Weltkonferenz der nachhaltigen Mobilität Movin'On
Motor für die Zukunft

Elektrofahrzeuge, autonomes Fahren, Digitalisierung: Im kanadischen Montreal diskutierten 6000 Experten, wie die Mobilität mit neuen Konzepten nachhaltig werden kann.
Publiziert: 16.06.2019 um 12:07 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2019 um 11:50 Uhr
Andreas Faust

Links rostige Schienen, rechts ruinöse Fabrikbauten: Der Bus rumpelt über Schotter und Schlaglöcher und rollt auf improvisiertem Asphalt vor einer Ex-Industriebrache aus.

Man könnte sich keine bessere Location als die Montreal Grandé Studios für eine Mobilitätskonferenz wünschen. Verlottertes Ambiente steht ja sowieso hoch im Kurs. Aber wer noch nicht verstanden hat, warum Mobilität die grosse Herausforderung der Zukunft sein wird, der weiss es spätestens nach der Anfahrt zu Movin'On.

Zum dritten Mal schon traf sich der harte Kern der internationalen Mobilitätsszene an der Konferenz vom 4. bis 6. Juni in Montreal im kanadischen Bundesstaat Quebec. Marode Züge, malader ÖV, mitgenommene Infrastruktur – die Stadt hat mehr als nur ein Verkehrsproblem. Die Probleme geht man nun zwar an, aber deren Lösung brauche noch Zeit, sagt Stadtpräsidentin Valérie Plante bei der Eröffnung. Gut, sind mehr als 6000 Experten für drei Tage in der Stadt.

Mobilitätskonferenz Movin'On 2019: Zum dritten Mal war Montreal Schauplatz einer Art «Davos der Mobilität».
Foto: zvg
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Plattform statt Produktwerbung

Der französische Reifenhersteller Michelin initiierte Movin'On vor zwei Jahren als Nachfolge-Event der 1998 gestarteten Challenge Bibendum. Die fokussierte noch völlig auf den Strassenverkehr. Movin'on soll dagegen den Horizont erweitern, zum Quer- und Weiterdenken animieren.

«Uns gehts nicht um Produktplacement oder Imagepflege – wir wollen Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler zusammenbringen, um über die Mobilität der Zukunft zu diskutieren», sagt Michelin-CEO Florent Menegeaux.

Gleichzeitig fungiert der Event als Kontaktbörse. Menegeaux hat schon einige der präsentierenden Start-ups als potenzielle Kooperationspartner ins Auge gefasst. Welche? «Sorry – Betriebsgeheimnis», antwortet er. «Aber wir werden uns mit einigen hellen Köpfen treffen.»

Elektromobilität? Längst gesetzt

Natürlich spielt neue Technologie eine Rolle: Fahrzeugbau per 3D-Druck, oder neue Mobilitätskonzepte wie windgetriebene Frachtschiffe, Röhrentransportsysteme mit bis zu 300 km/h schnellen Boxen oder Magnetschnellbahnen auf alten Schienen oder neuen Fahrwegen.

Michelin zeigt mit dem Uptis erstmals einen luftlosen Pneu, der langlebiger und ökologischer als herkömmliche Reifen und bis 2024 serienreif sein soll. Doch Elektromobilität und das autonome Fahren gelten der überwältigenden Mehrheit unter den Teilnehmern längst als unverzichtbar und gesetzt.

Austausch im Vordergrund

Vor allem stehen Workshops und Diskussionen im Vordergrund. Wie integriert man erste autonome Fahrzeuge in den Strassenverkehr? Wie stimmt man Verkehrsmittel intelligent aufeinander ab? Wie setzt man digitale Anwendungen innovativ zur Organisation der Mobilität ein? Und wie lässt sich überhaupt damit Geld verdienen?

Solche Fragen stehen im Vordergrund, wenn sich zum Beispiel der schottische Staatssekretär für Verkehr, der Strategieexperte des Datenkonzerns Atos und eine thailändische Landschaftsplanerin zusammensetzen: Kotchakorn Voraakhom verbessert mit ihren Parkanlagen die Entwässerung in ihrer Heimatstadt Bangkok und hilft damit, dass der Klimawandel bzw. der damit verbundene Anstieg der Meeresspiegel, nicht die Verkehrsinfrastruktur unter Wasser setzen. Auch das hat mit Mobilität zu tun.

Start-ups treffen auf Weltkonzerne

Investmentbanker Christophe Rouvière kann hier die Finanzierung von Wasserstofftankstellen mit Entscheidern diskutieren, die er daheim in Frankreich nicht einmal ans Telefon bekäme. Benoit Breton, Wirtschaftspolitiker in Quebec, begeistert sich für die kreativ-lockere Atmosphäre. Und Nervtech-Gründer Matej Vengust sammelt fleissig Buchungen für seinen Fahrsimulator, mit dem er neben der Schulung von Autofahrern auch Daten sammelt, dank denen sich künftige autonome Autos auf kulturell unterschiedliche Fahrstile anpassen lassen.

Mit einem französischen Unternehmen als Pate und dem Standort im französischen Kanada ist klar: Movin'On ist so frankofon wie frankophil. Man würde sich einen weiteren Blick über die Sprachgrenze wünschen und auch mehr Präsentationen konkret realisierter Projekte als Absichtserklärungen. Aber das kann ja beim nächsten Mal noch werden.

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