So fangen ESP und Co. ein ausbrechendes Heck wieder ein
Das Auto kanns besser als der Fahrer

Das Heck wird leicht und überholt uns, das Auto gerät ins Schleudern. Das nennt sich übersteuern. Autos mit Heckantrieb sind dafür besonders anfällig. Doch ESP hilft, die Kontrolle zu behalten. Blick erklärt wie!
Publiziert: 03.02.2023 um 11:05 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2023 um 11:47 Uhr
Martin A. Bartholdi

«Guck mal, Mama – freihändig!» Als Kind wollen viele mit Velo-Kunststücken beeindrucken. Und als Erwachsene dann im Auto. Entweder als Auto-Poser oder mit ihren Fahrkünsten: «Guck mal, ohne ESP!» Mit oft fatalen Folgen. Gerade in Autos mit hoher Leistung kommen ausgeschaltete Assistenzsysteme wie das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) plus Übermut plus zu viel Tempo oft nicht gut. Manche Fahrer glauben, das Auto jederzeit so gut im Griff zu haben, dass nichts passieren kann. Aber die Physik lässt sich nicht überlisten.

Bei welchen Autos kann das Heck ausbrechen?

Vor allem bei Modellen der Marke BMW bricht das Heck aus? Unsinn! Jedes Auto mit Heckantrieb ist dafür anfällig, wenn der Fahrer es nicht im Griff hat oder das ESP abstellt. Von Ford Mustang über Limousinen wie beispielsweise Jaguar XE und XF, Mercedes E-Klasse oder Lexus IS, den Roadster Mazda MX-5, viele Pick-ups mit zuschaltbarem Allrad wie der Toyota Hilux bis hin zu Kleinstwagen wie Renault Twingo und Smart Fortwo: Sie alle verfügen über Hinterradantrieb. Wenn man, wie z.B. bei BMW oder Mercedes möglich, nicht die Allrad-Option mitbestellt hat.

Und natürlich viele Oldtimer, vom klassischen britischen Roadster bis zum VW Käfer oder Bulli. Sie haben natürlich noch keine Elektronik, die eingreifen kann.

Bei allen Autos mit Hinterradantrieb kann das Heck ausbrechen – wenn man es übertreibt und/oder das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) abgeschaltet wird.
Foto: Werk
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Wann kann das Heck ausbrechen?

Bei allen Modellen mit Heckantrieb kann das Heck ausbrechen, wenn man sie bei zu hoher Geschwindigkeit zu stark einlenkt. Klassisches Beispiel für dieses sogenannte Übersteuern: Wir fahren zu schnell durch eine Kurve oder beschleunigen in der Kurve zu stark. Dann hilft nur noch eines, weiss BMW-Instruktor Klaus Heimerl: «Bricht in der Kurve das Heck weg, muss der Fahrer blitzschnell reagieren: Gas weg, Kupplung treten und sofort gegenlenken.»

Idealerweise macht man alles unmittelbar gleichzeitig. So lässt sich verhindern, dass das Auto unkontrolliert ins Schleudern gerät. Dazu muss man allerdings spüren, in welche Richtung das Heck weggeht, um in die richtige Richtung gegenlenken zu können – sonst wird die Situation noch dramatischer. Gerade das korrekte Gegenlenken braucht einiges an Übung.

Für die nötige Übung ist der öffentliche Strassenverkehr aber der falsche Ort. Trainieren lässt es sich auf der Schleuderplatte in Fahrkursen beispielsweise vom TCS oder jenen von Herstellern und Importeuren, die speziell auf die Besonderheiten der jeweiligen Modelle abgestimmt sind.

Wie funktioniert das ESP?

Ausserdem: Seit zwanzig Jahren gibt es einen technischen Helfer, der hilft, das Auto bei Übersteuern (übrigens auch Untersteuern – das Auto rutscht trotz lenken geradeaus) zu kontrollieren: das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP! Wenn einzelne Räder den Grip auf dem Asphalt verlieren – durch Nässe, Eis oder zu hohes Tempo –, hält das ESP das Auto durch gezielten Bremseingriff an einzelnen Rädern auf dem gelenkten Kurs und verhindert ein Ausbrechen und erst recht das Umkippen.

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Seit dem 1. November 2014 ist das ESP bei jedem Neuwagen Pflicht. Wieso kommt es trotzdem immer noch zu Schleuder-Unfällen? Das ESP kann ein Ausbrechen des Hecks nicht vollständig verhindern, sondern reduziert es nur so stark, dass die meisten Fahrer das Auto problemlos unter Kontrolle halten können. Oder seinen Eingriff erst garnicht bemerken.

Aber ab einer gewissen Geschwindigkeit kann auch die Technik nicht mehr verhindern, dass das Auto unkontrolliert ins Schleudern gerät.

Darf ich ESP ausschalten?

Bei den meisten Autos lässt sich das ESP per Taste, die lange gedrückt werden muss, auch deaktivieren. Dabei gibt es je nach Hersteller unterschiedliche Stufen; nur in den wenigsten Fällen ist es komplett deaktiviert. Darf man ausschalten? Ja. Im Winter auf Schnee kann es sinnvoll sein, das ESP und die Traktionskontrolle beim Anfahren kurz auszuschalten, wenn die Pneus durchdrehen, also Grip fehlt und das ESP das Auto dann immer wieder einbremst und so das Anfahren verhindert.

Aber in allen anderen Situationen sollte man die Finger von der Taste lassen: Ohne ESP ist der Fahrer mehr gefordert und gerade bei leistungsstarken Modellen schnell überfordert.

Dank ESP sind Autos mit Heckantrieb heute grundsätzlich genauso sicher unterwegs wie Fahrzeuge mit Front- oder Allradantrieb. Vorausgesetzt, der Fahrer übertreibt es nicht mit dem Tempo. Oder schaltet wider besseres Wissen das ESP aus.

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