FDP-Caroni will Gerechtigkeit
«Cannabis am Steuer wie Alkohol behandeln»

Es kommt Bewegung in die Diskussion um die Nulltoleranz von Cannabis am Steuer. Einen parlamentarischen Vorstoss wagt FDP-Vizepräsident Andrea Caroni (41): Der Ständerat (FDP/AR) will, dass Cannabis künftig ähnlich behandelt wird wie Alkohol.
Publiziert: 18.06.2021 um 16:51 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2021 um 17:52 Uhr
Timothy Pfannkuchen

So illegal dessen Konsum, so normal ist längst ein Joint statt eines Biers. Eine Studie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) sagt: Acht Prozent der Erwachsenen hatten im Jahr zuvor Cannabis konsumiert. Auch Feldversuche mit legaler Abgabe von THC-haltigem Cannabis, legaler CBD-Hanf und die Toleranz bei Eigenkonsummengen schieben die Diskussion zum Umgang mit Cannabis an.

Im Strassenverkehr gilt aber absolute Nulltoleranz. Während ein gewisser Pegel Alkohol erlaubt ist, liegt der Cannabis-Grenzwert nahe der Nachweisgrenze. Die Folge: Noch Tage nach dem Konsum kann der Führerausweis futsch sein. Hinzu kommen ausser der Busse für den Cannabis-Konsum tausende Franken teure Fahrfähigkeits-Abklärungen – die bei Alkohol erst bei sehr hohen Promillepegeln angeordnet würden. In manch absurdem Fall reicht bereits der Verdacht des Cannabis-Konsums – ohne überhaupt gefahren zu sein. Eine politische Frage.

Gegen «übertriebene Sanktionen»

Jetzt wagt sich der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni (41) bei diesem so heiklen Thema aus der Deckung. Er fordert per Postulat den Bundesrat dazu auf, sich mit diesem Dilemma zu befassen. Der Vizepräsident der Schweizer FDP sagt im Interview (siehe unten) zu Blick: «Es sollte im Strassenverkehrsrecht nicht um gute Drogen und böse Drogen gehen, sondern um die angemessene Reaktion auf die tatsächliche Gefährlichkeit. Sonst werden Menschen übertrieben hart sanktioniert.» Und verlören gar ihren Job.

Weil Cannabis illegal ist, wird es im Strassenverkehr heute mit Nulltoleranz behandelt wie Heroin. Der Quasi-Null-Grenzwert ...
Foto: Getty Images/PhotoAlto
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Anlass ist auch die Studie, die die Uni Basel für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erstellt hat. Sie kommt nach Analyse etlicher weiterer Studien zum Fazit, dass der Grenzwert übertrieben streng sei. Stattdessen liesse sich – wie bisher umstritten – auch bei Cannabis eine Grenze definieren, ab der der Konsum die Fahrfähigkeit einschränkt. Diese Grenze entspräche dann 0,5 Promille Alkohol. Die Studie erörtert einen erhöhten Mindest-Grenzwert und denkt Stufensysteme an wie bei Alkohol (0,5, 0,8, 1,6 Promille) mit jeweils abgestuften Rechtsfolgen – von der Busse über längere Entzugsdauer bis zu Fahrfähigkeits-Abklärungen.

Caroni fordert ein Stufensystem

Für solch ein Stufensystem – die Studie schlägt sogar Werte vor – macht sich der Herisauer Caroni im Postulat stark. Darin regt der Rechtsanwalt eine «rechtsgleichere Behandlung von Alkohol und THC im Strassenverkehr» an und fordert den Bundesrat dazu auf, «darzulegen, wie die Ungleichbehandlung im Strassenverkehrsrecht gemildert werden könnte». Der Konsum von THC sei nicht mit Kokain, Heroin und Co., sondern eher mit Alkohol zu vergleichen.

Ein undenkbarer Schritt? Kaum. Die Niederlande oder Portugal etwa haben den Grenzwert längst aufgrund desselben Dilemmas erhöht. Und etwa in Kanada oder Norwegen ist ein Stufensystem im Einsatz – damit Cannabis zwar nicht weniger, aber auch nicht härter bestraft wird wie der Alkohol hinter dem Volant.

