Trotz weiteren Zahlungszusagen
Solarauto Sion ist definitiv tot

Auch die letzte, verzweifelte Kapitalbeschaffungsrunde rettet das geplante Solarauto Sion nicht. Die jungen Sono-Motors-Gründer müssen einsehen, dass ihr Projekt gescheitert ist. Jetzt strukturieren sie um und hoffen als Zulieferer auf Erfolg.
Publiziert: 05.03.2023 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2023 um 12:16 Uhr
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Es war zuletzt eine emotionale Berg- und Talfahrt. Das ehrgeizige, 2016 in München (D) gestartete Solarauto-Projekt Sion (der Name kommt von Vision) von Jona Christians (28) und Laurin Hahn (28) lief finanziell immer mehr aus dem Ruder. Alleine im letzten Jahr verbrannte ihre vor acht Jahren gegründete, seit zwei Jahren börsenkotierte Firma Sono Motors über 100 Millionen Euro.

Um das Projekt wie geplant voranzutreiben, jetzt mit der Vorserie zu starten und das fertige Solarfahrzeug Sion 2024 auf die Strasse zu bringen, benötigte die inzwischen 420 Mitarbeitende umfassende Sono Motors dringend neues Kapital. Mit einer dramatischen Videobotschaft wandten sich die beiden Co-Gründer und -Geschäftsführer Ende 2022 an ihre Community: «Die letzte Chance für unser Solarauto Sion ist, dass 3500 Kunden einen ermässigten Kaufpreis von 25’000 Euro komplett vorauszahlen.» Die Münchner Jungunternehmer setzten sich für ihre jüngste Kapitalbeschaffung eine Frist bis Ende Februar 2023.

Weitere 50 Millionen Euro reichten nicht

Noch vor einem Monat trafen wir Co-Geschäftsführer Jona Christians in Zürich. Da wirkte der frühere Informatik- und Experimentalphysikstudent wieder ansteckend zuversichtlich. Auf unsere skeptische Frage, ob der Sion jemals Realität werde, antwortete Christians: «Wir sind auf Kurs und haben inzwischen mehr als 44’000 Reservierungen für unseren Sion.» Mit dem jüngsten Aufruf seien fast 1500 neue Anzahlungszusagen dazu gekommen und er sprach von fast 50 Millionen Euro, die dank der neuesten Kampagne bis Ende Januar zusammengekommen seien. Das waren noch nicht die erforderlichen 100 Millionen, aber weil es offenbar Kontakte zu neuen Investoren gab, zeigte sich Christians noch vor einem Monat optimistisch. «Mithilfe der bis jetzt generierten Mittel sollte es uns möglich sein, die Finanzierungslücke bis zur Vorserie zu schliessen.»

Seit 2016 verfolgten die jungen Tüftler Laurin Hahn (l.) und Jona Christians mit ihrem eigens gegründeten Start-up Sono Motors ihre Vision eines Solar-Elektromobils.
Foto: zVg
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Die Sono-Motors-Pioniere

Inspiriert wurden Jona Christians (29) und seine zwei Sono-Motors-Mitgründer Laurin Hahn (29) und Navina Pernsteiner (33, ist im Herbst 2020 ausgestiegen) von nachhaltigen Start-ups im Technologiebereich wie dem niederländischen Unternehmen Fairphone und der Non-Profit-Organisation TED. Nach seinem Schulabschluss 2012 begann Jona Christians, seine Vision eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts ohne fossile Brennstoffe zu entwickeln und zu realisieren. Als das gemeinsame Projekt immer mehr Zeit in Anspruch nahm und sich etablierte, beschloss er, sein Studium der Informatik und Experimentalphysik nicht fortzusetzen, sondern sich vollkommen der Entwicklung des Sion und der Leitung von Sono Motors zu widmen.

Inspiriert wurden Jona Christians (29) und seine zwei Sono-Motors-Mitgründer Laurin Hahn (29) und Navina Pernsteiner (33, ist im Herbst 2020 ausgestiegen) von nachhaltigen Start-ups im Technologiebereich wie dem niederländischen Unternehmen Fairphone und der Non-Profit-Organisation TED. Nach seinem Schulabschluss 2012 begann Jona Christians, seine Vision eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts ohne fossile Brennstoffe zu entwickeln und zu realisieren. Als das gemeinsame Projekt immer mehr Zeit in Anspruch nahm und sich etablierte, beschloss er, sein Studium der Informatik und Experimentalphysik nicht fortzusetzen, sondern sich vollkommen der Entwicklung des Sion und der Leitung von Sono Motors zu widmen.

