Fokussiert bleiben
Was bringen Konzentrations-Apps fürs Smartphone?

Ausgerechnet Smartphone-Apps sollen uns dabei helfen, weniger am Handy-Bildschirm zu kleben. Was solche Apps versprechen, und was sie leisten, erklärt der Experte Martin Korte.
Publiziert: 27.01.2024 um 12:12 Uhr
|
Aktualisiert: 29.01.2024 um 10:24 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_912.JPG
Valentin RubinRedaktor Service

Im Zug, auf der Toilette, am Arbeitsplatz, auf dem Sofa oder im Bett: Wir haben unser Smartphone in fast jeder Situation griffbereit. Entsprechend oft benutzen wir das Gerät. In der Schweiz verbringen 15 Prozent der Bevölkerung täglich fünf Stunden am Handy, bei den unter 30-Jährigen ist es jede dritte Person. 

Wie kommen wir von dieser Smartphone-Abhängigkeit wieder weg? Ein Weg führt – ausgerechnet – über das Smartphone selbst! Es gibt zahlreiche Apps, die die Konzentration fördern und die Zeit am Smartphone verringern sollen. Experten sehen in ihnen durchaus Positives. So auch Martin Korte, Evolutionsbiologe an der Technischen Universität Braunschweig und Experte für Smartphone-Sucht. Er gibt Auskunft zu drei Apps und deren Stärken.

Er zeigt uns, wie wir frisch im Kopf bleiben

Martin Korte (59) studierte in Münster, Tübingen (D) und Washington, D.C. (USA) Biologie. Seit 2007 ist er Professor für zelluläre Neurobiologie und Direktor des zoologischen Instituts an der Technischen Universität Braunschweig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Lernen und Gedächtnis, zu denen er mehrere Bücher verfasst hat. Sein letztes Buch «Frisch im Kopf. Wie wir uns aus der digitalen Reizüberflutung befreien» erschien im Mai 2023 bei der Deutschen Verlagsanstalt in München.

Photographer: Johannes Felsch

Martin Korte (59) studierte in Münster, Tübingen (D) und Washington, D.C. (USA) Biologie. Seit 2007 ist er Professor für zelluläre Neurobiologie und Direktor des zoologischen Instituts an der Technischen Universität Braunschweig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Lernen und Gedächtnis, zu denen er mehrere Bücher verfasst hat. Sein letztes Buch «Frisch im Kopf. Wie wir uns aus der digitalen Reizüberflutung befreien» erschien im Mai 2023 bei der Deutschen Verlagsanstalt in München.

Mehr
1

Forest

Die Forest-App war 2015 eine der Ersten, die Menschen weg vom Smartphone bringen wollte. Die Idee: Man pflanzt virtuelle Bäume. Und zwar dadurch, indem man das Handy nicht benutzt. Dazu legt man vorrangig in der App einen Zeitraum fest (zum Beispiel eine Stunde), in dem man das Handy nicht verwenden möchte. In dieser Zeit wachsen virtuelle Bäume, die zur vollen Blüte gelangen, wenn man die definierte Zeit einhält. Greift man vorher zum Smartphone, sterben die Bäume ab und bleiben als kümmerlich abgestorbene Baumstämme in der App ersichtlich – als Erinnerung an das eigene Scheitern. 

Foto: Getty Images

Das meint der Experte: «Ein spielerischer Ansatz wie bei der Forest-App ist vielversprechend. Die Belohnung, die man erhält, wenn man das Smartphone länger nicht benutzt, treibt uns an und führt zur Ausschüttung von Dopamin. Das hat grosses Motivationspotenzial.»

Kosten: Im App-Store (Apple) 4 Fr., im Play-Store (Android) kostenlos.

Handy weglegen, und schon wächst ein virtueller Baum (und mit der Zeit ein ganzer Wald) heran. Das ist die Idee der App Forest.
2

One sec

Tief durchatmen, bevor man die Facebook- oder Tiktok-App öffnet. Innehalten und überlegen, ob man die Inhalte der sozialen Medien gerade wirklich braucht. Das ist die Grundidee der App «One sec» («eine Sekunde»). Sie erlaubt es, Apps zu definieren, deren Nutzung eingeschränkt werden soll. Jedes Mal, wenn User die entsprechende App öffnen, vibriert das Smartphone und zwingt zum Innehalten und Durchatmen. Auf dem Bildschirm werden dann die Zugriffsversuche auf die App innerhalb der letzten 24 Stunden aufgezeigt. Je nach Einstellung kann man dann nach zwei, drei, sechs oder zwölf Sekunden entscheiden, ob man die App öffnen oder wieder schliessen will. Das Ziel: Ein Bewusstsein für die eigene (übermässige) Smartphone-Nutzung entwickeln und dadurch die Bildschirmzeit reduzieren.

