Pininfarina-Designstück mit 1900 PS!
Das stärkste Auto der Welt

Den stärksten Supersportwagen der Welt gibts für sündhaft viel Geld nur fünf Mal. BLICK macht die Sitzprobe im vollelektrischen Pininfarina Battista Anniversario.
Publiziert: 13.04.2020 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2020 um 22:24 Uhr
Max Fischer

Eine Sünde ist er wert. Dafür genügen allein schon ein paar Blicke auf und in den Hypercar im Werk von Pininfarina in Cambiano bei Turin (I). Fotos machen? Verboten, Handys müssen wir am Eingang abgeben. Selbst Test- und Entwicklungsfahrer Nick Heidfeld (früher F1 u. a. bei Sauber, Formel E bei Mahindra) wartet auf erste Fahrten auf der Strasse – bis jetzt war er lediglich im Simulator unterwegs.

Unter der Haube steckt die gleiche Technik wie beim im letzten Jahr erstmals präsentierten Battista. Der erste vollelektrische Supersportwagen der Welt geht mit 1900 PS und einem Drehmoment von 2300 Nm an den Start. Die 120-kWh-Batterie des Battista versorgt vier Elektromotoren – einen an jedem Rad, mit je 340 PS an den Vorder- und zweimal 612 PS an den Hinterrädern.

Schneller als ein F1-Bolide

Mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als zwei Sekunden schlägt das Auto im Spurt jeden F1-Boliden. Und die 300-km/h-Marke erreicht der Elektro-Superflitzer schneller als ein F-16-Kampfjet. Eigentlich lägen gar gegen 400 km/h Spitze drin. Aber hier setzt die Physik ihre Grenzen, dieses Tempo bringen die Pneus nicht mehr auf die Strasse. Das Schöne: alles mit Zero Emission. Fünf Kühler steuern den thermischen Teil des elektrischen Systems. Das Fahrwerk ist komplett einstellbar, und der aktive Heckflügel ist gleichzeitig aerodynamische Bremse. Das Bremssystem selbst besteht aus Sechs-Kolben-Sätteln und Karbon-Keramikscheiben. Kurz: Es handelt sich beim Battista Anniversario um das leistungsstärkste Auto der Welt.

Pininfarina Battista Anniversario: Kleines Lenkrad, damits an den Knien vorbeikommt; dazu drei digitale Displays.
Foto: Zvg
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Der Anniversario ist noch eine Spur exklusiver als sein Vorgänger. Statt auf 150 Exemplare ist er auf fünf limitiert. Das macht ihn nicht billiger: Statt zwei Millionen muss ein Käufer deren 2,6 auf den Tisch blättern. Nach jüngsten Windkanal-Simulationen lässt das Team um Design-Direktor Luca Borgogno an der Front die Lufteinlass-Schlitze weg. Weiter sind die Seitenpartien der Schürze etwas stärker ausmodelliert. Dank der verschärften Aerodynamik mit der fächerförmigen Front schafft das Auto nun statt 450 neu 500 Kilometer Reichweite.

Grossvater Pininfarina wäre begeistert

Aussergewöhnlich ist die Sonderlackierung in «grigio antonelliana» (Reminiszenz an das pavillonartige Turiner Wahrzeichen Mole Antonelliana). Auf dem eleganten Mattgrau haben Spezialisten in 300 Arbeitsstunden von Hand an den Konturen feine blaue Linien eingezeichnet. Hinter dem rechteckigen, kleinen Steuer schaut man aus den handvernähten, straff sitzenden Ledersesseln mit integrierter Kopfstütze auf drei digitale Displays. In der Mitte zeigt das System das Tempo, links und rechts sind die Navigation und wichtige Fahrzeugparameter angeordnet.

Die Dynamiktests laufen momentan auf vollen Touren. Die Antriebsprototypen des Supersportwagens erreichen laut Sportwagendirektor René Wollmann bereits 80 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit. Bis Ende Jahr soll der Super-Battista dann bereit für die Strasse sein.

