

Mit Ihrem Rezeptbuch «American Bar» sind Sie weltbekannt ­geworden. Im Dokumentarfilm «Schumanns Bargespräche» ­feiern New Yorker Barkeeper Sie wie einen Heiland.
Es ist schon eigenartig, dass ich als Deutscher mit dem Buch die amerikanische Barkultur wiederbelebt habe. Eulen nach Athen tragen könnte man sagen.

Was macht den Erfolg des Buchs aus?
Die Tatsache, dass es keines dieser Bilderbücher mit schlechten Fotos von Cocktails ist, sondern fast nur mit Text auskommt. Ein Buch für Erwachsene, mit dem man in einer Bar arbeiten kann.

Was sind die neusten Trends bei den Cocktails?
Oftmals werden Moden aus der ­Küche übernommen wie bei den molekularen Drinks mit Trockeneis und solchen Sachen. Das vergeht aber immer alles sehr schnell ­wieder. Ich kenne die Trends, aber sie interessieren mich nicht. Ich richte mich nach dem Motto: Ein Drink ist am besten, wenn man nichts mehr weglassen kann.

Im Film erzählt eine deutsche Barkeeperin, dass die Leute in den 70er-Jahren Alkohol wegen des Rausches konsumierten. 1982 eröffneten Sie an der ­Maximilianstrasse 36 in München die Schumann’s American Bar und haben das Saufen ­wieder zum Trinken gemacht.
So kann man das sehen. Es ist ja auch die Botschaft des Films: Etwas bewusster zu trinken.

Was macht eine American Bar aus?
Neben den klassischen Drinks die Atmosphäre. Schummriges Licht gehört dazu, harte Stühle und ein Tresen, der den Raum dominiert. Das Wichtigste ist das Publikum, nicht die Einrichtung.

Wie schafft man das, in Ihrem Umfeld nicht zum ­Alkoholiker zu werden?
Alkohol ist nicht gefährlich, wenn man richtig damit umgeht.

Das heisst allerdings für jeden etwas anderes.
Ich kann nur für mich sprechen. Wenn ich zu viel trinken würde, wäre ich schon lange nicht mehr in diesem Beruf tätig. Ganz einfach. Ich mache auch viel Sport, gehe schon seit vielen Jahren zweimal pro Woche boxen, schwimme und laufe viel. Für den Kopf mache ich auch noch was, versuche unbedingt noch Japanisch zu lernen. Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch kann ich bereits. Und natürlich Deutsch.

Ihre katholische Mutter war sehr religiös. Gemäss ihr hätten Sie Priester werden sollen. Wie kam das an, dass Sie schliesslich in einer Bar landeten?
Ich komme von einem Bauernhof aus der Oberpfalz, aus einem Ort, an dem nicht gefeiert wird. Darunter, was ich als Barkeeper mache, ­konnte sich meine Mutter gar nichts vorstellen. Dass ich nicht Geistlicher geworden bin, war das eigentliche Problem.

Nach Ihrem Frankreich-Aufenthalt wollten Sie endlich Ihren grossen Traum verwirklichen und Diplomat werden. Doch das Auswär­tige Amt wollte niemanden ­einstellen, dem der Qualm noch in den Kleidern hing, wie Sie in der «Süddeutschen Zeitung» sagten.
Ich hätte alle Voraussetzungen ­erfüllt, hatte extra studiert, Erfahrung im Konsulatswesen gesammelt und weiss der Teufel was. Dass es nicht klappte, war hart. Ich war Mitte 30 und musste mir überlegen, wie mein Leben weitergehen soll.

In kürzester Zeit wurden Sie zum beliebtesten Barkeeper ­Münchens. Wie schafften Sie das?
Es lag wohl daran, dass ich nicht aus der Hotellerie kam, wo man in die Rolle des Barkeepers hinein­geprügelt wird. Ich übte den Beruf so aus, wie ich es für richtig hielt. Das was für meine früheren Arbeitgeber nicht so einfach. Es half ­sicher, dass ich ganz ordentlich aussah. Viele Frauen kamen in die Bar. Das war damals nicht gang und gäbe.

Wünschten Sie manchmal, lieber etwas anderes gemacht zu haben?
Ich bin in der Gastronomie nicht schlecht gelandet. Das Wichtigste im Leben ist, dass man sich richtig einschätzen kann. Ich hätte kein Schriftsteller oder Journalist werden können, auch wenn ich Politik und Publizistik studiert habe. Ich war einfach nicht gut genug.

Schumann’s Bar hatten Sie ursprünglich als Ort für ­Kopfarbeiter konzipiert, wie Sie es nennen.
Ich wollte keine Saufstelle ­machen und war beeinflusst von Lite­ratur und Schriftstellern wie Hemingway, dem bekannten Bar­besucher. Wie man im Film erfährt, hat er ­seinen Lieblingsdrink, den Daiquiri, ohne Zucker getrunken, weil er an Diabetes litt.