Das meint der Experte: «Es ist sinnvoll, häufig genutzte Apps nicht automatisch zu öffnen, sondern jeweils kurz innezuhalten und die Apps bewusster zu verwenden. Einen Moment lang durchatmen, bevor man sich entscheidet, die App zu öffnen, ist ein bewährtes Mittel. Wenn man zudem bei jedem Öffnen der App sieht, wie oft man sie im letzten Tag verwendet hat, ist das ein guter Spiegel fürs eigene Verhalten und ein Anfangspunkt, um die Nutzung anzupassen.»

Kosten: Eingeschränkte Version im App-Store und im Play-Store kostenlos, die Vollversion kostet 20 Franken im Jahr.

17 Mal innerhalb von 24 Stunden versuchte der Blick-Redaktor, die Instagram-App zu öffnen. Seit der die Konzentrationsapp One Sec verwendet, hat sich die Zahl der Zugriffsversuche allerdings reduziert.
Foto: Zvg
Apps helfen, aber sie lösen das Problem nicht

Welche App für die Anpassung der eigenen Smartphone-Nutzung am besten geeignet ist, hänge von individuellen Vorlieben ab, sagt Martin Korte. Und er betont: «Sie sind kein Allheilmittel.» Als Anfangspunkt können sie aber sehr hilfreich sein. Insbesondere, wenn einem dadurch die Smartphone-Nutzung bewusster wird. Langfristig ist es laut Korte jedoch wichtig, die Gewohnheiten anzupassen, ohne auf Apps angewiesen zu sein. Wie das am besten geht, erklärt er in diesem Interview.

Welche App für die Anpassung der eigenen Smartphone-Nutzung am besten geeignet ist, hänge von individuellen Vorlieben ab, sagt Martin Korte. Und er betont: «Sie sind kein Allheilmittel.» Als Anfangspunkt können sie aber sehr hilfreich sein. Insbesondere, wenn einem dadurch die Smartphone-Nutzung bewusster wird. Langfristig ist es laut Korte jedoch wichtig, die Gewohnheiten anzupassen, ohne auf Apps angewiesen zu sein. Wie das am besten geht, erklärt er in diesem Interview.

3

Focus To-Do

Die App Focus To-Do bedient sich der seit Jahren beliebten Pomodoro-Technik. Dazu wird ein Timer von – typischerweise – 25 Minuten gestellt, in dem man fokussiert und ohne Ablenkung seine Aufgaben erledigt, um dann fünf Minuten Pause zu machen. In dieser Pause kann man sich ablenken, wie man möchte. Und dann wieder 25 Minuten lang konzentrieren. Der Vorteil von Focus To-Do: Mit der Timer-Funktion lässt sich eine To-Do-Liste erstellen, die man innerhalb der 25-Minuten Intervalle abarbeiten kann. Ausserdem wächst – ähnlich wie bei Forest – pro erledigte Aufgabe innerhalb der definierten Zeit eine virtuelle Pflanze heran. Kommt man seinen Aufgaben nicht nach, stirbt sie ab.

Das sagt der Experte: «Die Pomodoro-Technik ist ein bewährtes, wissenschaftlich begründetes Mittel, um produktiv zu arbeiten. In Intervallen zu arbeiten, hilft unserem Gehirn, in regelmässigen Abständen hohe Leistungen zu erbringen und sich dazwischen ausreichend zu erholen.»

Kosten: Eingeschränkte Version im App-Store und im Playstore kostenlos, Vollversion für einmalig 12 Franken erhältlich.

To-do-Liste plus Konzentrationsförderer: In der App Focus To-Do lassen sich Aufgaben in vordefinierten Zeitperioden eintragen. Eine geeignete App, um im Alltag und Beruf den Fokus zu behalten.
Foto: Zvg
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?