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Geld verdienen mit IT statt PS
Autobauer wollen Google abhängen

Software, Daten und digitale Dienste werden für Autohersteller zur Überlebensfrage. Nun stecken sie Milliarden in die IT, um Apple, Google oder Tesla zu überholen. Einfach ist das nicht: Jüngst stockte bereits die Produktion – mangels genug Mikrochips.
Publiziert: 16.02.2021 um 02:30 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 17:03 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Die Zukunft der Autohersteller liegt nicht in Autos – sondern in der Software, den Daten und digitalen Dienstleistungen. Unfug? Keineswegs. Eine Untersuchung des renommierten Centers of Automotive Management (CAM) bilanziert, binnen zehn Jahren stammten 30 bis 40 Prozent der Gewinne im Autobusiness nur daraus.

Weshalb? Konkurrenzdruck und Milliarden-Elektroinvestitionen schmälern weiter die Renditen der Autos. Autonomes Fahren, stets online und geteilt, und digitale Geschäftsmodelle gelten als Zukunft. Autoriesen wie General Motors, Toyota oder Volkswagen treten also ausser gegen Tesla gegen Alibaba oder Apple, Alphabet (Google), Baidu (China) oder Waymo (Google-Spross für autonomes Fahren) an.

Angst vor dem Apple Car

Darum sendet bereits die Erwähnung eines möglichen Apple Car oder eines Autos von Google solche Schockwellen durch die Branche wie bereits Tesla. Der Zulieferer-Riese Continental (u.a. Pneus, Fahrwerk) beispielsweise will nun zum IT-Giganten werden. Aufsichtsratsboss Wolfgang Reitzle (71) wird im «Spiegel» zitiert, alte Autobauer hätten zu lange Spaltmasse verglichen, «anstatt Teslas Autos als das zu begreifen, was sie wirklich sind: rollende Datensammel-Plattformen.» Reitzle kennt die Branche, war Ex-Ford-PAG- (u.a. Jaguar) und BMW-Entwicklungschef.

Ob Alibaba, Apple, Baidu, Google (Bild) oder Waymo: Etablierte Autobauer müssen künftig gegen die Tech-Konzerne antreten.
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Öffentlich fast unbemerkt fliessen Milliarden in die IT. Software etwa gilt bereits in vielen Konzernen nach (zu?) langem Zögern als Kernkompetenz. Wie IT-abhängig alle sind, zeigte die Chip-Krise: Im Januar mussten mehrere Marken oder Hella (Zulieferer) Bänder stoppen – mangels Mikrochips! In der Corona-Absatzkrise hatten deren Hersteller auf andere Elektronik umgestellt. Analysten rechnen mit 2,2 Millionen Autos, die wegen des Hardware-Mangels 2021 nie gebaut werden.

VW will, BMW kann schon

Aber der Kern sind Software und Daten, Daten, Daten – etwa für autonomes Fahren. Als Vorbild gilt Tesla, weil der Zentralrechner sammelt, was in anderen Autos auf bis zu 50 Steuergeräte verteilt flöten geht. Manche Autobauer wollen alles, was Tesla, Google und Co. können, selbst können. Etwa Volkswagen. Dort sollen bis 2025 gut 10'000 IT-Leute nur am Auto-Betriebssystem Org werkeln. Doch jüngst zeigte sich bei geplanten Over-the-Air-Updates für den VW ID.3: Da gilt es viel aufzuholen. So muss der ID.3 für das erste Update in die Garage, danach soll es aber online gehen.

BMW ist da weiter. Nicht, weil im Herbst in München (D) ein Zentrum mit fast 5000 Entwicklern in Dienst ging. Sondern weil BMW schon kann, was Tesla kann: Over-the-Air-Updates oder Optionen auf Zeit etwa. So lässt sich am Markt punkten, Kundenzufriedenheit steigern und Geld verdienen.

Google ist längst im Auto

Andere wollen nur IT-Teilbereiche behalten. Wieder andere, etwa Volvo oder, wie jüngst angekündigt, Ford, holen freiwillig den Tech-Giganten Google an Bord: Im Infotainment arbeitet Googles Android Automotive OS (zuerst im Polestar 2). OS kann aber auch andere Dinge steuern. Verlockend ist das natürlich: Es spart massiv Geld und ist etwa in der Navigation besser als alle Eigensysteme. Damit hat Google aber alle Fäden in der Hand und möglicherweise auch die Gewinne.

Abgesehen von Datensicherheit und gehackten Autos: Experten glauben, dass sich die etablierten Autobauer IT-seitig zusammentun sollten – was unrealistisch scheint. Immerhin: Wenn die alten Grössen ihre Entwicklungsmacht einsetzen und in Konkurrenz wie einst bei den Autos zu Höchstform auflaufen, könnte das – derzeit zu beobachten bei Elektroautos – mehr bewegen, als man heute glaubt.

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