Kein Land schadet der Nachhaltigkeit mehr
Saubere Dreckschleuder Schweiz

Wieder einmal führen wir eine Rangliste an. Leider jene, welche die Länder klassiert, die der Nachhaltigkeit am meisten schaden, wie die Studie einer renommierten Stiftung besagt.
Publiziert: 19.07.2019 um 20:08 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2019 um 10:18 Uhr

Wir Schweizer sind stolz auf unsere sprichwörtliche Sauberkeit, die sogar in Asterix-Bänden ihren Niederschlag findet (oder eher: eine Parodie). Bei uns wird Plastikmüll verbrannt und landet nicht im Meer, unsere Recyclingrate ist super und unsere Häuser sind isoliert. Wir benutzten stromsparende Geräte und der innere Schweinehund kommt in der Regel fast nur an Festivals und in Sommernächten zum Ausdruck, wenn der Jungschweizer auch mal seinen Müll liegen lässt. Unsere Regierung gilt zudem als vorbildlich korruptionsarm (auch wenn das vielleicht anders aussehen würde, wenn Finanzierungen von Parteispenden endlich offengelegt werden müssten).

Alles in allem kann man, so meint man, also stolz sein auf unsere saubere Schweiz. Das sagt sich der Schweizer gern. Leider ist der Nationalstolz in dieser Hinsicht aber verfehlt – eigentlich müssen wir uns schämen. Denn wir schleudern unseren Dreck in andere Länder, wir sind weltweit die grösste Dreckschleuder überhaupt. Das besagt eine Ende Juni dieses Jahres erschienene Studie der international renommierten deutschen Bertelsmann-Stiftung – in Zusammenarbeit mit dem US-Ökonomen Jeffrey Sachs. Der wiederum ist Direktor des UN Sustainable Development Solutions Network (Netzwerk für «Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung» der Vereinten Nationen). Er gilt als einer der aktuell wichtigsten Ökonomen weltweit.

160 Länder von Afghanistan bis Zimbabwe, haben die Autoren der Studie anhand neusten erhältlichen Erhebungen analysiert. Aus den Resultaten, dem «Sustainable Development Report» also dem «Bericht zur nachhaltigen Entwicklung» geht hervor, dass die Schweiz am stärksten von allen Ländern weltweit auf Kosten anderer Länder lebt, vor Singapur, Luxemburg und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Schweiz ist schön – wie hier auf der Piora-Alp im Tessin. Und sie ist reich.
Foto: Keystone
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Schweizer Waffenindustrie und Schweizer Rohstofffirmen richten immensen Schaden an

Der Bericht untersucht den sogenannten «negativen Spillover-Effekt» aller Länder. Der Begriff «Spillover», direkt übersetzt «Überlauf», steht dafür, was unser Konsumverhalten, unsere Aussenhandelsbeziehungen, unser Steuersystem, aber auch unsere Industrie und unsere Dienstleistungen im Finanzsektor insgesamt für Auswirkungen auf andere Länder haben.

Dass die Schweiz von allen untersuchten Ländern, andere Nationen am stärksten in ihrer nachhaltigen Entwicklung behindert, hat diverse Gründe. Ganze Industriezweige der Schweiz, auf denen unser Reichtum zum Teil fusst, haben negative Auswirkungen anderswo: So etwa die Waffenindustrie. Die Schweiz liegt bei den Waffenexporten weltweit an achter Stelle, hinter Giganten wie USA, Russland und China. Bei unserer Kleinheit ist dies eine hohe Position – die uns grossen Umsatz beschert – im Jahr 2016 etwa 412 Millionen Franken Exportvolumne, in den «Zielländern» hingegen zu Verheerungen führt. Aber vor allem auch das Gebaren diverser in der Schweiz ansässiger Rohstoff-Handelsfirmen wie Glencore oder der Nahrungsmittel-Gigant Nestlé schaden anderen Ländern direkt.

Nutella aufs Brot bringt anderswo Not

Es sind aber nicht nur Grossfirmen, die in anderen Ländern Unheil anrichten. Es ist auch unser Konsumverhalten. Nutella, Rindfleisch, Avocados, und viele andere regelmässige Inhalte unserer Einkaufskörbe, sind für uns nur erschwinglich, weil anderswo Regenwälder abgeholzt werden, um Palmen für die Palmölproduktion anzupflanzen, welches dann in unserem Nutella und unzähligen anderen Fertigprodukten zu finden ist. Riese Wälder fallen zudem dem Anbau für Soja zum Opfer, welches wiederum für die Fütterung der Abermillionen Rinder benötigt werden, die jährlich in unseren Mägen landen.

Handelszölle schützen die Schweiz und nur die Schweiz

Am «negativen Spillover» sind aber nicht nur Schweizer Unternehmen und Konsumenten schuld – auch unsere politischen Strukturen wie weitgehende Tiefsteuern für Unternehmen oder Handelszölle, die es anderen Ländern erschweren, Ihre Produkte bei uns abzusetzen, haben je nach Betrachtungsweise einen negativen Einfluss. So helfen etwa hohe Importzölle für landwirtschaftliche Produkte unseren Bauern, eher konkurrenzfähig zu bleiben – anderswo verhindern sie hingegen den Absatz. 

Wen also am bald kommenden 1. August den Nationalstolz erfasst, tut gut daran, sich zu erinnern, dass unser Wohlstand nicht nur auf der Arbeitsleistung des Durchschnittsschweizers basiert. Anderswo bezahlen Menschen mit dem Verlust ihrer natürlichen Ressourcen und der Zerstörung ihrer Umwelt für unseren Reichtum.

Rangliste der Nachhaltigkeits-Schädlinge
1. Schweiz
2. Singapur
3. Luxemburg
4. Vereinigte arabische Emirate
5. Mauritius
6. Niederlande
7. Kuwait
8. Grossbritannien
9. USA
10. Norwegen

Quelle: «Sustainable Development Report» 2019, Bertelsmann-Stiftung

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