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Doch es kam anders. Letzten Freitag, vier Tage vor Ablauf der selbst gesetzten Frist, hat die Vision ein Ende. Die beiden Jungunternehmer müssen definitiv einsehen, dass ihr Solarauto-Projekt Sion gescheitert ist. In einer ungewohnt emotionslos formulierten Mitteilung verkünden sie das Ende ihres «Herzensprojekts Sion». In ihrem Schreiben teilen sie mit, dass Sono Motors sein Geschäftsmodell umstrukturieren und sich künftig ausschliesslich auf die Nachrüstung und Integration von Solartechnologie in Fahrzeuge von Drittanbietern konzentrieren will. Gleichzeitig werde mit sofortiger Wirkung das Sion-Programm eingestellt. Jona Christians begründet: «Trotz der mehr als 45’000 Reservierungen und Vorbestellungen für den Sion waren wir gezwungen, auf die anhaltende Instabilität der Finanzmärkte zu reagieren und unser Geschäft zu verschlanken. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen.»

Es gibt einen Rückzahlungsplan

Wie gehts jetzt weiter – was geschieht mit all jenen, die bei den verschiedenen Crowdfundings bereits Geld für das Solarauto Sion locker gemacht haben? Für Sion-Reservierungen, die vor der letzten im Dezember 2022 gestarteten Kampagne angezahlt wurden, habe das Unternehmen einen Rückzahlungsplan, heisst es von Sono Motors. Dieser sähe die Rückzahlung in mehreren Raten zuzüglich eines Bonus über die nächsten zwei Jahre vor, beginnend mit der ersten Rate im Mai 2023. Jona Christians verspricht: «Die Beträge sämtlicher Zahlungszusagen, die seit 8. Dezember 2022 im Rahmen unserer letzten Savesion-Kampagne getätigt wurden, wird Sono Motors nicht einziehen.»

Die Vision von Sono Motors

Das Münchner Start-up Sono Motors, seit November 2021 an der Börse, möchte die globale Mobilität grundlegend revolutionieren. Das Unternehmen will dazu jedes Fahrzeug mit Solarzellen ausstatten. Dafür hat es eine eigene revolutionäre Solartechnologie entwickelt, die neben dem eigenen Solarfahrzeug Sion auch eine nahtlose Integration in eine Vielzahl von weiteren Fahrzeugtypen (zum Beispiel Busse, LKW oder Anhänger) ermöglicht, um so deren Reichweite zu erhöhen und die CO₂-Emissionen zu senken.

Dieser von der Sion-Entwicklung unabhängige B2B-Solargeschäftszweig funktioniert inzwischen profitabel. So gibts bereits fast zwei Dutzend Partner (u.a. Scania, Mitsubishi Europe, Rhenus Logistics oder die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG). Und kürzlich sicherte sich die Sono Group von der Europäischen Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt (CINEA) eine Finanzierung in Höhe von 1,46 Millionen Euro, um die Entwicklung der unternehmenseigenen Solartechnologie voranzutreiben.

Das Münchner Start-up Sono Motors, seit November 2021 an der Börse, möchte die globale Mobilität grundlegend revolutionieren. Das Unternehmen will dazu jedes Fahrzeug mit Solarzellen ausstatten. Dafür hat es eine eigene revolutionäre Solartechnologie entwickelt, die neben dem eigenen Solarfahrzeug Sion auch eine nahtlose Integration in eine Vielzahl von weiteren Fahrzeugtypen (zum Beispiel Busse, LKW oder Anhänger) ermöglicht, um so deren Reichweite zu erhöhen und die CO₂-Emissionen zu senken.

Dieser von der Sion-Entwicklung unabhängige B2B-Solargeschäftszweig funktioniert inzwischen profitabel. So gibts bereits fast zwei Dutzend Partner (u.a. Scania, Mitsubishi Europe, Rhenus Logistics oder die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG). Und kürzlich sicherte sich die Sono Group von der Europäischen Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt (CINEA) eine Finanzierung in Höhe von 1,46 Millionen Euro, um die Entwicklung der unternehmenseigenen Solartechnologie voranzutreiben.

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Sono Motors will das Projekt Sion jetzt verkaufen. Gleiches gilt für einen Teil der vielen Patente. Andere Patente wiederum sollen für das eigentliche Kerngeschäft, den funktionierenden B2B-Solargeschäftszweig (Solarlösungen bestehend aus Hardware, Leistungselektronik und Software für eine Vielzahl von Fahrzeugen), genutzt werden. Weil rund 90 Prozent des Finanzierungsbedarfs für 2023 durch das Sion-Programm verursacht und das Projekt zudem ressourcenintensiv war, muss Sono Motors aber signifikante Einsparungsmassnahmen treffen. Im Klartext bedeutet dies, rund 300 Mitarbeitende werden entlassen.

«Leider ist unsere Vision des ersten erschwinglichen Solar-Elektroautos gescheitert» geben Jona Christians und Laurin Hahn geknickt zu. «Wir und unser Unternehmen werden die Vision einer Welt ohne fossile Brennstoffe aber dennoch weiter verfolgen – auch mit dem neuen Fokus», geben sie sich aber bereits wieder kämpferisch.

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