Erste Fahrt im neuen Porsche 911 Carrera GTS
Hilfe, es ist ein Hybrid!

Zur Modellpflege setzt Porsche die GTS-Version seiner Markenikone 911 unter Strom. Hybridantrieb im Elfer? Die Fangemeinde zeigt sich irritiert. Zu Recht? Unser Fahrbericht liefert Antworten.
Publiziert: 14.07.2024 um 06:27 Uhr
|
Aktualisiert: 14.07.2024 um 10:11 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_433.JPG
Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Natürlich kosten sie bei Porsche die Kommentare auf Social Media genüsslich aus. Weltuntergang, mindestens, konstatierte dort die Fangemeinde der Marke, kaum dass die Nachricht über einen neuen Hybridantrieb für Porsches 911 draussen war. Vernichtende Urteile im Vorfeld erhöhen die Flughöhe des Erstaunens, wenn das Auto dann erfahrbar ist – so scheint Porsches Marketingstrategie zu lauten.

Zweimal ist sie schon aufgegangen: Selbst schwerste Traumata von 911-Kunden wegen Wasser- statt Luftkühlung (ab 1997) oder Turbo- statt Sauger-Boxermotor (ab 2015) sind längst überwunden. Aber glaubte wirklich jemand, Porsche verpasse seinem imageträchtigsten Modell einen Spar-Hybrid mit schwerer Batterie, um damit zumindest rein elektrisch parkieren zu können? Das wäre so absurd wie Spaniens Fussball-Wunderkind Lamine Yamal (16) auf einem Bein durch den Strafraum hüpfend, damit sich nur eine Schuhsohle abnutzt.

Mini Batterie, mega Beschleunigung

Deshalb heisst das Antriebskonzept im neuen Porsche 911 Carrera GTS T- statt E-Hybrid. Also T wie Turbo oder Temperament, statt E wie Effizienz wie bei den übrigen Porsche-Hybriden. Man erkennt den Hybrid-Elfer an den senkrechten Lamellen unten in der Front als Teil der aktiven Aerodynamikelemente und den zentralen Auspuff-Endrohren. Allerdings kommts noch schlimmer als befürchtet: Sogar zwei E-Motoren machen seinem komplett neuen 3,6-Liter-Boxermotor mit 485 PS (357 kW) und sechs Zylindern Beine.

Götterdämmerung für den Verbrenner? Man könnte es fast glauben, wenn sogar Porsche bei seiner Sportwagenikone 911 auf Elektrifizierung setzt.
Foto: Daniel Wollstein
1/31

Einer steckt wie bei vielen Hybriden im 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, liefert 51 PS (40 kW) und spart nebenbei den Startergenerator. Strom bezieht er aus einer 1,9 Kilowattstunden (kWh) grossen Batterie unter der Hutablage – der neue Benziner baut flacher als der alte, deshalb bleibt dort genug Platz. Energie sammelt der Akku beim Bremsen nicht etwa fürs elektrische Fahren, sondern um sie boostend gleich wieder in die nächste Beschleunigung zu investieren.

Porsche 911 Carrera 4 GTS Cabriolet

Antrieb 3,6-l-B6-Turbobenziner, 485 PS (357 kW), Systemleistung 541 PS (398 kW), 610 Nm, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb, Batterie 1,9 kWh (netto)
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 3,1 s, Spitze 312 km/h
Masse L/B/H 4,51/1,85/1,30 m, Leergewicht 1725 kg, Laderaum 135/165 l (vorn/hinter den Vordersitzen)
Umwelt WLTP 10,7 l/100 km, 244 g/km CO₂-Ausstoss lokal, Energieeffizienz G
Preis ab 224'800 Franken, Carrera GTS Coupé ab 196'600 Franken (Basis 911 Carrera ab 144'900 Franken)

Antrieb 3,6-l-B6-Turbobenziner, 485 PS (357 kW), Systemleistung 541 PS (398 kW), 610 Nm, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb, Batterie 1,9 kWh (netto)
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 3,1 s, Spitze 312 km/h
Masse L/B/H 4,51/1,85/1,30 m, Leergewicht 1725 kg, Laderaum 135/165 l (vorn/hinter den Vordersitzen)
Umwelt WLTP 10,7 l/100 km, 244 g/km CO₂-Ausstoss lokal, Energieeffizienz G
Preis ab 224'800 Franken, Carrera GTS Coupé ab 196'600 Franken (Basis 911 Carrera ab 144'900 Franken)

Mehr

Doping für den Turbolader

Eine Überraschung ist die zweite E-Maschine, die ebenfalls am Akku hängt: Statt zwei flinken Turboladern wie im bisherigen GTS drückt nun ein grosser und schwerfälligerer die Verbrennungsluft in die Zylinder. Weil er bei tiefen Drehzahlen länger braucht, um Druck aufzubauen, bringt ein Elektromotor mit 15 PS (11 kW) sein Turbinenrad auf Touren und sorgt so für hohes Drehmoment gleich beim Anfahren. Dreht der Boxer dann höher, nimmt sich der E-Motor zurück – und rekuperiert sogar nicht vom Turbolader genutzte Energie, wenn der sich bei hohen Drehzahlen voll ins Zeug legt. Energie-Rückgewinnung trotz Beschleunigung!

Hoher Technik-Aufwand, von dem man nichts merkt – jedenfalls nicht so, wie man es auf Social Media erwartet hatte: Kein Übergewicht wegen der Batterie, kein Elektro-Surren, kein spürbares Einsetzen der E-Motoren – sie spielen den Wechsel von Rückgewinnung und Zusatzboost nur in der Fahrdynamik aus und gehen dabei im neu basslastigeren Kreischen des Boxermotors akustisch unter.

Kick, aber mit Komfort

Aber ihr Druck ist stets spürbar – schon nur bei der mit drei Sekunden neu vier Zehntel schnelleren Beschleunigung auf Tempo 100. So giftig und direkt hing bisher noch kaum ein Porsche-Serienmotor am Gas: Vor allem beim Spurt aus der Kurve heraus spricht der Sechszylinder flink und unwiderstehlich an. Statt der Sport-Härte eines 911 GT3 bleibt dabei immer noch genug Geschmeidigkeit in Federn und Dämpfern. Kick, aber mit Komfort.

Gespart wird zwar nichts, aber das ist auch nicht Sinn der Übung. Für solche Direktheit würde sich ein konventionelleres Antriebskonzept aber mehr genehmigen als 10,7 l/100 km im Schnitt. Neue Farben, frischeres Interieur, adaptives Matrixlicht mit 32'000 Lichtpunkten und ein neu virtuelles Cockpit: Diese Gadgets spendiert Porsche zusätzlich beim mit Hinter- oder Allradantrieb und als Coupé, Targa oder Cabriolet lieferbaren GTS, der mit mindestens 206'900 Franken zu Buche schlägt.

Noch gibts als Basismodell weiter den klassischen Carrera – mit drei Litern Hubraum, zwei Turboladern, kleinem Leistungszuschlag auf 394 PS (290 kW) und E-Motoren nur für die Fensterheber. Aber rentiert sich die Entwicklung eines neuen Hybridsystems nur für einen GTS? Wohl kaum – weshalb der Antrieb in der nächsten Generation wohl noch mehr Verbreitung bekommen wird. Gewöhnt euch dran, Elfer-Fans. Kann ja nicht so schwierig sein.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?