Kia e-Niro im BLICK-Alltagstest
Fast schon langweilig gut

Der aufgefrischte Kia e-Niro beweist, dass Elektro auch im Alltag ganz ohne Reichweiten-Angst funktioniert. Im Test macht der Crossover vieles richtig, hat am Ende aber ein grosses Manko.
Publiziert: 23.12.2020 um 01:15 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2021 um 16:28 Uhr
Andreas Engel

Elektroautos spriessen seit geraumer Zeit wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden. Besonders die lange Zeit zurückhaltenden Deutschen geben Vollgas – oder besser: Starkstrom. Und machen damit Schlagzeilen. Etwa VW mit dem ID.3, Audi mit dem E-Tron als neuem GT oder auch BMW mit dem grossen E-SUV iX.

Bei alldem geht gerne vergessen, dass etwa Hyundai-Kia längst alltagstaugliche und bezahlbare Stromer bietet. So kamen bei Hyundai ab 2016 nacheinander der Ioniq und Kona mit Benzin-, Hybrid-, Plug-in-Hybrid- und reinem E-Antrieb.

Das ist neu

Bei Kia stromert neben dem neuen e-Soul auf gleicher Basis seit 2018 der Niro über unsere Strassen, der jetzt ein Facelift erhielt. Optisch ändert sich ausser Details wie schickeren LED-Rückleuchten wenig am SUV-Van-Crossover. Innen bleibts beim nicht gerade revolutionären Cockpit mit vielen Knöpfen, grösserem 10,25-Zoll-Infotainment, praktischen Ablagen und reichlich Platz für die Familie.

Seit Ende 2018 ist der elektrische Kia Niro auf dem Markt und ergänzt die schon vorher erhältlichen Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Modelle.
Foto: zVg
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Die wichtigste Neuerung steckt aber unterm Blech: Der sogenannte Onboard-Charger ist neu serienmässig auf dreiphasiges Laden ausgelegt. In der Praxis an Wechselstrom-Ladesäulen bedeutet das: Statt wie bisher mit maximal 7,2 kW lädt man nun mit bis zu 22 kW, womit es etwa an der heimischen Wallbox, auf dem Supermarkt-Parkplatz oder in der City dreimal schneller geht als zuvor – eine echte Verbesserung! An Gleichstrom-Schnellladesäulen, die besonders für lange Strecken auf der Autobahn zum Einsatz kommen, wird mit maximal 80 kW geladen. Sprich: Bis der 64-kWh-Akku unseres Testwagens wieder zu 80 Prozent gefüllt ist, dauert es rund eine Dreiviertelstunde oder gut ein Mittagessen lang.

Das gefällt uns

Wie erwähnt: Andere reden viel, Kia (und Konzernmutter Hyundai) tun was! Und zwar für die Akzeptanz der E-Mobilität: Mit der grossen 64-kWh-Batterie sind im Alltag rund 400 Kilometer Reichweite drin. Sogar lange Autobahnfahrten (hier der Test mit dem Technikbruder Hyundai Kona Electric) schafft der e-Niro problemlos, und bei viel Stadt- und Überland-Anteil kratzen wir an der 500-Kilometer-Grenze. Hier fühlen wir uns wie in einem ganz «normalen» Auto: Vorbei die Zeiten, als der Blick verängstigt ständig zur Akku-Anzeige wanderte. Apropos «weniger ist mehr»: In der 64-kWh-Variante lässt sich der e-Niro nur noch mit dem «Style»-Paket (unter anderem mit JBL-Soundsystem, Assistenz, kabellosem Handy-Laden), mit Metalliclack und Glasschiebedach ausrüsten. Stundenlanges Blättern in der Optionsliste entfällt.

Kia e-Niro «Style»

Motor: Elektromotor, 204 PS (150 kW), 395 Nm@1/min, Ein-Gang-Automat, Frontantrieb, Batterie 64 kWh
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 7,8 s, Spitze 167 km/h, Reichweite Werk/Test 455/430 km
Masse: L/B/H = 4,38/1,81/1,57 m, 1791 kg, Kofferraum 451–1405 l
Verbrauch: Werk/Test 15,9/16,5 kWh/100 km (Benzinäquivalent 1,7 l/100 km), 0/0 g/km CO2-Ausstoss, Energie A
Preis: ab 49'900 Franken (Testwagen mit Optionen 53'960 Fr.)
Plus: sparsam, reichweitenstark, viel Platz, Rekuperation individuell einstellbar
Minus: kaum innovatives Cockpit, Verarbeitung könnte im Detail besser sein, etwas zu hohe Sitzposition

Motor: Elektromotor, 204 PS (150 kW), 395 Nm@1/min, Ein-Gang-Automat, Frontantrieb, Batterie 64 kWh
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 7,8 s, Spitze 167 km/h, Reichweite Werk/Test 455/430 km
Masse: L/B/H = 4,38/1,81/1,57 m, 1791 kg, Kofferraum 451–1405 l
Verbrauch: Werk/Test 15,9/16,5 kWh/100 km (Benzinäquivalent 1,7 l/100 km), 0/0 g/km CO2-Ausstoss, Energie A
Preis: ab 49'900 Franken (Testwagen mit Optionen 53'960 Fr.)
Plus: sparsam, reichweitenstark, viel Platz, Rekuperation individuell einstellbar
Minus: kaum innovatives Cockpit, Verarbeitung könnte im Detail besser sein, etwas zu hohe Sitzposition

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Das gefällt uns weniger

Warum Kia dann aber fürs Typ-2-Ladekabel satte 460 Franken extra verlangt verstehen wir nicht. Und bei aller Topausstattung: Am Ende stehen doch Preise jenseits von 50'000 Franken auf der Rechnung – Teslas Model 3 in der Long-Range-Version (580 km) geht bei knapp 55'000 Franken los. Und im Tesla hat man den cooleren Auftritt und das deutlich modernere Infotainment an Bord. Da hätten wir uns von Kia doch noch etwas mehr Mut zum Aussergewöhnlichen gewünscht. Und wo wir schon beim Meckern sind: Muss dieses Dauer-Gepiepse – beim Einsteigen, Einschalten, Gurt anlegen und Rückwärtsfahren von den Assistenten – wirklich sein?

So fährt er sich

Dass der e-Niro kein Freund von Traurigkeit ist, sehen wir schon im Datenblatt: Maximal 204 PS und fast 400 Nm wuchtet der E-Motor auf die Vorderachse. Das sorgt beim etwas gefühllosen Tritt aufs Gas ab und an für durchdrehende Räder, aber auch für flotte Sprints, die manch Ampelkönig ratlos den Kia-Rückleuchten hinterher blicken lassen. Klar ist der e-Niro mit grossem Akkupaket nicht leicht (1800 kg), macht dafür aber dennoch selbst auf kurvenreichen Strecken richtig Spass. Einziges Manko: Die Lenkung könnte mehr Feedback und Gefühl für den Untergrund geben, zudem ist die Sitzposition für unseren Geschmack zu hoch.

Unser Fazit

Der Kia e-Niro macht alles richtig, was ein E-Auto für den Alltag können muss: Er sieht modern aus, bietet richtig viel Platz, kommt anständig weit und fährt dazu noch flott. In jeder Disziplin gut aufgestellt, aber eben nie ganz top – das macht ihn schon fast langweilig gut. Das Einzige, was dem Erfolg des Elektro-Crossovers etwas im Wege steht, ist sein unter dem Strich eben doch ziemlich hoher Preis.

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