Interview mit dem Porsche-Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume
«Der Mission E ist ein echter Porsche»

2019 kommt der erste voll elektrische Porsche auf den Markt. Rund 20'000 pro Jahr sollen verkauft werden. Blick-Gruppe-Autochef Urs Bärtschi sprach mit dem Porsche-Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume über die Herausforderungen für die deutsche Traditionsmarke.
Publiziert: 16.12.2017 um 19:59 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:25 Uhr
Urs Bärtschi

Herr Blume, vor kurzem gab Alfa Romeo das F1-Comeback mit dem Sauber-Team bekannt. Viele würden auch Porsche gerne wieder in der F1 sehen.
Oliver Blume:
Wir haben in diesem Sommer den Ausstieg aus der LMP1-Prototypenklasse in der Langstrecken-WM bekannt gegeben. Gleichzeitig haben wir unseren Einstieg in die Formula E angekündigt. Das ist eine neue, grosse Herausforderung und passt produktseitig perfekt zu unserer neuen Strategie. Auch wenn es viele gerne hätten: Ein Einstieg in die Formel 1 mit einem eigenen Werksteam ist für Porsche derzeit kein Thema.

Wohin zielt die neue Strategie?
Elektromobilität gewinnt an Bedeutung. Wir werden 2019 mit unserem ersten rein elektrisch betriebenen Fahrzeug, dem Mission E, an den Start gehen.

Der Vorstandsvorsitzende von Porsche, Oliver Blume, (r.) im Gespräch mit dem Blick-Gruppe-Autochef Urs Bärtschi.
Foto: Werk

Trotzdem arbeitet Porsche zurzeit an einem Hocheffizienz-Verbrennungsmotor.
Stimmt, unsere Ingenieure haben einen solchen Prüfauftrag. Der Verwendungszweck sind zukünftige Porsche-Sportmotoren wie GT-Antriebe. Es ist eher ein Forschungsprojekt, wie wir es in der Vergangenheit schon öfter gemacht haben.

Der Mission E - hier die Studie - wird der erste rein elektrische Porsche. Er kommt 2019 auf den Markt und soll jährlich 20'000 Mal verkauft werden.
Foto: Werk

In der Schweiz wurden bereits getarnte Prototypen ihres Elektroautos Mission E gesichtet.
Wir testen in allen für uns relevanten Ländern – und wir sind sehr gut unterwegs. Der Mission E ist ein echter Porsche, und alle, die ihn bislang fahren konnten, sind begeistert.

Wo sehen Sie die Herausforderung bei der Digitalisierung?
In der Kunst, sich auf die richtigen Dinge zu konzentrieren. Wir digitalisieren nicht alles, was möglich ist, sondern das, was für Porsche-Kunden einen Nutzen bringt. Die Digitalisierung ist ein gutes Mittel, den Porsche noch komfortabler und noch besser zu machen.

PERSÖNLICH Nach dem Maschinenbau-Studium wurde der am 6. Juni 1968 in Braunschweig (D) geborene Oliver Blume als 26-Jähriger ins internationale Traineeprogramme der Audi AG aufgenommen. 1996 startete er dort als Planer im Karosseriebau/Lackiererei und übernahm 1999 die Leitung Karosseriebau des A3. 2001 promovierte er an der Uni von Shanghai zum «Doctor of Engineering» und wurde Vorstandsassistent Produktion bei Audi. Nach 5 Jahren bei Seat in Spanien wechselte Blume 2009 als Leiter Produktionsplanung zu Volkswagen. 2013 wurde er zum Mitglied des Vorstands der Porsche AG berufen und seit 2015 zum Vorsitzenden. Oliver Blume ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Foto: Werk