Pininfarina macht sich mit diesem Bijou gleich selbst das schönste Geschenk zum 90. Geburtstag. Und Paolo Pininfarina, Vorsitzender des Unternehmens, sagt: «Mein Grossvater Battista hätte eine Riesen-Freude an diesem Auto.» Dieser Elektrorenner verdiene seinen Namen. «Er träumte sein ganzes Leben lang und hatte diese Vision von Geschwindigkeit, Leistung und Design.» Paolo erinnert an die stromlinienförmigen Hochgeschwindigkeitsautos, die sein Grossvater gebaut hatte. Und an einen Besuch von Battista «Pinin» Farina im Weissen Haus. Dort traf er 1959 den damaligen US-Präsidenten Dwight Eisenhower. Sie unterhielten sich über amerikanisches und italienisches Design. Und als Eisenhower ihn nach der Zukunft des Automobils fragte, habe sein Grossvater geantwortet: «Die Elektrifizierung!»

Als nächstes kommt ein SUV

2020 ist es nun so weit: Möglich machts neben italienischem Designflair die indische Mahindra-Gruppe. Diese übernahm 2015 Pininfarina. Der Konzern ist der grösste Hersteller von Traktoren weltweit sowie in der Sparte Mahindra & Mahindra für die Produktion von Geländewagen und Elektroautos bekannt. Der indische Milliardär Anand Mahindra will mit Automobili Pininfarina, rechtlich unabhängig von Pininfarina S.p.A in Turin (Designbüro und Karrosseriebauer), aussergewöhnliche Elektroautos wie den Battista entwickeln und vertreiben. Auf den Supersportler soll als Nächstes ein Luxus-SUV folgen. Es gibt einen Firmensitz in München (D) und einen in Turin.

Pininfarina hat ein grosses Vorbild: Apple. Wie der Handyhersteller kauft das Unternehmen die besten Komponenten zusammen. Die Batterie und die Kühlung hat Pinin­farina zusammen mit dem kroatischen Start-up und Elektro-Hypercar-Hersteller Rimac entwickelt. Ebenfalls beteiligt sind weitere Partner wie Brembo, Bosch und Pirelli. Bei den 120 Mitarbeitenden setzt Pininfarina auf Talente aus 20 Ländern; der weitaus grösste Teil der Belegschaft sammelte Erfahrungen bei Marken wie Porsche, Pagani, Bugatti oder BMW und Mercedes.

90 Jahre alt, aber wie ein Start-up

Das schätzt auch der für den digitalen Bereich zuständige frühere Porsche-, Mercedes- und Audi-Mann Jochen Bauer: «Anders als in einem Konzern sind bei uns die Wege extrem kurz, und es braucht für Entscheidungen bedeutend weniger Zeit.» Am Kaffeeautomaten treffe er mal diesen, mal jenen Mitarbeitenden. «Da hat man dann plötzlich ein spannendes Gespräch mit einem Designer oder einem Ingenieur, was in Grosskonzernen so nicht vorkommt.»

Noch etwas hat Pininfarina von Apple abgeschaut: Das Unternehmen will sich nicht nur auf die Hardware festlegen. Wie ein Handy-User soll auch ein Battista-Fahrer Features hinzukaufen können – und regelmässige Updates erhalten. Statt des Apple-Apfels signalisiert nun auf dem Heck des Anniversario ein mit LED-Leuchte umrandetes EV-Herz (steht für Electro Vehicle): Du bist einer von uns! Dabei gehen selbst Pininfarina-Kreise davon aus, den Battista weniger auf unseren Strassen als viel mehr bei Sammlern anzutreffen.

«Bin noch keinen Kilometer gefahren»

Nach mehr als 20 Jahren Rennsport ist der Wahlschweizer und Ex-Sauber-F1- sowie Mahindra-Formula-E-Pilot Nick Heidfeld (42) seit Beginn (2018) als Entwicklungs- und Testfahrer bei Pininfarina.

