Grüne Alternative zu AKW
Solarstrom aus Dächern über der Autobahn

Innovative Idee aus der Schweiz: Mit Solar- und Windkraftanlagen überdachte Autobahnabschnitte sollen grünen Strom liefern und so den Wegfall der Atomenergie in den nächsten 20 Jahren kompensieren.
Publiziert: 03.08.2021 um 16:46 Uhr
Raoul Schwinnen

Wie weiter mit der Stromversorgung in unserem Land? Nach dem gescheiterten Rahmenabkommen mit der EU und der deshalb unsicheren Stromversorgung aus dem Ausland sowie dem geplanten Ausstieg aus der Atomenergie dürfte in den nächsten Jahrzehnten eine grosse Lücke in unserem Stromnetz entstehen.

Das in Baar ZG domizilierte junge Unternehmen Energypier hat einen Lösungsvorschlag. Es will in der Schweiz ganze Autobahnabschnitte mit Solarzellen überdachen und diese zu einem späteren Zeitpunkt mit Windkraftanlagen ergänzen.

Der Nutzen

Es gibt bereits zwei konkrete Projekte: eines im Wallis auf einem schnurgeraden, 1,6 Kilometer langen Abschnitt der A 9 bei Fully. Dort sollen 47’000 Solarpanels installiert werden, die jährlich rund 20 Gigawattstunden Strom generieren. Das zweite Projekt befindet sich im Kanton Zürich. Dort möchte Energypier die A 4 im Knonaueramt in drei Abschnitten auf einer Länge von insgesamt 2,5 Kilometern zwischen Affoltern am Albis, Mettmenstetten und Knonau mit Solarzellen überdachen. «Damit könnte man Strom für 20’000 Haushalte produzieren», verspricht der Neuenburger Energypier-Chef Laurent Jospin (53), der mit seiner Solar-Highway-Idee schon seit zwölf Jahren liebäugelt.

Diese Visualisierung zeigt, wie sich der mit Solarzellen überdachte Autobahnabschnitt der A 9 im Wallis bei Fully einst präsentieren könnte.
Foto: ServiPier AG
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Die Kosten

Allerdings sind solche Solardächer für Autobahnen teuer. Jospin schätzt die Kosten in Fully auf rund 40 Millionen Franken und für die im Zürcher Säuliamt projektierte, aufwendigere Anlage auf rund 75 Millionen Franken. Finanzieren sollen das in einer ersten Phase verschiedene private Investoren. Fürs Projekt im Wallis gäbe es bereits verbindliche Zusagen, verrät Jospin. Daneben hoffen er und seine Firma aber nicht zuletzt auch auf Investitionsbeiträge von Bund und den Kantonen.

Die Bewilligung

Neben der Finanzierung sind aber auch die notwendigen Bewilligungen eine Knacknuss für das Projekt. Zwar bestätigt das Bundesamt für Strassen (Astra) als Besitzer der Schweizer Autobahnen, dass man mit Energypier schon vor drei Jahren eine Vereinbarung zur Nutzung und Überdachung der A 9 in Fully abgeschlossen habe – fürs Säuliamt allerdings noch nicht. Das Astra verlangt, dass die geplante Solardachanlage weder die Verkehrs- noch die Betriebssicherheit der betroffenen Autobahnabschnitte beeinträchtigen darf.

Solarstrassen: Bislang ein Fiasko

Die Idee, das Strassennetz mittels Fotovoltaik als Stromspender zu brauchen, ist nicht ganz neu. Allerdings konzentrierte man sich bislang vor allem darauf, die dazu nötigen Zellen direkt in den Strassenbelag einzubauen. Das scheint aber nicht ganz unproblematisch. Gemäss «Spiegel» löste ein technischer Defekt auf Deutschlands erster Solarstrasse in Erftstadt bei Köln einen Schwelbrand aus. Und bei einer schon vor fünf Jahren in Betrieb genommenen Solar-Versuchsstrasse in der französischen Normandie zeigten sich bald Verschleisserscheinungen. Zudem produzierte sie weniger Strom als erhofft, sodass die französische Zeitung «Le Monde» gar von einem «Fiasko» schrieb.

Im Gegensatz zum Solardach gibts beim Fotovoltaik-Strassenbelag diverse technische Herausforderungen: die Oberfläche muss lichtdurchlässig, aber dennoch stabil, rutschfest und selbstreinigend sein. «Solche Solarbeläge dauerhaft griffig zu halten oder gar zu erneuern, wenn sie den Grip verlieren, ist schwierig und kostenintensiv», weiss ein Bauexperte. Daher ergibt es Sinn, sich eher auf Solarüberdachungen als Solarbeläge zu konzentrieren.

