Frauen als Handwerkerinnen
«Es ist schön, wenn Männer und Frauen zusammen etwas bauen»

Der Malerberuf war traditionell in Männerhand. Seit den 90er-Jahren lernen mehr Frauen das Handwerk, doch die Hälfte steigt bis Mitte 30 aus. Eine BLICK-Leserin erzählt von Frauenwitzen auf Baustellen und wieso auch sie fast den Pinsel an den Nagel hängte.
Publiziert: 08.03.2020 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2020 um 12:07 Uhr
Karin A. Wenger

«Um sich Respekt zu verschaffen, müssen Handwerkerinnen immer erst beweisen, dass sie die gleiche Arbeit leisten wie Männer», sagt Petra Scherwat-Rüegg (51). Die Malermeisterin pinselt weisse Farbe in einem Treppenhaus in Wängi TG. Seit über 36 Jahren arbeitet sie auf Baustellen. Als BLICK Handwerkerinnen suchte, fühlte sie sich sofort angesprochen und schrieb: «Ich würde mir wünschen, dass Frauen länger in Handwerksberufen arbeiten und mehr Mut aufbringen, auch Führungspositionen zu übernehmen.»

Weniger Sexismus

Scherwat-Rüegg ist auf Baustellen oft die einzige Frau. Sie mag es, zusammen mit Männern zu arbeiten, und betont, dass sie sich noch nie diskriminiert gefühlt habe. Aber es gebe sicher auch Kollegen, die sich bei Handwerkerinnen fragten: «Schafft die das?»

Der Malerberuf war traditionell in Männerhand, dann stieg in den 90er-Jahren der Frauenanteil unter den Lernenden markant an. Rund 40 Prozent der Malerlehrlinge waren in den letzten zehn Jahren Frauen. Doch fast jede zweite Malerin verlässt bis Mitte 30 ihren Beruf.

Petra Scherwat-Rüegg (51) arbeitet seit über 36 Jahren auf Baustellen.
Foto: Philippe Rossier
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Der Umgangston ändere sich sofort, wenn Frauen auf der Baustelle seien, sagt Petra Scherwat-Rüegg.
Foto: Philippe Rossier

Auf Baustellen sei es früher derber zu- und hergegangen, erzählt die Malermeisterin. «Bauarbeiter rissen Witze über Frauen und merkten plötzlich: Oh! Wir haben ja eine unter uns.» Meistens lachte Scherwat-Rüegg mit, es sei ihr ja nichts anderes übrig geblieben. Sie merkt, dass sich der Umgangston verändert, sobald mehr Frauen auf einer Baustelle sind. Und sexistische Witze gebe es heute generell weniger.

Als 15-Jährige auf der Baustelle

Scherwat-Rüegg wuchs in Deutschland auf. Für sie war immer klar, dass sie ein Handwerk lernen wollte. In einem Büro hätte sie sich eingesperrt gefühlt. Ihr Vater, ein gelernter Huf- und Wagenschmid, sagte seinen drei Töchtern: «Als Frauen müsst ihr einen Beruf lernen, damit ihr auf eigenen Beinen stehen könnt.» Als 15-Jährige packte sie in Wiesbaden (D) zum ersten Mal auf einer Baustelle mit an. Sie arbeitete während den Sommerferien für das Malergeschäft ihres Onkels. Dort absolvierte sie auch ihre Lehre, sie war eine von wenigen Frauen in ihrer Klasse. Als Jahrgangsbeste schloss sie ab.

1985 wurde das Geschäft von Scherwat-Rüeggs Onkel in einer CDU-Publikation vorgestellt. Wie damals über sie als Lernende berichtet wurde, wäre heute unvorstellbar.
Foto: zVg

Mit 21 begann sie die Ausbildung zur Meisterin. Sie war die Jüngste und die einzige Frau. Später übernahm sie das Geschäft ihres Onkels. Die Arbeit war hart: Sie malte und gipste auf den Baustellen, besuchte abends Kunden, sass an den Wochenenden am Bürotisch, schrieb Offerten und Lohnabrechnungen.

Nach acht Jahren fragte sie sich, ob sie aufhören sollte. «Ich war ausgebrannt, ich funktionierte nicht mehr», sagt Scherwat-Rüegg. Sie reiste einige Monate zu einer Freundin nach Costa Rica. Dort lernte sie ihren Mann kennen, einen Betriebswirt aus Frauenfeld TG. So fand sie schliesslich in die Schweiz.

Sie wollte auch schon den Bettel hinwerfen, doch nach wie vor liebt Scherwat-Rüegg ihre Arbeit.
Foto: Philippe Rossier

Sie arbeitet weiterhin Vollzeit als selbständige Malerin. Doch sie achtet mehr darauf, einen Ausgleich zu haben. Mit ihrem Mann fährt sie gerne mit dem Wohnmobil in die Ferien. Sie versteht, dass viele Malerinnen aus dem Beruf aussteigen, sobald sie eine Familie gründen. «Teilzeit zu arbeiten, ist schwierig auf dem Bau, man steht immer unter Zeitdruck», sagt sie. Viele Kunden hätten kein Verständnis dafür, wenn man nur vier Tage pro Woche arbeite.