Mark Webber hilft Porsche-Kunden

Zum Beispiel?
Wir arbeiten konkret an individuell auf den Fahrer zugeschnittenen Applikationen sowie an einem Concierge-Service, der Reisen, Hotels oder Restaurants bucht, Einkäufe über das Internet erledigt, aber auch Karten für schon ausgebuchte Konzerte besorgen kann. Punkto autonomes Fahren wird es auch bei Porsche einen Stau- und Parkassistenten geben. Es geht uns aber immer um eine Porsche-typische Interpretation von neuen Möglichkeiten, wie etwa die «Mark Webber-App». Mit ihr kann der Fahrer komplett automatisiert, also ohne eigenes Zutun, über eine Rennstrecke fahren. Er lernt, wo die Ideallinie ist, wo sie bremsen, wo sie beschleunigen sollten. Danach fahren sie selbst. Sie können dann die beiden Aufzeichnungen übereinander legen und sehen, wo noch Verbesserungspotenzial besteht.

Haben Sie die «Mark-Webber-App» selbst schon mal ausprobiert?
Die Webber-App ist noch in der Entwicklung. Aber erste Prototypen durfte ich schon testen. Es war sehr aufregend. Man fragt sich natürlich immer, ob das Auto auch wirklich bremst oder in die Kurve einlenkt. Aber es funktioniert.

Wann gibts diese «App» zu kaufen?
Realistisch ist ein Zeithorizont von zwei bis vier Jahren. Es klappt bereits einwandfrei, aber wir müssen die Technik absichern und wir machen keine Experimente bezüglich Sicherheit. Zusätzlich wollen wir das System noch verfeinern, etwa beim Schalten und Beschleunigen.

Der Ex-F1-Pilot Mark Webber ist Namenspate für eine App von Porsche, die automatisiert Rennstrecken fährt.
Foto: Werk

Der Mission E

Zurück zur Elektrifizierung. Folgen dem Mission E weitere E-Modelle?
Der Mission E wird nicht das einzige E-Auto von Porsche sein. Die Plattform bietet weitere Optionen.

Auch ein elektrischer 911er?
2018 kommt die neue 911er-Generation. Die wird noch nicht elektrifiziert sein. Aber die Plattform ist vorbereitet, um in Zukunft einen Plug-in-Hybrid anbieten zu können. Für uns ist Plug-in-Hybrid eine sehr effiziente Brückentechnologie. Ein voll elektrischer 911 ist momentan aber nicht geplant.

Welche Stückzahlen erwarten Sie bei den voll elektrischen Fahrzeugen?
Beim Mission E rechnen wir zum Start mit rund 20'000 Fahrzeugen pro Jahr. Wir analysieren ständig unsere Märkte und das Interesse ist riesig. Vielleicht fällt die tatsächliche Produktionszahl dann gar etwas höher aus.

Wie siehts mit den Leistungsdaten des Mission E aus?
600 PS, von 0 auf 100 km/h in deutlich unter 3,5 Sekunden, eine Reichweite von 500 Kilometern und eine Ladezeit von 15 Minuten für 400 Kilometer (Anmerk. Red.: ca. 80 % Batterieladung). Das bietet zurzeit niemand. Porsche arbeitet mit einem 800 Volt-Netz, alle andern bieten zurzeit 400 Volt-Netze an. Gleichzeitig bauen wir zusammen mit anderen Autoherstellern intensiv die Ladeinfrastruktur aus. Bis 2019 werden allein in Europa 400 Schnellladeparks an den Hauptverkehrsachsen stehen, auch in der Schweiz.

Der Mission E - im Bild noch die Studie - wird laut Blume 600 PS und 500 Kilometer elektrische Reichweite haben.
Foto: Werk

Der Verbrenner

Elektroautos fehlt der für Sportwagen wichtige Motorsound. Was tun Sie dagegen
Alles, was Porsche macht, muss authentisch sein. Ich bin strikt gegen künstlichen Verbrennersound. Die Geräusche der Verbrennermotoren sind für uns Menschen einfach etwas Gelerntes. Der Sound hat aber keinen Einfluss auf die Performance eines Fahrzeugs. In zehn Jahren wird sich kein Mensch mehr darüber Gedanken machen.

