Corona-App ist ein Ausweg aus dem Lockdown
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Experten haben Hoffnung:Corona-App ist ein Ausweg aus dem Lockdown

Deutsche Version seit Dienstag am Start
Schweizer Corona-App startet frühestens in 10 Tagen

Frühestens in rund 10 Tagen ist die Corona-App bei uns einsatzbereit. Dies sagt Mathias Wellig, CEO der Programmier-Firma Ubique auf Anfrage von BLICK. Noch sind aber viele Fragen zum Einsatz in der Schweiz offen, während Deutschland schon am Dienstag gestartet ist.
Publiziert: 08.04.2020 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2020 um 07:23 Uhr
Lorenz Keller

Wann kommt die Schweizer Corona-App?

«Was die reine Entwicklungszeit angeht, könnten wir Next-Step in etwas mehr als einer Woche bereit haben», sagt Mathias Wellig (33), CEO der Programmier-Firma Ubique auf Anfrage von BLICK. Die Zürcher Firma, die auch bekannte Apps wie SBB Mobile, Alertswiss oder MeteoSchweiz entwickelt hat, arbeitet zusammen mit den ETHs Lausanne und Zürich an der Schweizer Version der Corona-App.

Die App mit dem Projektnahmen Next Step wird aber nicht in Eigenregie veröffentlicht. «Die App darf keine Eintagesfliege sein, sondern soll optimal in den Weg der Schweiz aus dem Lockdown eingebettet sein», sagt Wellig. Sprich: Sie müsste im Rahmen einer Exit-Gesamtstrategie propagiert werden. «Die Behörden würden hierbei das Tempo und die Schritte zur Bewältigung der Krise bestimmen.»

Wie funktioniert so eine App überhaupt?

Es geht nicht um die Überwachung, wie die bisherigen Massnahmen eingehalten werden. Sondern um die Nachverfolgung von Erkrankungs-Wegen zwischen den Menschen.

Die Corona-App Next Step wird von Ubique aus Zürich zusammen mit den ETHs Lausanne und Zürich momentan fertiggestellt. In rund zehn Tagen wäre sie einsatzbereit.
Foto: Zvg
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Mittels Bluetooth erkennt die App Begegnungen und zeichnet diese auf sobald zwei Benutzer mit ihren Smartphones für eine bestimmte Zeit zusammenstehen. Erkrankt nun eine Person am Coronavirus können alle Kontakte in dem Zeitraum alarmiert werden, in dem die Person schon ansteckend war. Dies ist wichtig, weil laut neuen Studien rund 46 Prozent der Ansteckungen erfolgen, bevor jemand Symptome bemerkt.

Ist die App der Ausweg aus der Corona-Krise?

Nein, sie kann aber Teil einer Lösung sein. Eine breit in der Bevölkerung genutzte Corona-App kann die Anzahl Ansteckungen verringern, weil die Behörden die Fälle besser verfolgen und Leute schneller warnen können. Dies hilft dabei, die Epidemie unter Kontrolle zu halten, wenn der Lockdown zurückgefahren wird. Es braucht aber ein Zusammenspiel mit anderen Massnahmen wie Hygieneregeln, Social Distancing, Maskentragpflicht in ÖV und Läden und so weiter.

Der Vorteil der App ist auch, dass man sie laufend der aktuellen Situation anpassen kann. Also etwa die Nutzer schon bei Symptomen einer Ansteckung warnen, wenn das Coronavirus in einer Region wieder droht, ausser Kontrolle zu geraten.

Kann die App nun alle meine Schritte verfolgen?

«Bei unserer App steckt kein Zwang, kein Staat dahinter, der die Bürger auf Schritt und Tritt verfolgt. Und es werden keinerlei Ortsangaben erfasst, gespeichert oder ausgewertet», sagt Mathias Wellig. Die App setzt auf die Solidarität und das freiwillige Mitmachen der Bevölkerung.

Man wird auch nicht mit GPS über eine längere Zeit «getrackt», es werden lediglich Kontakte «getraced». Also Begegnungen anonym aufgezeichnet, damit man sie nachverfolgen hat. «Bei einer Begegnung werden zufällig generierte Identifikationen ausgetauscht, von denen man nicht zurückverfolgen kann, woher sie stammen», erklärt der Ubique-CEO.

Die Daten der aufgezeichneten anonymen Begegnungen verlassen das Smartphone nie und man kann nicht herausfinden, wer wen angesteckt hat. Dafür sorgen momentan die führenden Kryptologen der beiden ETHs.

Warum haben Deutschland und Österreich schon Corona-Apps?

Österreich war in Europa zuerst. Hier hat das Rote Kreuz in Eigenregie eine App veröffentlicht. Bis Donnerstag aber muss man die Kontakte noch einzeln manuell bestätigen, erst dann funktioniert es automatisch. In die Exit-Pläne der österreichischen Regierung ist die App aber noch nicht integriert. Es ist nicht mal klar, ob Kanzler Kurz noch eine eigene App veröffentlicht.

Auch in Deutschland wurde am Dienstag Corona-Datenspende-App ohne direkte Einbindung in die Strategie der Regierung vorgestellt. Hier ist das Robert-Koch-Institut die treibende Kraft. Allerdings misst die deutsche App vorerst nur mit Fitnessarmbändern und smarten Uhren die Vitalfunktionen und kann so bestimmen, wenn jemand Fieber bekommt. Momentan bei Erwachsenen ein gutes Zeichen für Corona, da die normale Grippesaison durch ist. So soll es eine «Fieberkarte» in Deutschland geben.

Auf europäischer Ebene koordiniert die Pepp-PT-Organisationen die Bemühungen und setzt einheitliche Standards fest.

Welche Fragen sind bei der Schweizer App noch offen?

Offen ist, auf welche Parameter die App reagieren soll. «Zum Beispiel ab welcher Distanz und ab welcher Verweildauer ein Kontakt als solcher registriert wird», sagt Mathias Wellig. Offen ist auch, ob die Next-Step-App als eigenständiges Programm lanciert oder in eine bereits weit verbreitete App integriert wird.

«Die App muss möglichst einfach und für alle benutzbar sein», sagt Wellig. Wichtig ist auch, dass sie möglichst breit eingesetzt wird. Experten gehen davon aus, dass eine Verbreitung bei 60 Prozent der Smartphone-User ideal wäre. Das ist nicht unrealistisch, gemäss einer neuen SRG-Umfrage stehen rund zwei Drittel der Schweizer einer solchen App positiv gegenüber.

Auf technischer Seite arbeitet Ubique noch daran, möglichst alle Hersteller von Android-Handys zu unterstützen. Dies ist wichtig, weil ganz unterschiedliche Bluetooth-Chips verbaut sind.

Warum wurde nicht einfach eine Tracking-App aus Asien kopiert?

In Südkorea oder Taiwan werden mit gutem Erfolg Corona-Apps eingesetzt. «Die asiatischen Apps würden in unserem Kulturkreis nicht funktionieren», sagt Wellig. Einige der Apps überwachen die Postion der Nutzer permanent. «So etwa hat bei uns keinen Rückhalt – und das ist auch gut so.»

Die Apps bei uns legen den Fokus auf die Wahrung der Privatsphäre und der Einhaltung des Datenschutzes. Und es soll keinen Zwang zur Nutzung geben.

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