Petra Scherwat-Rüegg ist stolz auf ihren Beruf. Sie möchte noch lange fit bleiben, um bis zur Pensionierung weiterzuarbeiten. Und sie hofft, in Zukunft mehr Handwerkerinnen anzutreffen. «Ich finde die Vielfalt schön, wenn Männer und Frauen zusammen etwas bauen», sagt sie.

«Es sind immer die gleichen Ausreden»

Fast jede zweite Malerin verlässt ihren Beruf bis Mitte 30. Ein Grund sind fehlende Teilzeitstellen. Ihr Anteil beträgt nur fünf Prozent im Maler- und Gipsergewerbe. Die Malermeisterin Larissa Frey (27) aus Luzern untersuchte in ihrer Diplomarbeit das Thema Teilzeitarbeit.

Frau Frey, wieso gibt es nur wenige Stellen mit reduzierten Pensen in Ihrer Branche?
Larissa Frey: Das Verständnis für Teilzeitarbeit fehlt vor allem bei älteren Geschäftsinhabern. Sie halten sich an alten Modellen fest und sagen, im Bau funktioniere es nur mit hundert Prozent. Es sind immer die gleichen Ausreden: Teilzeit koste mehr und bereite grossen Aufwand.

Das stimmt nicht?
Nur teilweise. Die Arbeitsplanung kann etwas aufwendiger sein, funktioniert aber zum Beispiel bei uns im Geschäft «Maler Stutz» für unsere Teilzeitmitarbeiterin sehr gut. Ich konnte in meiner Diplomarbeit zeigen, dass die Mehrkosten minim sind. Gerade bei grösseren Unternehmen ist das kein Problem.

Was müsste sich ändern?
Die Grundeinstellung von Geschäftsführern. Manche sind extrem negativ eingestellt, ihnen fehlt die Offenheit. Und es gäbe flexible Teilzeitmodelle, zum Beispiel Saisonstellen. Junge Leute könnten im Winter verreisen und im Sommer dafür voll arbeiten. Um das umsetzbar zu machen, müsste aber der Gesamtarbeitsvertrag angepasst werden.

Wie lange dauert es, bis sich Teilzeitstellen in der Malerbranche durchsetzen?
Ich sage manchmal, dass ich das vielleicht nicht mehr erleben werde (lacht). Es wird auf jeden Fall noch 20 Jahre dauern. Aber unsere Branche muss mehr Teilzeitstellen anbieten, sonst haben wir ein Problem. Viele Frauen absolvieren die Malerlehre und steigen aus, sobald die Familie ein Thema wird. Ohne Teilzeitstellen verlieren wir also viele Fachkräfte. Und auch Männer werden sich vermehrt wünschen, in einem reduzierten Pensum zu arbeiten.

Bild: SMGV / Raphael Briner

Bild: SMGV / Raphael Briner

Fast jede zweite Malerin verlässt ihren Beruf bis Mitte 30. Ein Grund sind fehlende Teilzeitstellen. Ihr Anteil beträgt nur fünf Prozent im Maler- und Gipsergewerbe. Die Malermeisterin Larissa Frey (27) aus Luzern untersuchte in ihrer Diplomarbeit das Thema Teilzeitarbeit.

Frau Frey, wieso gibt es nur wenige Stellen mit reduzierten Pensen in Ihrer Branche?
Larissa Frey: Das Verständnis für Teilzeitarbeit fehlt vor allem bei älteren Geschäftsinhabern. Sie halten sich an alten Modellen fest und sagen, im Bau funktioniere es nur mit hundert Prozent. Es sind immer die gleichen Ausreden: Teilzeit koste mehr und bereite grossen Aufwand.

Das stimmt nicht?
Nur teilweise. Die Arbeitsplanung kann etwas aufwendiger sein, funktioniert aber zum Beispiel bei uns im Geschäft «Maler Stutz» für unsere Teilzeitmitarbeiterin sehr gut. Ich konnte in meiner Diplomarbeit zeigen, dass die Mehrkosten minim sind. Gerade bei grösseren Unternehmen ist das kein Problem.

Was müsste sich ändern?
Die Grundeinstellung von Geschäftsführern. Manche sind extrem negativ eingestellt, ihnen fehlt die Offenheit. Und es gäbe flexible Teilzeitmodelle, zum Beispiel Saisonstellen. Junge Leute könnten im Winter verreisen und im Sommer dafür voll arbeiten. Um das umsetzbar zu machen, müsste aber der Gesamtarbeitsvertrag angepasst werden.

Wie lange dauert es, bis sich Teilzeitstellen in der Malerbranche durchsetzen?
Ich sage manchmal, dass ich das vielleicht nicht mehr erleben werde (lacht). Es wird auf jeden Fall noch 20 Jahre dauern. Aber unsere Branche muss mehr Teilzeitstellen anbieten, sonst haben wir ein Problem. Viele Frauen absolvieren die Malerlehre und steigen aus, sobald die Familie ein Thema wird. Ohne Teilzeitstellen verlieren wir also viele Fachkräfte. Und auch Männer werden sich vermehrt wünschen, in einem reduzierten Pensum zu arbeiten.

Bild: SMGV / Raphael Briner

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