Warum zahlen Appenzeller tiefe Krankenkassenprämien?
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Experte Schneuwly auf Blick TV:Darum zahlen Appenzeller die tiefsten Krankenkassenprämien

Experte Felix Schneuwly beantwortet Zuschauerfragen
Warum zahlen Appenzeller tiefe Krankenkassenprämien?

Der Krankenkassen-Experte Felix Schneuwly beantwortet Fragen der BLICK-Community. Zum Beispiel, wieso Krankenkassen unterschiedlich viel kosten, welche Franchise sich bei Kindern lohnt und ob Frühpensionierte eine Unfallversicherung brauchen.
Publiziert: 08.10.2020 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2020 um 09:11 Uhr
Karin A. Wenger

Sie betreffen jeden von uns, die Krankenkassenprämien. Es geht um viel Geld. Jahr für Jahr steigen sie. Ein Ärgernis. Mit ein bisschen Cleverness kann man den Kassen aber ein Schnippchen schlagen und den jährlichen Anstieg im Rahmen halten.

Auf Blick TV hat Krankenkassen-Experte Felix Schneuwly vom Vergleichsdienst comparis.ch Fragen der BLICK-Community beantwortet.

Frage von Leila Schneider:
Wie kann ich eine gute Krankenkasse finden?

Es läuft ähnlich wie auf einem Datingportal. Auf comparis.ch kann man suchen, vergleichen und sich dann entscheiden. Die Höhe der Prämie ist wichtig, aber auch die Kundenzufriedenheit. Wenn man gesund ist, hat man meist nichts zu tun mit der Kasse, man zahlt nur die Prämien. Wer aber medizinische Probleme hat, der macht Erfahrungen mit der Krankenkasse. Da geht es etwa darum, wie schnell Rückzahlungen erfolgen. Oder wie lange man am Telefon in der Warteschlaufe Geduld haben muss. In unserem Rating schwingen zurzeit fünf Krankenkassen oben hinaus.

Frage von Pietro Casotti:
Was habe ich als Halbprivat-Versicherter für Vorteile?

Bei Zusatzversicherungen geht es primär um den Komfort und um mehr Freiheiten. Alles medizinisch Relevante ist in der Grundversicherung gedeckt. Im Spital besteht die Mehrleistung im Hotelkomfort und in der freien Arztwahl. Mit einer Spitalzusatzversicherung hat man das Recht, vor, während und nach der Operation stets vom selben Arzt betreut zu werden. Das ist mit der Grundversicherung weniger gewährleistet. Man hat dann vielleicht einmal einen Assistenzarzt und nicht den Chefarzt. Aber die Jungen müssen auch Erfahrungen sammeln.
Es gibt allerdings immer mehr Spitäler, die auch Patienten Einzelzimmer zur Verfügung stellen, die die Grundversicherung haben.

Frage von Ruth Feldmann:
Was sind die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle?
Es gibt verschiedene Modelle, die die Auswahl des Arztes, der Apotheke oder des Spitals beschränken. Dafür gibt es Prämienrabatt, das ist der Deal. Beim Hausarzt- und HMO-Modell (Gruppenpraxis) konsultiert man im Krankheitsfall zuerst den Hausarzt. Weil man nicht direkt zum Spezialarzt oder ins Spital geht, spart man Kosten und bekommt einen Prämienrabatt zwischen 10 und 25 Prozent. Frauen dürfen auch mit einem Hausarztmodell direkt zur Gynäkologin.

Frage von Albert Auer:
Die Grundversicherung muss für alle für die gleiche Leistung bezahlen. Woher kommen die grossen Unterschiede bei verschiedenen Versicherungen?

Es gibt mehrere Ursachen. Erstens die regionalen Unterschiede: Westschweizer zahlen höhere Prämien als Deutschschweizer. In den Städten leben eher ältere und alleinstehende Leute. Auf dem Land sind die sozialen Strukturen eher intakt. Das hat Einfluss auf die Gesundheit. Aber auf dem Land ist auch das Angebot geringer. Man muss weiter gehen zu einem Spezialisten. Das hält Leute vielleicht davon ab, allzu schnell in die Behandlung zu gehen.

