Pessimistische Jugend? Von wegen!
Wovon unser Nachwuchs träumt

Die «Generation Z» sei lustlos, faul und naiv – so lauten zumindest die Vorurteile, die sie sich oft anhören muss. Aber stimmt das wirklich? Blick hat vier von ihnen getroffen und sie gefragt, was sie bewegt.
Publiziert: 31.12.2023 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2023 um 11:20 Uhr
Sara Belgeri und Tim von Felten

«Wir sind laut und sagen, was uns nicht passt»
Linda (24), Geografie-Studentin 

Mit fünf Jahren habe ich mit Eiskunstlauf begonnen. Normalerweise trainiere ich fünfmal in der Woche. Weil ich aber fürs Geografie-Studium ein 80-Prozent-Praktikum absolviere, bin ich momentan eher zwei- bis dreimal pro Woche auf dem Eis.

Nebenbei lasse ich mich zur Eiskunstlauf-Trainerin ausbilden und unterrichte Kinder. Ich höre oft, dass ich gut darin bin. Und ich mache es sehr gerne. Ich bin zwar manchmal streng, aber die Kinder haben Freude.

Linda träumt von einer Karriere im Eiskunstlauf: «Ich bin dankbar, dass ich weiss, was meine Leidenschaft ist.»
Foto: Linda Käsbohrer
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In letzter Zeit habe ich viel mit Freundinnen und Freunden über die Zukunft geredet. Viele von uns sind unsicher. Dein ganzes Leben ist durchgetaktet: Schule, Lehre, Studium. Plötzlich endet diese Phase und du merkst, dass du eigentlich nicht genau weisst, was du im Leben machen willst. Ich glaube, dass diese Unsicherheit viele junge Menschen plagt. Zu merken, dass es fast allen gleich geht, hilft.

Auch ich frage mich oft, was ich überhaupt will. Mir gefällt mein Job, aber er erfüllt mich nicht. Ich liebe die Eiskunstwelt, deshalb versuche ich aktiv, darin auch beruflich Fuss zu fassen. Wenn es klappt, toll, wenn nicht, probiere ich es einfach weiter. Ich bin sehr dankbar, dass ich weiss, was meine Leidenschaft ist.

Ich spüre viel Hoffnung in meiner Generation. Wir sind laut und sagen, was uns nicht passt. Zum Beispiel wollen viele, dass ihre Arbeit sinnvoll ist und nicht das ganze Leben bestimmt. Auch der Klimastreik ist ein gutes Beispiel. Die Wissenschaft warnt schon lange vor den Folgen des Klimawandels. Aber es waren die Jungen, die handelten. Ältere Generationen bezeichnen uns oft als naiv. Ich finde, das ist ein abschätziges Wort für hoffnungsvoll.

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Mein Ziel ist es, einen Job zu haben, der sich nicht wie Arbeit anfühlt. Und davon leben zu können. Vor allem aber will ich nicht zurückschauen und bereuen, etwas nicht ausprobiert zu haben. Ein wenig muss ich auch darauf vertrauen, dass schon alles gut kommt.

«Man sollte sich trotz Kriegen bewusst sein, dass es auch Positives auf der Welt gibt»

Fabienne (18), Maturandin im Zwischenjahr 

Im Sommer habe ich die Matura gemacht. Danach bin ich reisen gegangen, nach Indonesien, Thailand und Singapur. Das hat mir sehr gefallen. Ich war das erste Mal ohne meine Eltern weit weg und musste alles selbst organisieren. Jetzt bin ich im Zwischenjahr. Ich arbeite in einem Café und gebe auch noch Nachhilfe. Die Arbeit im Service finde ich voll cool, weil immer etwas läuft. Es ist eine gute Abwechslung zur Schule: Da war immer alles so theoretisch. Im Sommer will ich an der ETH Physik studieren. Davor würde ich gerne ein Praktikum in einem Observatorium machen, sodass ich hinter die Kulissen sehen kann.

Mit fünf oder sechs haben meine Eltern mir ein Buch übers Weltall geschenkt. Das hat mich total fasziniert. Ich hab sogar ein Sonnensystem gebastelt, das ich über mein Bett gehängt habe. In der Schule hat mir Physik mega gefallen. Und ich war gut. Nach dem Bachelor will ich im Master dann Astrophysik studieren.

Bewegung macht mich sehr glücklich. Ich mache etwa sechsmal pro Woche Sport. Entweder Unihockey, Fitness oder Basketball. Im Sommer fahre ich Rennvelo und Mountainbike, im Winter gehe ich Ski fahren oder auf Skitouren. Beim Sport kann ich abschalten und den Stress vergessen.

Ich würde sagen, dass meine Freunde und ich recht positiv eingestellt sind. Aber klar geht es einem nicht immer gut. Ich finde es stark, wenn man darüber sprechen kann. Mentale Gesundheit ist zwar immer noch ein wenig ein Tabuthema, aber ich habe schon das Gefühl, dass es immer mehr thematisiert wird.

Natürlich bekomme ich mit, dass in der Welt Kriege stattfinden. Es ist surreal. Wir sind so privilegiert in der Schweiz. Wenn man die Nachrichten immer lesen würde, könnte man meinen, es sei alles schlecht. Man sollte sich informieren, aber sich trotz Kriegen bewusst sein, dass es auch Positives auf der Welt gibt.

