Abstand halten ist fast unmöglich
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Blick macht den Selbstversuch
Abstand halten ist fast unmöglich

Der Blick-Artikel über unterschätzte Strafe für wenig Abstand wirft die Frage auf: Kann man im Alltag den korrekten Abstand überhaupt halten? Ein Selbstversuch – und eine Warnung: Der Radartempomat hält sich nicht automatisch ans Minimum.
Publiziert: 05.03.2024 um 15:54 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Jede und jeder Autofahrende steckte wohl schon einmal in diesem Dilemma: Einerseits soll und will man vor allem auf der Autobahn genügend Abstand zum Vorausfahrenden wahren. Denn zu wenig Abstand ist teuer und ein massives Sicherheitsrisiko, wenn zum Beispiel der Bremsweg länger ist als die Distanz zum Auto vor uns. Aber: Auf unseren Autobahnen ist es fast unmöglich, die vorgeschriebene Sicherheitsdistanz einzuhalten – weil jede Lücke von anderen gleich zum Spurwechsel und Überholen genutzt wird.

Wir habens ausprobiert: Wir nehmen einen Dauertestwagen mit Abstandsanzeige, den Renault Captur E-Tech – und befahren die Autobahn A1 im Raum Zürich. Verkehr heute eher schwach – da sollte das doch klappen. Anfangs sieht so aus: Lange schert in unsere korrekte Lücke von 1,8 bis 2,0 Sekunden tatsächlich niemand ein.

Mitunter wird es richtig haarig

Dann wird der Verkehr dichter – und adieu, korrekter Abstand. Halten wir uns an die Zwei-Sekunden-Faustregel, wirkt die Lücke selbst auf uns gigantisch. Und Auto um Auto schert vor uns darin ein. Zwecks korrektem Abstand gehen wir dann vom Gas: Unter 1,8 Sekunden drohen bereits Hunderte Franken an Strafe. Dann aber rücken die Autos hinter uns zu dicht auf. Viel zu dicht oft.

Das wird ungeheuer teuer: Unter 1,8 Sekunden Abstand droht Verzeigung, ab unter etwa 1,2 Sekunden Fahrausweis-Verlust.
Foto: Timothy Pfannkuchen
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Teils wird es richtig haarig: Ausgerechnet im Gubrist-Tunnel schert ein Auto so dicht ein (geschätzt zwei Meter bei Tempo 80), dass wir in die Eisen müssen. Kein Einzelfall: Gerade nach dem Spurabbau vor dem Tunnel fahren quasi alle zu dicht auf, viele bis auf eine Wagenlänge. Gingen hier alle zwecks Abstand sofort vom Gas, würde es dahinter stauen. Fährt man aber einfach so weiter, ist man mit über einem Nettolohn Busse und drei Monaten zu Fuss dabei.

Tempomat fährt zu dicht auf

Wir werden skeptisch: Übertreibt die Anzeige? Wir zählen anhand Leitpfosten (je 50 Meter Distanz) sowie anhand der Zwei-Sekunden-Regel (Punkt merken, dann eher langsam «einundzwanzig, zweiundzwanzig» sagen). Ergebnis: Die Abstandsanzeige stimmt. Was auch stimmt, ist nur eben: Der Abstand lässt sich kaum halten, obwohl der Verkehr noch relativ locker läuft (siehe Video).

Übrigens: Wer sich auf einen radarbasierten Abstandstempomat verlässt, kann eine böse Überraschung erleben. Weil jedes Land andere Vorschriften hat und um jeder Situation gerecht zu werden, kann man variieren – im Testauto etwa von 2,4 über 2,0 und 1,6 bis 1,2 Sekunden Abstand. Bei 1,6 ist man schon im teuren, bei 1,2 Sekunden gar im Ausweisentzugs-Bereich. Als Ausrede gilt das nicht: Lenkende sind dafür verantwortlich, die korrekte Stufe auszuwählen.

Ordnungsbusse statt Verzeigung?

Vielleicht wäre ein System à la Deutschland besser? Dort sind Abstandsbussen im Bussgeldkatalog definiert, beginnend erst unter einer Sekunde. Das ist an sich zwar zu wenig – aber vielleicht einfach realistischer. Bei uns wird mangels fixer Ordnungsbussen zwar selten der Abstand kontrolliert, aber im Falle eines Falles wird es dann horrend teuer. Und ebenfalls deshalb weiss kaum jemand, wie viel genau eigentlich ganz schnell viel zu wenig ist.

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