Auch innerhalb einer Region gibt es Unterschiede von Kasse zu Kasse. Einerseits sind die Krankenkassen unterschiedlich fit, was die Verwaltung betrifft. Es gibt effizientere und weniger effiziente. Ganz ein wichtiger Punkt ist zudem: Früher wollten die Krankenkassen nur gesunde Kunden. Dann hat man den Risikoausgleich eingeführt. Kassen mit vielen gesunden Kunden müssen in den Topf einzahlen, Kassen mit alten und kranken Kunden erhalten Geld. Hat eine Versicherung nun Kunden, die trotz schlechter Gesundheit wenig medizinische Leistungen beziehen, bekommt diese Kasse Geld vom Risikoausgleich und kann tiefere Prämien anbieten.

Frage von Theres Schweizer:
Wieso kostet im Appenzell meine Krankenkasse pro Monat hundert Franken weniger als in Bern?
Der Unterschied ist leicht zu rechtfertigen: Die Appenzeller gehen weniger oft zum Arzt als die Berner. Die Appenzeller haben übrigens eine Kultur der Alternativmedizin. Sie verursachen also weniger Kosten und zahlen deshalb auch weniger Prämien. Wenn die Appenzeller nach St. Gallen ins Spital gehen, werden ihre Kosten statistisch im Appenzell erfasst. Die Stadtbevölkerung subventioniert also nicht die Landbevölkerung. Schweizweit einheitliche Prämien würden die sparsame Landbevölkerung bestrafen.

Frage von Janine Schubert:
Was gibt es für Nachteile, wenn man in der Grundversicherung jährlich zur günstigsten Krankenkasse wechselt, abgesehen vom höheren administrativen Aufwand?
Schlau ist, wer jedes Jahr vergleicht. Man muss aber nicht jedes Jahr wechseln und auch nicht bei der günstigsten sein. Vielleicht ist eine Kasse auf einem höheren Rang punkto Kundenzufriedenheit, das ist ein starkes Argument. Die Schweizer schauen weniger auf den Preis als zum Beispiel die Deutschen.

Das Bundesamt für Gesundheit, hier Bundesrat Alain Berset (r.) und Pascal Strupler, Direktor des Bundesamts für Gesundheit, informierten am 22. September über den Prämienanstieg für das Jahr 2021.
Foto: keystone
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Bei einem Wechsel ist die Versicherung auf jeden Fall ohne Unterbruch gedeckt, sofern die Kündigung fristgerecht war und alle offenen Rechnungen bezahlt sind. Ich kann meine Kasse auch wechseln, wenn ich Ende Jahr krank im Krankenhaus liege.

Frage von Rachel Egli:
Ab wann ist es ratsam bei Kindern die Franchise zu erhöhen?

Bei Kindern lohnt sich eine Wahlfranchise nicht, weil die Prämien so tief sind. Bei Erwachsenen lohnt sich die Mindestfranchise von 300 Franken, wenn seine Kosten für medizinische Leistungen im Jahr über 2000 Franken sind. Liegen die Kosten tiefer, empfehle ich die Höchstfranchise von 2500 Franken. Alles dazwischen lohnt sich nicht.

Von Ueli Spring:
Mein ausländischer Mitarbeiter möchte für 3 Monate nach Hause gehen. Kann er die Krankenkasse sistieren?
Man braucht die Grundversicherung nur, wenn man in der Schweiz wohnt. Er kann sie kündigen und nach der Rückkehr bei derselben oder bei einer anderen Kasse die Grundversicherung abschliessen. Wer während mehr als 60 aufeinanderfolgenden Tagen Militär-, Zivildienst oder Zivilschutzdienst leistet, kann die obligatorische Krankenpflegeversicherung sistieren, weil während dieser Zeit die Militärversicherung gilt.

Von Urs Stegmann:
Ich lebe seit einigen Jahren im Ausland, bin aber immer noch in der Schweiz versichert, ohne Auslandzusatz. Geht das?

Das kommt sehr auf das Land drauf an. Wer in einen EU- und EFTA-Staat auswandert, darf die Grundversicherung behalten. Dort werden die Sozialversicherungen gegenseitig anerkannt. Es gibt aber Länder, zum Beispiel Frankreich, die verlangen, dass man im Land selbst versichert ist. Das ist in der Regel günstiger. Die Schweiz ist ein teures Land. Aber in den USA – mit dem weltweit teuersten medizinischen Versorgungssystem – sollte man unbedingt eine Versicherung abschliessen. Wer dort in ein Spital geht und keine Kreditkarte oder gültigen Versicherungsausweis vorweisen kann, kriegt schlicht keine Behandlung.