Im alten Schumann’s hatten Sie je einen grossen Tisch für Journalisten, Künstler, Galeristen und Filmer reserviert.
Es war eine Bar für Intellektuelle, wobei es bei den Journalisten ­immer am lebhaftesten war. Heute schreiben die Journalisten nur noch übers Trinken, trinken aber nicht. Das geht auch nicht.

Vor bald 15 Jahren sind Sie in ein grösseres Lokal am Odeonsplatz gezogen. Wie ist das Trinkverhalten im heutigen Schumann’s?
Heute ist das anders hier. Wir sind sehr gross geworden, fast zu gross. Ich habe rund 40 Mitarbeiter, mittags sind wir eine gehobene Kan­tine und servieren 150 Mahlzeiten. Zu dieser Tageszeit trinkt hier fast niemand mehr Alkohol. Ich träume oft davon, wieder in einem kleinen Lokal zu arbeiten. Aber eine Bar kann nun mal nur überleben, wenn sie sich erneuert. Sonst stirbt sie mit den Stammgästen aus.

Einer Ihrer früheren Stammgäste wohnte angeblich im Schumann’s.
Er trug den berühmten, ungarisch-jüdischen Namen Cukor, wie der grosse Regisseur George Cukor. Irgend­wann hatte er kein Zuhause mehr und machte sich nachts in der Bar breit.

War das okay für Sie?
Das war nicht okay für uns, aber wir haben es geduldet.

Weil er noch Geld ausgegeben hat bei Ihnen?
Das hatte nichts mit Geld zu tun, wir sind doch keine Schweizer! Die Drinks gaben wir ihm umsonst. So etwas ist Bargeschichte.

Sie haben den Ruf, forsch zu sein zu Ihren Gästen. Auch mal jemanden rauszuekeln, der Ihnen nicht passt.
Wir haben früher Sachen gemacht, die wir heute nicht mehr machen würden. Vielleicht lags an der ­Grösse: In einer kleinen Bar bist du viel zu nah dran am Gast. Das kann auch ein Nachteil sein.

Wie viel Nähe erträgt es ­zwischen Barkeeper und Gast?
Wenn man mit jedem Gast befreundet ist, wirds schwierig. In erster ­Linie sollte ein Barkeeper ein Zuhörer sein und sich nicht ein­mischen in Diskussionen, die man in Bars führt über aktuelle Themen, Politisches. Ich sage meinen Mitarbeitern immer, dass Sie nicht mit Gästen anbändeln sollen. Sie halten sich nicht immer daran, ich schon.

Wie arrogant darf ein Barkeeper sein?
Ein Barkeeper muss nicht arrogant sein, das wäre das Dümmste. Manchmal wird professionelle ­Distanz als Arroganz missgedeutet.

Was machen Sie am Silvester?
Ich fliege mit ein paar Freunden nach Ecuador. Eine ehemalige ­Mitarbeiterin lädt uns zu ihren ­Eltern ein. Wir werden sicher sehr gut essen, alles andere lasse ich auf mich zukommen. Ich denke, das wird ganz lustig.

Vom Leibwächter zum Barkeeper

Charles Schumann heisst ­eigentlich Karl Georg Schuhmann. Der Münchner ist Autor der Cocktail-Bibel «American Bar» und Betreiber der 1982 von ihm eröffneten Schumann’s Bar, ein Epizentrum der Münchner Schickeria. Als 17-Jähriger ­verlässt er das bischöfliche Gymnasium in Regensburg und geht zum Bundesgrenzschutz, wo er den damaligen deutschen Bun­des­kanzler Adenauer bewacht. Später lässt er sich zum Konsulatssekretär ausbilden, besucht die Hotelfachschule in Luzern und zieht mit 30 nach Südfrankreich, um diverse Nachtlokale zu führen und an der Universität von Montpellier Französisch zu studieren. Zurück in Deutschland startete er als Gastronom und Model durch, leiht sein Gesicht grossen Werbekampagnen von Hugo Boss und Baldessarini. Schumann ist ­Single und hat ­einen Sohn aus ­einer früheren Ehe.

Charles Schumann heisst ­eigentlich Karl Georg Schuhmann. Der Münchner ist Autor der Cocktail-Bibel «American Bar» und Betreiber der 1982 von ihm eröffneten Schumann’s Bar, ein Epizentrum der Münchner Schickeria. Als 17-Jähriger ­verlässt er das bischöfliche Gymnasium in Regensburg und geht zum Bundesgrenzschutz, wo er den damaligen deutschen Bun­des­kanzler Adenauer bewacht. Später lässt er sich zum Konsulatssekretär ausbilden, besucht die Hotelfachschule in Luzern und zieht mit 30 nach Südfrankreich, um diverse Nachtlokale zu führen und an der Universität von Montpellier Französisch zu studieren. Zurück in Deutschland startete er als Gastronom und Model durch, leiht sein Gesicht grossen Werbekampagnen von Hugo Boss und Baldessarini. Schumann ist ­Single und hat ­einen Sohn aus ­einer früheren Ehe.

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