Nick Heidfeld, wie viele Test-Kilometer sind Sie mit dem Battista schon gefahren?
Nick Heidfeld: (lacht) Noch keinen.
Werden Sie nur für Ihren Namen bezahlt?
Bis jetzt war ich zig Stunden im Simulator unterwegs. In einem bis zwei Monaten gehts mit den Strassentests los. Der Simulator funktioniert bestens, um das Fahrerlebnis zu definieren und zu beurteilen, das sich aus 1900 PS und einem Drehmoment von 2300 Newtonmetern ergibt.
Und wie fühlen sich diese gigantischen Werte an?
Ein Strassenauto, das schneller beschleunigt als ein F1-Bolide. Fantastisch! Doch es geht darum, das Auto so hinzukriegen, dass der Fahrer damit auf einer Rennstrecke Spass hat, aber auch, wenn er in der City oder über Land fährt. Schon als Rennfahrer wollte ich die Feinabstimmung im Wagen auf der Strecke machen, ich muss das Auto auf der Strasse spüren.
Machen solche Spitzenwerte in der heutigen Zeit Sinn?
Darüber kann man sich schon streiten. Es geht bei diesem Projekt darum, zu zeigen, was technologisch möglich ist. Was man mit einem rein elektrisch betriebenen Supersportwagen alles erreichen kann. Das Resultat ist in der Tat faszinierend.
Sie galten nicht nur als guter Rennfahrer, sondern waren bei Ingenieuren bekannt für Ihre äusserst wertvollen Feedbacks.
Die Entwicklung eines Autos hat mich in meiner Rennfahrer-Karriere immer stark interessiert, und es hat mir auch viel Spass gemacht. Kommt hinzu, dass die Ingenieure meine Einschätzungen und Analysen immer sehr geschätzt haben.
Mit der Entwicklung eines Hypercar-Elektroautos betreten Sie nun aber Neuland.
Als Fahrer in der Formel E gehörte ich zu den Pionieren des Elektro-Formelsports. Die Entwicklung eines Elektro-Supersportwagens für den Strassengebrauch ist hingegen für mich und das ganze Team neu: Der Motorsport ist stark reglementiert. Hier können wir sozusagen auf der grünen Wiese starten. Das macht Spass. Und dieses Start-up-Feeling gefällt mir: Ich kann mich bei verschiedensten Themen einbringen, diskutiere mit Designern, Ingenieuren und Marketingleuten. Das Projekt profitiert von diesem Austausch und diesen kurzen Wegen. Es ist eine tolle Erfahrung!

Nach mehr als 20 Jahren Rennsport ist der Wahlschweizer und Ex-Sauber-F1- sowie Mahindra-Formula-E-Pilot Nick Heidfeld (42) seit Beginn (2018) als Entwicklungs- und Testfahrer bei Pininfarina.

Nick Heidfeld, wie viele Test-Kilometer sind Sie mit dem Battista schon gefahren?
Nick Heidfeld: (lacht) Noch keinen.
Werden Sie nur für Ihren Namen bezahlt?
Bis jetzt war ich zig Stunden im Simulator unterwegs. In einem bis zwei Monaten gehts mit den Strassentests los. Der Simulator funktioniert bestens, um das Fahrerlebnis zu definieren und zu beurteilen, das sich aus 1900 PS und einem Drehmoment von 2300 Newtonmetern ergibt.
Und wie fühlen sich diese gigantischen Werte an?
Ein Strassenauto, das schneller beschleunigt als ein F1-Bolide. Fantastisch! Doch es geht darum, das Auto so hinzukriegen, dass der Fahrer damit auf einer Rennstrecke Spass hat, aber auch, wenn er in der City oder über Land fährt. Schon als Rennfahrer wollte ich die Feinabstimmung im Wagen auf der Strecke machen, ich muss das Auto auf der Strasse spüren.
Machen solche Spitzenwerte in der heutigen Zeit Sinn?
Darüber kann man sich schon streiten. Es geht bei diesem Projekt darum, zu zeigen, was technologisch möglich ist. Was man mit einem rein elektrisch betriebenen Supersportwagen alles erreichen kann. Das Resultat ist in der Tat faszinierend.
Sie galten nicht nur als guter Rennfahrer, sondern waren bei Ingenieuren bekannt für Ihre äusserst wertvollen Feedbacks.
Die Entwicklung eines Autos hat mich in meiner Rennfahrer-Karriere immer stark interessiert, und es hat mir auch viel Spass gemacht. Kommt hinzu, dass die Ingenieure meine Einschätzungen und Analysen immer sehr geschätzt haben.
Mit der Entwicklung eines Hypercar-Elektroautos betreten Sie nun aber Neuland.
Als Fahrer in der Formel E gehörte ich zu den Pionieren des Elektro-Formelsports. Die Entwicklung eines Elektro-Supersportwagens für den Strassengebrauch ist hingegen für mich und das ganze Team neu: Der Motorsport ist stark reglementiert. Hier können wir sozusagen auf der grünen Wiese starten. Das macht Spass. Und dieses Start-up-Feeling gefällt mir: Ich kann mich bei verschiedensten Themen einbringen, diskutiere mit Designern, Ingenieuren und Marketingleuten. Das Projekt profitiert von diesem Austausch und diesen kurzen Wegen. Es ist eine tolle Erfahrung!

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