Schweizer Knutschkugel soll endlich starten
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Jahre der Verspätung:Schweizer Knutschkugel soll endlich starten

Microlino mit über drei Jahren Verspätung
Schweizer Knutschkugel soll im Herbst endlich starten

Am Genfer Autosalon 2016 präsentierte Micro-Scooter-Erfinder Wim Ouboter aus Küsnacht ZH den Prototyp seines elektrischen Retro-Zwergs Microlino. Nach heftigem Rechtsstreit drohte das Projekt zu scheitern. Im Herbst soll die Produktion aber endlich anlaufen.
Publiziert: 16.06.2021 um 04:18 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2021 um 17:29 Uhr
Andreas Engel

Im Januar 2018 titelten wir im Blick: «Im Sommer startet der Microlino von Scooter-Bauer Micro!» Drei Jahre später, im Sommer 2021, rollt aber immer noch keines der Elektro-Kleinstwagen im Stil der alten BMW Isetta über unsere Strassen. Der Grund: Um das höhere Produktionsvolumen zu stemmen, hatten Microlino von Micro-Scooter-Gründer Wim Ouboter und der italienische Produktionspartner Tazzari die Produktionsrechte im Herbst 2018 an den deutschen Sportwagenhersteller Artega verkauft.

In dessen Werk im nordrhein-westfälischen Delbrück sollten ab Anfang 2019 bis zu 8000 Stück der elektrischen Knutschkugel pro Jahr hergestellt werden – Artega investierte über drei Millionen Franken in neue Infrastruktur. Wie man heute weiss, tat dies Gründer und Geschäftsführer Klaus Dieter Frers nicht ohne Hintergedanken: Bereits kurz nach der Verlegung der Produktion von Italien nach Deutschland wollte Artega parallel zum Microlino auch den baugleichen E-Kleinstwagen Karo in Delbrück herstellen – ein Affront für Micro-Gründer Wim Ouboter und seine beim Microlino-Projekt involvierten Söhne Oliver und Merlin.

Jetzt kommt Microlino 2.0

Es folgten ein monatelanger Rechtsstreit samt aussergerichtlicher Einigung im November 2019: Artega darf zwar seinen eigenen Elektro-Kabinenroller bauen, die Rechte für den Microlino bleiben aber bei den Ouboters am Micro-Hauptsitz in Küsnacht ZH. Das Trio wollte seinen Traum vom Elektro-Stadtmobil auch nach dieser schwierigen Phase nicht begraben und stellte bereits im Frühjahr 2020 erste Bilder des Microlino 2.0 ins Web.

Bereits am Genfer Autosalon 2017 präsentierte Micro-Scooter-Erfinder Wim Ouboter aus Küsnacht ZH den ersten Prototyp des elektrischen Retro-Zwergs Microlino.
Foto: Philippe Rossier
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Auffälligste Neuerung: Der überarbeitete Microlino sieht deutlich erwachsener aus als die bisherigen Konzepte. Das dürfte zum einen an der leicht gewachsenen Höhe, zum anderen an den präsenter ausgeformten Schultern und den neu angebrachten LED-Leisten vorne und hinten liegen. Die markante Zweifarb-Lackierung beginnt ausserdem neu an der unteren Scheibenkante.

Sicherer und besser zu fahren

Doch besonders unterm Retro-Blech hat sich viel getan: Statt des bisherigen Gitterrohr-Rahmens besteht das Chassis nun aus stabilerem Stahlblech und Aluminium, die Karosserie ist selbsttragend und die Räder können aufgrund der um 50 Prozent verbreiterten Spur hinten nun einzeln aufgehängt werden. Die Vorteile der neuen Konstruktion: Höhere Crash-Sicherheit, besseres Fahrverhalten und grössere Stabilität. Ob die neue Konstruktion auch Einfluss auf Fahrzeuglänge (bisher 2,40 Meter) und Gewicht (mit Akku bisher 510 kg) hat, bleibt abzuwarten.

Auch Antrieb und Akku sollen verbessert worden sein, konkrete Daten liegen allerdings ebenfalls noch nicht vor. Bisher leistete der E-Motor im Heck des Microlino 15 kW (20 PS), womit maximal 90 km/h erreicht wurden. Die Reichweite variierte je nach Akkugrösse zwischen 120 und 215 Kilometern. Der Microlino soll weiterhin an jeder Haushaltsteckdose aufgeladen werden können.

Ein Kühlschrank mit Faltdach

Auch hinter der unkonventionellen «Kühlschrank-Tür» an der Front gibts Neuigkeiten: Die Lenksäule schwenkt nicht mehr wie bisher beim Öffnen mit auf, was zu einem verbesserten Lenkverhalten führen soll. Ausserdem soll der Innenraum noch etwas geräumiger werden. Cool bleibt er allemal: Neben dem Display hinter dem Sportlenkrad verläuft quer über das aufgeräumte Armaturenbrett ein Alurohr, an dem sich Smartphones, Lautsprecher und andere Gadgets anbringen lassen. Über ein kleines Display in der Mitte werden Funktionen wie die Klimaanlage gesteuert. Ausserdem erhält der Microlino 2.0 ein manuelles Faltdach, das bei den Premium-Versionen immer an Bord sein soll.

Gemäss Fahrplan der Ouboters sollte der Homologations-Prozess für die überarbeitete Neuauflage des E-Mobils noch diesen Juni starten, im August soll der Microlino dann die EU-Zulassung erhalten. Start der Produktion ist für September 2021 geplant, und zwar wiederum in Italien: Zusammen mit dem neuen Produktionspartner Cecomp aus Turin wurde soeben das Joint Venture Microlino Italia gegründet. Wenn alles klappt, könnten dann bereits Ende Jahr die ersten Microlino 2.0 weiterhin zu Preisen ab wohl 14'000 Franken zu uns rollen. Wir sind gespannt, ob der Elektrozwerg dann wirklich auf grosse Reise geht.

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