Auswanderer fand in Kenia seine neue Heimat
Er musste fünf Kühe für seine Frau bezahlen

Eigentlich sollten es nur neun Monate sein. Markus Bossard war für eine Non-Profit-Organisation in Kenia unterwegs. Doch dann hat er sich verliebt. Die Entscheidung in Ost-Afrika zu bleiben, fiel ihm nicht schwer.
Publiziert: 17.11.2019 um 12:38 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2019 um 16:36 Uhr
Community-Team

Für die Arbeit bei einer Non-Profit-Organisation machte sich der Schweizer Markus Bossard (51) 2017 auf nach Kenia. Er war sich sicher, dass er in spätestens neun Monaten wieder zu Hause sein würde. Doch dann kam alles anders. «Ich habe mich verliebt». Die Entscheidung zu bleiben, fiel ihm nicht schwer. Seit bald drei Jahren lebt der Aargauer jetzt mit seiner Frau Evaline (44) und zwei Kindern, Cosby (21) und Eugene (12), in Kisumu, der drittgrössten Stadt Kenias.

Damit der Aargauer seine grosse Liebe heiraten konnte, musste er allerdings einige Hürden überwinden. «Kenia ist anders», verrät er schmunzelnd. Er musste für seine Frau bezahlen. Fünf Kühe an ihren Vater und einige Geldgeschenke an den Rest der Familie war Evaline wert. «Es war eine rein symbolische Geste, sie wirkt für uns Europäer einfach sehr befremdlich.» Die Tradition wurde gewahrt und nach der «Verhandlung» gab es ein grosses Fest mit viel Musik, Tanz und noch mehr Essen.

Markus Bossard-Osumba und seine Frau Evaline. Die beiden haben sich, ganz Schweizerisch, für einen Doppelnamen entschieden.
Foto: zVg

«Die Kinder hätten in der Schweiz keine Chance gehabt»

Seine Auserwählte, Evaline, brachte zwei Söhne mit in die Ehe. Auch sie sind mit ein Grund, warum Markus in Kenia geblieben ist. Die Schule und auch ein Studium sind dem Paar sehr wichtig. «Die Kinder hätten, ohne vernünftige Ausbildung und ohne die nötigen Sprachkenntnisse, in der Schweiz keine Chance gehabt.» Der ältere Sohn war bereits volljährig. Also wäre auch eine Adoption nicht mehr möglich gewesen. Der bürokratische Aufwand wäre schlicht zu hoch und die Zukunft trotzdem unsicher gewesen, meint Bossard. «Es hätte vielleicht sogar die Familie auseinandergerissen.» In die Schweiz zurückzugehen, kam deshalb nie in Frage.

Eigentlich wollte der gebürtige Aargauer nur einige Monate in Kenia bleiben.
Foto: zVg
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Wenn es der Familie finanziell mal etwas besser geht, will er ihnen unbedingt seine Heimat zeigen. Eine Zukunft sieht er in Europa aber keine. «Was wären wir denn in der Schweiz? Ein Mann, über 50 Jahre alt, auf Arbeitssuche, eine unglückliche Frau und zwei Kinder ohne Zukunft in einem Land, dessen Sprache sie nicht können. Wie sollte das denn gehen?»

Ausserdem sei das durchgehend warme Klima für ihn viel bekömmlicher als die kalte Schweiz. Der Aargauer wird von Gelenkproblemen geplagt. Seit er in Afrika sei, habe er beinahe keine Beschwerden mehr. «Ich glaube nicht, dass ich mich wieder an die winterlichen Temperaturen der Schweiz gewöhnen könnte. Bei weniger als 20 Grad beginne ich zu frieren», erzählt er.

Rassismus, Korruption und der Klimawandel

Im Moment regnet es in Kenia. Nicht durchgehend, aber jeden Tag. Dabei wäre im Oktober und November eigentlich Trockenzeit. «Die Stadt ertrinkt im Regen, die Strassen werden zu Flüssen.» An Zufälle glaubt er nicht. «Das ist der Klimawandel, den man besonders hier extrem spürt.» Alles sei aus dem Gleichgewicht geraten.

Aber nicht nur Klimaveränderungen verursachen Probleme. Das Leben in Kenia ist für die kleine Familie nicht immer einfach. Korruption, Armut, Gewalt und Rassismus, diese Dinge seien an der Tagesordnung. Als Weisser in Afrika sei es manchmal schwer. «Wir werden dauernd bedroht, nicht nur ich, auch meine Frau, weil sie sich für einen Weissen entschieden hat.»

Gemeinsam führen sie einen kleinen Laden in der Stadt. Die Geschäfte laufen, trotz vieler Rückschläge, nicht schlecht. «Wir wurden betrogen, bestohlen, unser Eigentum wurde mutwillig beschädigt. Es ist nicht immer leicht, aber wir stehen das durch. Zusammen.»

Mit einem kleinen Laden kommt die Familie knapp über die Runden.
Foto: zVg

«Man vermisst etwas erst, wenn man es nicht mehr haben kann»

In Kisumu hat er sich eine Existenz aufgebaut, eine Familie und gute Freunde gefunden. Aber seine Schweizer Familie und seine Freunde vermisst er trotzdem oft. Soziale Medien und das Internet vereinfachen zwar die Kommunikation. Aber es sei halt nicht dasselbe.

Auch ganz gewöhnliche Dinge, wie guter Käse und Cervelats fehlen ihm. «Dabei mochte ich die Wurst eigentlich nie besonders. Wahrscheinlich vermisst man etwas erst dann, wenn man es nicht mehr haben kann», vermutet er.

«Ich habe noch Hoffnung für dieses Land»

Bossard vermisst zudem, wie er es nennt, Recht und Ordnung. «In der Schweiz wird dir sofort geholfen, nie müsste man die Polizei bestechen. Dass dies ein Privileg und keineswegs selbstverständlich ist, vergessen viele.»

Trotz allem: Er bleibt in Kenia. Seiner Familie zuliebe, aber auch, weil er die Hoffnung noch nicht aufgeben will. «Natürlich ist es hart. Aber aus diesem Land wird mal noch was.» Markus ist sich ganz sicher: «Es stehen alle Wege offen. Es braucht nur noch einen Anstoss, ein richtig gutes Projekt und dieses Land wird aufblühen. Und dann, dann will ich dabei sein!»

Wie diese Geschichte entstanden ist

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