Hat der Verbrenner bei Porsche ein Verfalldatum?
Überhaupt nicht. Wir nutzen diese Technologie so lange wir dürfen und so lange sie die Kunden mögen. Das macht Porsche auch aus. Wir haben viele Ideen, um den Verbrenner noch effizienter zu machen. Er hat noch eine grosse Zukunft. Je nach Land und Region wird es aber deutliche Unterschiede geben.

Ein grosses Thema sind neue Mobilitätskonzepte wie Flatrates für Autos.
Wir haben Pilotmodelle gestartet, um ein Gefühl für die Kundenwünsche zu bekommen. Aber auch um zu erfahren, was sich wirtschaftlich rechnet. Ein Beispiel ist das Projekt Passport in Atlanta/USA. Der Kunde kann für 2000 Dollar pro Monat aus acht Porsche-Modellen auswählen und jeden Tag wechseln. Mit dem Premiumpaket für 3000 Dollar kann er auf die gesamte Palette zugreifen. Dieses Modell wird verstärkt gebucht. Momentan haben wir 50 Kunden. 2018 schauen wir, wohin es geht. Wichtig ist, dass wir unsere Exklusivität bewahren. Wir wollen keinen Massenmarkt, sondern ganz genau das anbieten, was unsere Kunden sich wünschen.

Der Porsche 911 wird noch nicht elektrisch. Allerdings könnte er die Übergangslösung in Form eines Plug-in-Hybrid-Antriebs erhalten.
Foto: Werk

Der Diesel

Ein unerfreuliches Thema ist das Importverbot des Cayenne Diesel in der Schweiz.
Porsche hat bei internen Untersuchungen Unregelmässigkeiten in der Motorsteuerungssoftware bei Fahrzeugen des Typs Cayenne 3,0-Liter-V6-Diesel der Emissionsklasse Euro 6 festgestellt und diese aktiv dem deutschen Kraftfahrtbundesamt mitgeteilt. In Abstimmung mit der Behörde wurde daraufhin eine Umrüstung durch ein Software-Update im Rahmen eines Rückrufes vereinbart. Zwar baut und entwickelt Porsche selbst keine Diesel, aber wir übernehmen als Fahrzeughersteller natürlich die volle Verantwortung gegenüber unseren Kunden. Die bereits ausgelieferten Fahrzeuge werden seit Anfang November in die Werkstätten geholt und das kostenfreie Software-Update durchgeführt. Wir bringen die Vergangenheit in Ordnung und setzen gleichzeitig voll auf die Zukunft.

Hat der Diesel bei Porsche weiterhin eine Zukunft?
Ja. Natürlich denken wir darüber nach, wie wir weitermachen. Für viele unserer Kunden ist der Diesel gerade auf Langstrecken ein attraktives Aggregat und unschlagbar. Mit einem weltweiten Anteil von weniger als 15 Prozent spielt er bei uns aber traditionell eine untergeordnete Rolle.

Neuer Chef bei Porsche Schweiz

Michael Glinski übernimmt ab 1. Januar 2018 die Leitung von Porsche Schweiz. Er löst Stephan Altrichter ab, der seit 2010 die Geschicke von Porsche Schweiz leitete und das Unternehmen verlässt. Glinski fungierte die letzten sechs Jahre in der Zuffenhausener Porsche Zentrale als Leiter Region Westeuropa.

Michael Glinski übernimmt ab 1. Januar 2018 die Leitung von Porsche Schweiz. Er löst Stephan Altrichter ab, der seit 2010 die Geschicke von Porsche Schweiz leitete und das Unternehmen verlässt. Glinski fungierte die letzten sechs Jahre in der Zuffenhausener Porsche Zentrale als Leiter Region Westeuropa.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?