Blick-Reporterin testete Harvard-Kurs
«Ich wollte Glücklichsein lernen – und scheiterte»

Drei Monate lang besuchte unsere Reporterin die Module der renommierten amerikanischen Universität Harvard, um zu lernen, wie man sein Glück steigern kann. Einen Abschluss erreicht sie nicht – drei interessante Fakten über Glück nimmt sie aber trotzdem mit.
Publiziert: 06.04.2024 um 11:48 Uhr
Ellen De Meester

Als ehemals fleissige und gute Schülerin trieb mir die Mitteilung «Sie haben sich nicht für das Zertifikat qualifiziert» sofort den kalten Schweiss auf die Stirn. Seit Januar habe ich mehr oder weniger regelmässig die Module des Online-Kurses «Managing happiness» der renommierten amerikanischen Harvard-Universität besucht.

Das Versprechen war fantastisch: drei Monate Zeit, um die Glücksmetriken zu zähmen und ihre magischen Kräfte in meinem Alltag zu entfalten, um das Leben noch schöner zu machen. Das war in etwa das, was ich mir vom Kurs erhoffte. Ausserdem war ich ziemlich stolz darauf, dass ich an einer Ausbildung einer so berühmten Uni teilnahm.

Drei Monate Unterricht für 200 Franken

Für nur 200 Franken (219 Dollar) meldete ich mich an und entdeckte mit Freude die verschiedenen Kapitel des Kurses, in denen es um den Ursprung unserer Gefühle und die Bedeutung unserer Beziehung zu anderen Menschen ging. Zu diesem Zeitpunkt war ich in meinem Enthusiasmus noch weit davon entfernt, zu ahnen, dass ich diesen Studiengang nicht bestehen würde. Ich konnte trotz des gescheiterten Abschlusses einiges aus dem Kurs mitgenommen:

Blick-Reporterin Ellen De Meester testete drei Monate lang den Kurs «Managing happiness» der Harvard University.
Foto: DR
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Ein Drittel des Glücklichseins liegt in unseren eigenen Händen

«Na, bist du schon glücklicher?», fragten mich meine Kollegen regelmässig. Die Frage ist berechtigt, denn das Ziel des Kurses besteht darin, die Funktionsweise der Glücklichkeit besser zu verstehen, um sie dann Schritt für Schritt zu steigern: Gemäss Harvard-Professor Arthur Brooks liegen 30 bis 50 Prozent unserer Glückserfahrung ausserhalb unserer Kontrolle und werden von äusseren, kulturellen oder genetischen Faktoren beeinflusst. Ein weiteres Viertel hängt vom gegenwärtigen Moment und den unmittelbaren Umständen ab.

Die restlichen 10 bis 30 Prozent können aber durch unsere Gedanken und Lebensentscheidungen aktiv beeinflusst werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir die volle Verantwortung für die Verzweiflung und den Schmerz tragen, die traumatische Lebensereignisse hervorrufen können: Das Ziel des Kurses ist es, zu lernen, wie wir unseren Handlungsspielraum nutzen können, um die Zufriedenheit zu maximieren.

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Mit Tricks die Stimmung heben? Funktioniert!

Die kleinen Gehirn-Tricks, mit denen man sich automatisch glücklicher fühlt, haben mich fast mehr begeistert als die langen theoretischen Abhandlungen über die positive Psychologie.

Den Tipp, auch mal ohne Grund zu lächeln, mag ich besonders: Das Gehirn interpretiert dieses Signal als gute Nachricht, was sich direkt auf unsere Stimmung auswirkt. Obwohl man sich dabei ein wenig dümmlich fühlt, erhält unser Gemütszustand unwillkürlich einen Schub Sonnenschein.

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Ein Hoch auf Oxytocin!

Oxytocin wird nach jedem positiven sozialen Kontakt ausgeschüttet, ist für das Glück unerlässlich und wird durch Einsamkeit eingedämmt. Kurz gesagt trägt es dazu bei, unser Wohlbefinden zu steigern und unser Leben durch Liebe, Freundschaft und Verbundenheit mit Sinn zu erfüllen. Wir können unseren Glückshormonspiegel erhöhen, indem wir unsere Liebsten umarmen, eine Katze streicheln, Menschen anlächeln, denen wir tagsüber begegnen, oder zum Beispiel einen fröhlichen Film anschauen, der uns aufheitert. Ein dickes Bankkonto ist also tatsächlich nicht so wichtig, wie eine Handvoll geliebter Menschen und gute persönliche Beziehungen, um glücklich zu sein. Schon allein wegen dieser Erkenntnis bin ich froh, dass ich den Kurs besucht habe.

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Warum habe ich dann meinen Abschluss verpasst?

Trotz all des Enthusiasmus hat meine Disziplin im Laufe des Kurses nachgelassen. Zu den wenigen demotivierenden Elementen, die ich am Kurs nicht mochte, gehört die Kürze der Erklärvideos: In nur ein oder zwei Minuten hat man keine Zeit, den gesamten Kontext aufzunehmen.

Ausserdem ist das Tempo der Module recht langsam und in den allerersten Stunden fehlt es an konkreten Beispielen, die sich auf das wirkliche Leben anwenden lassen. Aus diesem Grund und angesichts der theoretischen Dichte des Kurses ist es entscheidend, dass man sich jede Woche mehrere Stunden am Stück damit beschäftigt, sonst läuft man Gefahr, den Faden zu verlieren und das ursprüngliche Ziel des Kurses zu vergessen.

Glücklichsein erfordert Arbeit

Der wahre Grund für mein Scheitern liegt aber bei mir: Während ich erwartet hatte, Daten aufzunehmen, die sich auf meiner Festplatte einnisten würden, musste ich schliesslich feststellen, dass diese Art der Ausbildung mehr persönliche Anstrengungen erfordert, als ich erwartet hatte. 

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