Fünf Fragen an Andrea Caroni (41), Ständerat (FDP/AR)

Blick: Herr Caroni, Drogen haben am Steuer nichts zu suchen. Weshalb fordern Sie in einem Postulat, Cannabis im Verkehr ähnlich wie Alkohol am Steuer zu behandeln?
Andrea Caroni: Man sollte Menschen im Strassenverkehr entsprechend ihrer konkreten Gefährlichkeit behandeln. Bei Alkohol am Steuer gibt es dazu das Stufensystem. THC wird im Strassenverkehr zusammen mit Kokain oder Heroin in den Topf der harten Drogen geworfen. Diese Nulltoleranz ist bei THC aber nicht gerechtfertigt. Es sollte im Strassenverkehrsrecht nicht um gute Drogen und böse Drogen gehen, sondern um die jeweils angemessene Reaktion auf die tatsächliche Gefährlichkeit. Sonst werden Menschen übertrieben hart sanktioniert, was viele sogar unverdient den Job kostet.

Sagen Sie damit nicht im Prinzip: Eine illegale Droge am Steuer ist in Ordnung?
Nein, überhaupt nicht. Wer illegal THC konsumiert, wird dafür gebüsst. Es kann aber nicht sein, dass man jemanden doppelt bestraft, indem man ihm unabhängig von der konkreten Gefährdung auch noch den Führerausweis wegnimmt. Die jüngste Studie der Universität Basel von 2020 legt wissenschaftlich nahe: Man sollte THC am Steuer nicht wie harte Drogen, sondern wie Alkohol behandeln. Daher scheint auch beim THC ein System abgestufter Sanktionen sachgemäss.

Hat Ihr Vorstoss auch damit zu tun, dass Sie Rechtsanwalt sind?
Ich habe dadurch einen engen Kontakt zur Rechtspraxis sowie einen Radar gegen stossende rechtliche Ungleichbehandlungen. Als Liberaler habe ich zudem einen geschärften Sinn gegen unverhältnismässige staatliche Eingriffe.

Wieso als parlamentarischen Vorstoss «nur» ein Postulat statt der stärkeren Motion?
Ich hatte eine Motion geplant, mich jedoch nach Gesprächen mit Fachleuten dafür entschieden, zunächst dem Bundesrat die Chance zu geben, die Fakten und Optionen abzuklären und darzulegen.

Gut 40 Prozent der Postulate werden angenommen. Wie stehen die Chancen?
Ich bin zuversichtlich, dass der Bundesrat und dann der Ständerat an diesen Abklärungen Interesse zeigen.

Thomas Meier

Blick: Herr Caroni, Drogen haben am Steuer nichts zu suchen. Weshalb fordern Sie in einem Postulat, Cannabis im Verkehr ähnlich wie Alkohol am Steuer zu behandeln?
Andrea Caroni: Man sollte Menschen im Strassenverkehr entsprechend ihrer konkreten Gefährlichkeit behandeln. Bei Alkohol am Steuer gibt es dazu das Stufensystem. THC wird im Strassenverkehr zusammen mit Kokain oder Heroin in den Topf der harten Drogen geworfen. Diese Nulltoleranz ist bei THC aber nicht gerechtfertigt. Es sollte im Strassenverkehrsrecht nicht um gute Drogen und böse Drogen gehen, sondern um die jeweils angemessene Reaktion auf die tatsächliche Gefährlichkeit. Sonst werden Menschen übertrieben hart sanktioniert, was viele sogar unverdient den Job kostet.

Sagen Sie damit nicht im Prinzip: Eine illegale Droge am Steuer ist in Ordnung?
Nein, überhaupt nicht. Wer illegal THC konsumiert, wird dafür gebüsst. Es kann aber nicht sein, dass man jemanden doppelt bestraft, indem man ihm unabhängig von der konkreten Gefährdung auch noch den Führerausweis wegnimmt. Die jüngste Studie der Universität Basel von 2020 legt wissenschaftlich nahe: Man sollte THC am Steuer nicht wie harte Drogen, sondern wie Alkohol behandeln. Daher scheint auch beim THC ein System abgestufter Sanktionen sachgemäss.

Hat Ihr Vorstoss auch damit zu tun, dass Sie Rechtsanwalt sind?
Ich habe dadurch einen engen Kontakt zur Rechtspraxis sowie einen Radar gegen stossende rechtliche Ungleichbehandlungen. Als Liberaler habe ich zudem einen geschärften Sinn gegen unverhältnismässige staatliche Eingriffe.

Wieso als parlamentarischen Vorstoss «nur» ein Postulat statt der stärkeren Motion?
Ich hatte eine Motion geplant, mich jedoch nach Gesprächen mit Fachleuten dafür entschieden, zunächst dem Bundesrat die Chance zu geben, die Fakten und Optionen abzuklären und darzulegen.

Gut 40 Prozent der Postulate werden angenommen. Wie stehen die Chancen?
Ich bin zuversichtlich, dass der Bundesrat und dann der Ständerat an diesen Abklärungen Interesse zeigen.

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