Frage von Walter Schnegg:
Brauche ich für Ferien in Thailand eine Zusatzversicherung?

Thailand verlangt das nicht. Die Krankenkassen bieten für die Zeit des Auslandaufenthalts eine günstige Ferienversicherung an. Das lohnt sich.

Frage von Hugo Christinger:
Welche Krankenkassen versichern mich, 71-jährig, auch in Ländern des Nahen Ostens für Unfall und Krankheit?

Wer mit 71 keine Zusatzversicherung hat, bekommt wohl von einer Schweizer Krankenversicherung keine mehr. Weder fürs Inland noch fürs Ausland. Ab 50 Jahre wird das schwierig.

Frage von René Domig:
Was passiert eigentlich, wenn ich keine Krankenkassen-Prämien mehr bezahle?

Wer seine Prämien nicht bezahlen kann, sollte eigentlice vom Wohnkanton Prämienverbilligungen erhalten. Wer nicht bezahlt, wird von der Krankenkasse gemahnt und wenn das nichts nützt, betrieben. Dann wird für die Prämien zum Beispiel einen Teil des Lohns gepfändet. Die Krankenversicherung kommt also früher oder später zu den Prämien. Dazu kommen Mahn- und Betreibungsgebühren, Verzugszinsen. Es lohnt sich nicht, die Prämien nicht zu bezahlen. In einigen Kantonen, zum Beispiel Thurgau, gibt es sogar schwarze Listen mit Personen, die ihre Prämien nicht bezahlt haben.

Frage von Kurt Gurtner:
Manchmal werden bei Unfällen Helikopter gerufen. Welche Krankenkassen bezahlen diesen Transport?

Nebst der Zahnmedizin sind Rettung und Transporte ein Bereich, der weniger gut versichert ist in der Grundversicherung. Es gibt die simple Regel bei Kranken- und Rettungstransporten: Bei Krankentransporten zahle ich die Hälfte selbst bis zum Maximalbetrag von 500 Franken jährlich. Bei den Rettungstransporten ist es dasselbe. Ich zahle die Hälfte selbst bis maximal 5000 Franken pro Jahr. Wer alles gedeckt haben will, braucht eine Zusatzversicherung.

Frage von Horst Carpio:
Ich bin seit Kurzem frühpensioniert. Ist es ratsam, Unfälle bei der Krankenkasse mit einzuschliessen?

Ja, unbedingt. Die Unfallversicherung ist obligatorisch. Wer weniger als 8 Stunden pro Woche arbeitet, muss nicht vom Arbeitgeber versichert werden und braucht also den Unfallzusatz der Krankenversicherung.

Frage von Hans Fischer:
Was meinen sie zum neuen Produkt «Qualimed» der Assura?

«Qualimed» ist ein alternatives Versicherungsmodell (AVM). Bei einem AVM schränkt die Krankenkasse die Auswahl von Arzt, Apotheke und Spital ein. Dafür gibt sie den Kunden einen Prämienrabatt. Wer «Qualimed» der Assura wählt, darf vom Hausarzt bei bestimmten Problemen nicht direkt an einen Spezialisten weitergewiesen werden. Der Hausarzt muss seinen Arztbericht an die Firma Better Doc senden. Diese wählt dann datengestützt den geeigneten Spezialisten aus.

Die Ärzte kritisieren das, weil Better Doc aus Deutschland kommt. Better Doc wird in der Schweiz eine Zweigstelle eröffnen, sonst hätte das Bundesamt für Gesundheit das Modell «Qualimed» nicht genehmigen dürfen. Wie gut die Empfehlungen von Better Doc sind, hängt nicht davon ab, woher die Firma kommt, sondern wie gute Daten sie zur Verfügung hat.

Better Doc schlägt aufgrund der Unterlagen und vierzig Qualitätskriterien wie Ausbildung, Publikationen, Fallzahlen und Rückmeldungen von Patienten drei Fachärzte vor, aus denen der Patient einen auswählen darf. Ich bin überzeugt, dass sich unabhängige, datengestützte Überweisungen durchsetzen. Die Überweisungen der Patienten von den Hausärzten an frühere Studienkollegen sind nicht mehr zeitgemäss.

Und wann hat Experte Felix Schneuwly selbst zum letzten Mal die Krankenkasse gewechselt? Er verrät es am Ende des Videos.

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