Steigende Rohstoffpreise
Ukraine-Krieg gefährdet die Klimaziele

Der Krieg in der Ukraine bringt nicht nur grosses Leid über die Bevölkerung, er wirkt sich auch negativ auf die Weltwirtschaft aus. Die jetzt steigenden Rohstoffpreise könnten die langfristigen Klimaziele torpedieren.
Publiziert: 14.03.2022 um 05:36 Uhr
Patrick Solberg und Raoul Schwinnen

Nach Berechnungen der Analysten von Global Data könnten der Krieg in der Ukraine und die dadurch entstehenden Rohstoffengpässe dafür sorgen, dass viele Nationen ihre bis 2030 gesetzten Klimaziele verfehlen werden.

Deutschland will zum Beispiel bis in acht Jahren 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Strassen bringen. Doch seit Kriegsausbruch in der Ukraine ist der Preis für Nickel um 18 Prozent auf über 24'000 Dollar pro Tonne gestiegen. Das könnte sich negativ aufs Wachstum der Elektroautos auswirken: «Nickel ist ein Schlüssel-Bestandteil bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos», sagt Mohit Prasad von Global Data. «Die Ukraine-Krise hat zum höchsten Anstieg der Nickelpreise seit einem Jahrzehnt geführt.»

Laut dem Mining Commodity Analyzer von Global Data war Russland im vergangenen Jahr mit einer Produktion von über 200'000 Tonnen der drittgrösste Nickel-Produzent. Die Preissteigerung wird sich nicht nur negativ auf die Preise der E-Fahrzeuge und deren Lieferbarkeit auswirken, der Westen wird dadurch auch länger auf russisches Öl und Gas angewiesen sein.

Die steigenden Rohstoffpreise durch den Krieg in der Ukraine könnten die langfristigen Klimaziele der Autohersteller und Regierungen torpedieren.
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Preise für E-Autos werden steigen

«Der Krieg in der Ukraine stört das feine Gleichgewicht der Lieferketten für Batteriemetalle. Der in die Höhe schiessende Nickelpreis wird sich erheblich auf die klimapolitischen Ambitionen von Ländern auf der ganzen Welt auswirken, weil er letztlich die erhoffte Verbreitung von E-Autos behindert», erklärt Prasad. «Die zusätzlichen Kosten werden sich bemerkbar machen, entweder bei kleineren Gewinnen der Autohersteller oder in der Weitergabe an die Kunden.»

Auch Produktion in den USA betroffen

Probleme gibt es durch den Krieg in der Ukraine nicht nur in europäischen Autoproduktionen. Auch im grössten BMW-Werk im amerikanischen Spartanburg könnten die Bänder bald langsamer laufen als gewünscht. Denn die Fertigung in South Carolina bezieht Kabelstränge für die Plug-in-Hybrid-Modelle der Baureihen X3 und X5 zu rund einem Drittel aus der Ukraine. «Wir haben rund zehn Millionen Dollar in eine neue Batterie-Montagelinie investiert und die Fläche auf mehr als 8000 Quadratmeter erweitert. Bei entsprechender Marktnachfrage könnten wir damit die Zahl der produzierten Batterien verdoppeln», erklärt Michael Nikolaides, Leiter Motoren und elektrische Antriebe der BMW Group.

BMW will in den kommenden Jahren eine deutlich bessere Energiebilanz bei der Fertigung erreichen. Die Zulieferkette soll bis 2030 pro Fahrzeug 22 Prozent weniger CO₂ (real etwa 2,2 Tonnen) produzieren. Im Vergleich zu 2019 entspricht dies einer Reduktion um 80 Prozent.

Auch das BMW-Werk in Spartanburg (USA) bezieht die Kabelstränge für die Plug-in-Hybrid-Modelle X3 und X5 aus der Ukraine.

Probleme gibt es durch den Krieg in der Ukraine nicht nur in europäischen Autoproduktionen. Auch im grössten BMW-Werk im amerikanischen Spartanburg könnten die Bänder bald langsamer laufen als gewünscht. Denn die Fertigung in South Carolina bezieht Kabelstränge für die Plug-in-Hybrid-Modelle der Baureihen X3 und X5 zu rund einem Drittel aus der Ukraine. «Wir haben rund zehn Millionen Dollar in eine neue Batterie-Montagelinie investiert und die Fläche auf mehr als 8000 Quadratmeter erweitert. Bei entsprechender Marktnachfrage könnten wir damit die Zahl der produzierten Batterien verdoppeln», erklärt Michael Nikolaides, Leiter Motoren und elektrische Antriebe der BMW Group.

BMW will in den kommenden Jahren eine deutlich bessere Energiebilanz bei der Fertigung erreichen. Die Zulieferkette soll bis 2030 pro Fahrzeug 22 Prozent weniger CO₂ (real etwa 2,2 Tonnen) produzieren. Im Vergleich zu 2019 entspricht dies einer Reduktion um 80 Prozent.

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Wenn Rohstoffe wie Nickel nicht mehr aus der Ukraine oder Russland bezogen werden kann, kommen andere Nationen wie Indonesien oder die Philippinen zum Zug. Für die Autoproduktionen in Europa bedeuten die längeren Lieferwege aber nicht nur höhere Preise, sondern verursachen auch einen Anstieg der Emissionen in den Lieferketten. Gerade in den vergangenen drei Jahren hatten sich die Autohersteller bemüht, die Dekarbonisierung ihrer Lieferketten mit Hochdruck voranzutreiben. Zudem könnte dies indirekt zu einer grösseren Abhängigkeit von China führen: Chinesische Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle bei den wichtigsten Nickelminen in Südostasien.

Absatzziele von E-Autos in Gefahr

Die Autohersteller in Europa, speziell in Deutschland, sind bereits von der Krise betroffen. Der VW-Konzern hatte im letzten Jahr bereits ein Fünftel seiner Fahrzeuge in Deutschland mit einem E-Antrieb verkauft. Die Produktion in zwei ostdeutschen VW-Fabriken musste bereits unterbrochen werden, weil wichtige Komponenten (Kabelbäume für Steuergeräte) aus der Westukraine fehlten. Konzern-Modelle mit Plug-in-Hybridantrieb – ebenfalls mit nickelhaltigen Akkus – sind nicht mehr bestellbar.

Auch BMW musste seine Fertigung bereits kurzzeitig aussetzen. «Damit zum Beispiel Deutschland das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 schafft, müsste dort der Markt mit einer durchschnittlichen Rate von 35 Prozent wachsen», weiss Analyst Mohit Prasad. Er befürchtet nun, dass ein anhaltender Krieg in der Ukraine das Vorhaben, die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrssektor bis 2030 zu reduzieren, beeinträchtigen könnte.

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