Fast 60 Jahre Unterschied: Land Rover Serie 88/II A und Defender 90 3.0 D
Alte Liebe rostet nicht

Unser Vergleich mit dem fast 60-jährigen Vorbild zeigt: Die Neuauflage des kurzen Land Rover Defender bleibt der kantig-kultigen Optik treu und bietet auch sonst nette Eigenheiten.
Publiziert: 22.05.2021 um 17:08 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2024 um 12:07 Uhr
Raoul. Schwinnen

Selbst der Besitzer des Serie 88/II A von 1964 staunt, als er seinen treu jeden Samstag im Wald dienenden Landy neben unseren 57 Jahre jüngeren Testwagen stellt. «Die unterscheiden sich optisch in Höhe und Länge ja kaum. Die grössten Differenzen liegen bei der Breite und natürlich im Innenraum», sagt Oldie-Besitzer Max und schmunzelt.

Stimmt, viel von der äusseren Optik des Urahns wurde für den neuen «kurzen» Landy übernommen. Die eckige Grundform natürlich oder das ausgeprägt kantige Heck mit der seitlich angeschlagenen Tür und dem Reserverad dran. Selbst die oberen «Alpine»-Fenster im hinteren Dachbereich fehlen nicht. Natürlich wurde für die Neuinterpretation alles etwas moderner. Die Anordnung der Heckleuchten stimmt noch ungefähr. Vorne gibts aber beim Neuen die für Land Rover heute typisch schmalen Matrix-LED-Scheinwerfer, der Kühlergrill ist glatt. Und auch die Frontscheibe steht im Vergleich zu einst heute aerodynamisch flacher.

Grösster Unterschied im Cockpit

Nicht wiederzuerkennen ist der neue Defender dagegen innen. Sein Cockpit präsentiert sich minimalistisch kühl – das hätten wir so eigentlich eher von Volvo, nicht aber von den Briten erwartet. Das Armaturenbrett mit grossem Defender-Schriftzug auf der Beifahrerseite steht flach. Statt kaschiert werden die groben Strukturen und Befestigungselemente explizit betont, die Oberflächen sind weich gummiert oder mit einem Material bespannt, das uns an Soft-Shell-Freizeitjacken erinnert. Alles wirkt robust und reduziert aufs Wesentliche. Dazu gibts ein gut ablesbares Volldigital-Cockpit und unter dem zentralen Display einen erhöht angebrachten Automaten-Hebel. «Gefällt mir», urteilt Ur-Landy-Besitzer Max. Er ist in seinem Cockpit Archaischeres gewohnt: «Da gibts in erster Linie praktische Ablagefächer und nur zwei kleine Rundanzeigen.»

Erstaunlich: Trotz fast 60 Jahren Unterschied sind der ...
Foto: Raoul Schwinnen
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Den kurzen Defender 90 (die Zahl steht für den Radstand in Zoll, es gibt ihn auch als längeren 110) gibts als Fünf- oder optionalen Sechsplätzer: Ein mittlerer Klappsitz ermöglicht dann Reisen zu dritt nebeneinander in der ersten Reihe. Das Einsteigen auf die hinteren Plätze gestaltet sich beim kurzen Zweitürer etwas mühsam, und die Kopfstützen der Rücksitze schränken die Sicht nach hinten ein. «Das war früher praktischer», sagt Max. Sein kurzer alter 88er bietet auf der Sitzbank vorne drei Plätze, hinten steigt man einfach durch die Hecktüre ein und nimmt auf nach unten klappbaren Seitenbänken Platz. «Ein Siebenplätzer – und keine die Sicht nach hinten einschränkende Kopfstützen», bemerkt er.

Erstaunlich sparsam

Handlich zu fahren sind dank ihres kurzen Radstands beide. Deutlich komfortabler natürlich der Neue. Er bietet modernste Technik und Fahrhilfen (ausser einem Totwinkel-Warner). Und weil der moderne Diesel-Landy mit 200 PS und 500 Nm sparsam (wir blieben mit 7,6 einen Liter unter Werksangabe) und auch deutlich leiser unterwegs ist als der Benzin-Veteran, vernehmen wir bei Autobahntempo 120 ein knisterndes Geräusch aus dem Bereich der Frontscheibe. Wir kommen der Ursache während des Tests nicht auf den Grund – und sehen es einfach als ungewöhnlichen Tempowarner für zu schnelles Fahren auf der Autobahn an.

Land Rover Defender 90 3.0D

Antrieb 3.0-Liter-Vierzylinder-Diesel, 200 PS (147 kW), 500 Nm ab 1250/min, 8-Stufen-Automat, 4x4
Fahrleistungen 0–100 km/h in 9,8 s, Spitze 175 km/h
Masse L/B/H 4,58(mit Ersatzrad)/2,01/1,97 m, Gewicht 2611 kg, Ladevolumen 297–1263 l
Verbrauch Werk/Test 8,6/7,6 l/100 km, 226/198 g/km CO2
Preis ab 63’400, Testwagen inkl. Optionen 70’730 Franken

Raoul Schwinnen

Antrieb 3.0-Liter-Vierzylinder-Diesel, 200 PS (147 kW), 500 Nm ab 1250/min, 8-Stufen-Automat, 4x4
Fahrleistungen 0–100 km/h in 9,8 s, Spitze 175 km/h
Masse L/B/H 4,58(mit Ersatzrad)/2,01/1,97 m, Gewicht 2611 kg, Ladevolumen 297–1263 l
Verbrauch Werk/Test 8,6/7,6 l/100 km, 226/198 g/km CO2
Preis ab 63’400, Testwagen inkl. Optionen 70’730 Franken

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Natürlich trauen wir uns mit unserem schick weissen Testwagen («Fuji-White» nennt es Land Rover) nicht ins Unterholz, wo sich Oldie-Besitzer Max fast jeden Samstag mit dem Ur-Landy durchwühlt. Wir sind aber sicher, dass dabei auch der Neue aufgrund seiner robusten Konstruktion, 22,6 Zentimetern Bodenfreiheit und Technik mit permanentem 4x4, zweistufigem Verteilergetriebe, sperrbarem Mitteldifferential und aktiver Hinterachssperre eine gute Figur machen würde. Jedenfalls verspricht Land Rover für den Neuen mit Stahlfedern Böschungswinkel von 32 Grad vorne und 36 Grad hinten sowie einen Rampenwinkel von 23 Grad und eine maximale Watttiefe von 85 Zentimetern.

Obwohl beeindruckt vom neuen Land Rover Defender 90, würde Oldie-Besitzer Max seinen 57-jährigen 88er niemals gegen den Neuen eintauschen. Zumal er seinen Veteranen eben erst wieder frisch vorgeführt hat – und vom Experten ein bewunderndes Lob zum technischen Zustand seines Arbeitsgerätes erhalten hat. Alte Liebe rostet eben nicht.


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