Solarpaneels als Strassenbelag hat sich bislang noch nicht bewährt.

Die Idee, das Strassennetz mittels Fotovoltaik als Stromspender zu brauchen, ist nicht ganz neu. Allerdings konzentrierte man sich bislang vor allem darauf, die dazu nötigen Zellen direkt in den Strassenbelag einzubauen. Das scheint aber nicht ganz unproblematisch. Gemäss «Spiegel» löste ein technischer Defekt auf Deutschlands erster Solarstrasse in Erftstadt bei Köln einen Schwelbrand aus. Und bei einer schon vor fünf Jahren in Betrieb genommenen Solar-Versuchsstrasse in der französischen Normandie zeigten sich bald Verschleisserscheinungen. Zudem produzierte sie weniger Strom als erhofft, sodass die französische Zeitung «Le Monde» gar von einem «Fiasko» schrieb.

Im Gegensatz zum Solardach gibts beim Fotovoltaik-Strassenbelag diverse technische Herausforderungen: die Oberfläche muss lichtdurchlässig, aber dennoch stabil, rutschfest und selbstreinigend sein. «Solche Solarbeläge dauerhaft griffig zu halten oder gar zu erneuern, wenn sie den Grip verlieren, ist schwierig und kostenintensiv», weiss ein Bauexperte. Daher ergibt es Sinn, sich eher auf Solarüberdachungen als Solarbeläge zu konzentrieren.

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Die Einsprachen

Was die Sache für Laurent Jospin und sein 15-köpfiges Team noch kniffliger macht: Das Einverständnis des Astra genügt nicht, damit Energypier mit dem Bau der Solardächer auf Schweizer Autobahnen starten darf. Vielmehr benötigt sie auch noch die Baubewilligungen der kantonalen und kommunalen Behörden – und dagegen sind natürlich öffentliche Einsprachen möglich. Genau deshalb spürt Jospin im Wallis noch Unsicherheiten und ein Zögern. Dennoch hofft er – das Einverständnis von Bund und Kanton vorausgesetzt –, für den Abschnitt im Wallis das Baugesuch Anfang 2022 einreichen zu können. Und auch mit dem Bau im Knonaueramt möchte Jospin lieber heute als erst morgen starten – «im Idealfall schon Anfang 2023», sagt er.

Der Bau

Laurent Jospin weiss, dass die Installation bei fortlaufendem Verkehr stattfinden muss. «Wir müssen so bauen, dass wir den Verkehrsfluss nicht stören.» Also würden für die Überdachung erst die Stützen erstellt und danach die Dachsolarmodule darübergezogen. «Dafür brauchen wir natürlich Installationsstellen mit direktem Zugang zur Autobahn», erklärt Jospin. Denn die 48 Meter breiten und zwölf Meter langen Module sollen vor Ort vorbereitet, dann über eine Rampe aufs Trägergestell hoch- und anschliessend weiter an ihren definitiven Bestimmungsort geschoben werden.» Ein Besuch mit Fotoapparat, Drohne und GPS-Messgerät kürzlich im Säuliamt erlaubt es Jospin nun, die anfallenden Baukosten genauer abzuschätzen.

Die Konkurrenz

Jospin und seine Energpier sind aber nicht alleine. In Deutschland, unweit der Schweizer Grenze an der A81-Raststätte Hegau-Ost, soll schon in diesem Herbst mit dem Bau einer Solardach-Testanlage begonnen werden. Dieses Projekt ist Teil der gemeinsamen Strassenbauforschung von Deutschland, Österreich und der Schweiz, an der sich unter anderen auch das Astra beteiligt. Dort sollen teiltransparente Solarmodule verwendet werden. Diese sind zwar etwas weniger effizient, lassen aber die Autofahrerinnen und Autofahrer nicht durch einen dunklen Tunnel fahren. Das sei allerdings auch bei seinem Konzept nicht so, betont Jospin: «Unsere Lösung, ähnlich einer beidseits offenen Galerie, bietet rund zweimal mehr natürliches Licht als die geplante Anlage in Deutschland.»

Dennoch dürften die Resultate dieser länderübergreifenden Testanlage nicht zuletzt auch entscheidenden Einfluss auf mögliche Projekte von Laurent Jospin und seiner Energypier in der Schweiz haben. Allerdings glaubt Jospin, dass seine Technik der Konkurrenz überlegen sei, und denkt schon weiter. Warum nur Schweizer Autobahnen mit Solarpanels überdachen? Das sollte doch auch im Ausland funktionieren.

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