Ich möchte einen Job machen, mit dem ich etwas zur Gesellschaft beitragen kann und gefordert bin. Am liebsten würde ich bei der Nasa arbeiten. Oder bei der Europäischen Weltraumorganisation. Und einmal auf den Mond fliegen.

«Mich begeistern immer wieder neue Dinge, die ich gerne ausprobieren möchte»

Mara (21), Fachfrau Hauswirtschaft 

Die Berufsfindung war bei mir schwierig. Ich war an vielen Orten schnuppern, doch nirgends wusste ich: Das will ich zu 100 Prozent machen. Um Zeit zu gewinnen, habe ich ein berufsorientiertes zehntes Schuljahr in der Hauswirtschaft gemacht. Das hat mich überzeugt, in diesem Bereich eine Lehre zu beginnen. An der Hauswirtschaft gefällt mir, dass sie so vielseitig ist: Man kocht, wäscht, reinigt und serviert.

Jetzt arbeite ich als Praktikantin an einer heilpädagogischen Schule. Ich helfe aus und schaue auf die Kinder. Das ist spannend und macht Spass, doch brauchts auch Geduld. Die Kinder geben mir aber sehr viel: Wenn ich mal einen schlechten Tag habe und mir eines der Kinder zulächelt, ist gleich alles besser.

Nebenbei schwimme ich, spiele Theater und samstags bin ich Stammleiterin in der Pfadi. Mir gefällt die Abwechslung bei meinen Hobbys und die coolen Leute, die ich dabei treffe. Im Frühling werde ich Stufenleiterin in der Pfadi, dann bin ich für eine ganze Altersstufe zuständig. Ich freue mich darauf, denn es bedeutet mehr Verantwortung.

Ein grosser Erfolg war mein viermonatiger Sprachaufenthalt in Neuseeland. Dort lernte ich, alleine klarzukommen. Ich konnte immer das machen, worauf ich Lust hatte. Manchmal war es einsam, doch ich habe tolle Leute kennengelernt, mit denen ich immer noch in Kontakt bin. Ich finde, alle, die die Chance haben, sollten mal alleine reisen.

Konkrete Ziele verfolge ich momentan nicht. Mich begeistern immer wieder neue Dinge, die ich gerne ausprobieren möchte. Einen Traum habe ich aber schon länger: einen Golden Retriever als Therapiehund aufziehen. Mit dem würde ich dann in Schulen oder Altersheime gehen. So möchte ich Menschen etwas geben, die selbst nicht für ein Haustier schauen können.

Ich merke, dass es vielen Jugendlichen schlecht geht. Ich persönlich bin auch nicht immer bestens gelaunt. Deswegen finde ich es umso wichtiger, mit Vertrauenspersonen darüber zu sprechen. Mir persönlich hilft es, wenn ich von vielen tollen Menschen umgeben bin. Dann habe ich keinen Grund, traurig zu sein. Meine Stärke ist, dass ich in Menschen das Gute sehe.

«Es gab noch nie ein Problem, das wir nicht lösen konnten»

Emre (19), Maturand im Zwischenjahr 

Bis vor kurzem war ich temporärer Mitarbeiter bei einer Versicherung. Um ehrlich zu sein: Das habe ich des Geldes wegen gemacht. Es gibt Dinge, die ich lieber getan hätte, doch ich wollte in kurzer Zeit genug verdienen, damit ich in meinem Zwischenjahr noch reisen kann.

In meiner Freizeit gehe ich ins Tennis, spiele Rennspiele auf dem Computer und fahre Motorrad. Menschen haben Geschwindigkeit gern. Das spüre ich beim Motorradfahren. Es gibt mir ein befreiendes Gefühl. Zudem bin ich dabei alleine, das gibt mir die Möglichkeit zu reflektieren.

Im Leben probiere ich immer, Dinge zu tun, die mir Freude bereiten. Denn wir leben nur ein Mal und sollten das Beste daraus machen. Natürlich hat man seine Pflichten. Die erledigt man aber, um später Spass haben zu können: Das Gymnasium war auch nicht immer toll, doch man geht in die Schule, damit man später etwas machen kann, was einem gefällt. Ich persönlich möchte nächstes Jahr Wirtschaftsinformatik studieren.

Später würde ich gerne eine Familie haben und Karriere in einer Bank machen. Das ist vielleicht etwas 08/15. Mir ist aber wichtig, meiner Familie später ein gutes Leben zu garantieren. Ich will allerdings nicht nur zu einer Bank, um gut zu verdienen. Wirtschaft interessiert mich, und ich denke, dass man auch dort einen positiven Einfluss haben kann. Zum Beispiel, wenn man in grüne statt fossile Energien investiert.

Ich weiss von den Statistiken, die besagen, dass es schlecht um die psychische Gesundheit der Jugendlichen steht. Ich frage mich, ob es den Jungen heute wirklich schlechter geht oder ob solche Probleme einfach mehr diagnostiziert werden als früher. Früher hat das die Leute ja noch nicht wirklich interessiert.

Ab und zu nehme ich mir eine Auszeit von den schlechten Nachrichten der Welt. Dann lese ich eine Woche keine Zeitung mehr. Ich mache sozusagen den Strauss und stecke den Kopf in den Sand. Trotzdem denke ich, dass die Probleme unserer Zeit lösbar sind, auch der Klimawandel. Es gab noch nie ein Problem, das wir nicht lösen konnten. Warum sollte das nun anders sein? Es gibt viele kluge Leute auf der Welt. Ich habe Vertrauen in die Menschheit. 

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