So ausgefeilt ist das Soundsystem im neuen Ferrari
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Redaktor Andreas Faust erklärt:So ausgefeilt ist das Soundsystem im neuen Ferrari

Erste Fahrt im neuen Ferrari Purosangue
Das höchste der Gefühle

Vier Sitze, Allrad und die Musikanlage ist beinahe so wichtig wie der Klang des V12: Die 725 PS des neuen Ferrari Purosangue beschleunigen gleich die ganze Familie. Aber man nenne ihn nicht SUV.
Publiziert: 12.03.2023 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2023 um 15:41 Uhr
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Echte Ferraristi müssen jetzt ganz stark sein. Denn das neuste Modell aus Maranello (I) hat vier richtige Türen, vier Sitze, Allradantrieb und – ein High-End-Soundsystem. Ob das beste der Welt, wie Ferrari behauptet, ist dabei sogar egal: Schon die Tatsache, dass ein V12-Motor aus dem Hause Ferrari jetzt gegen Beethoven oder die Beastie Boys ansingen soll, ist unfassbar. Was Firmengründer und V12-Fan Enzo Ferrari (1898–1988) dazu wohl gesagt hätte?

Definitiv einiges. Denn zusätzlich ist der neue Purosangue – italienisch für Vollblut, wie das Pferd im Firmenwappen – auch der höchste Ferrari aller Zeiten. Beinahe 1,60 Meter ragt er auf, bleibt in der Länge nur knapp unter der Fünfmeter-Marke und bietet gar 473 Liter Kofferraum. Einen SUV gäbe es bei ihm nur über seine Leiche, legte sich einst Konzern-CEO Sergio Marchionne (1952–2018) fest, als alle anderen Sportwagenbauer längst Modelle im Hochformat anboten. Tatsächlich ist das S-Wort bei Ferrari verboten – gerade gegenüber dem XXL-Ferrari Purosangue.

Sportwagen oder SUV?

Und man muss zugeben: Richtig so! Denn in der Silhouette gleicht der Vierplätzer eher dem einstigen GTC4 Lusso als einem Crossover. Dieser Beinahe-Kombi bot ab 2016 vier Plätze, riesige Türen und soll gar voll beladen vor Baumärkten gesichtet worden sein. Grössere Räder – vorne 22, hinten 23 Zoll – und mehr Bodenfreiheit lassen den Purosangue aber wuchtiger wirken.

Diesen Ferrari hätte es niemals geben sollen, wenn es nach Ex-CEO Sergio Marchionne (1952–2018) gegangen wäre. Ein SUV? Schien dem Chef undenkbar.
Foto: Lorenzo Marcinno
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Sitzprobe hinten: Die vier Türen schwingen gegenläufig auf, die hinteren sogar elektrisch. Die rückwärtigen Sitze gleichen den vorderen Sportsitzen aufs Haar, sind aber leicht erhöht montiert – das dürfte den Passagiermägen helfen, wenn dem Fahrer auf Bergstrassen die Pferde durchgehen. Sogar umklappen lassen sich die Rücksitzlehnen, dann passt in den Kofferraum mehr als genug Gepäck für drei Wochen Ferien zu zweit. Alltagstauglichkeit – eine ganz neue Anforderung für Ferraris Ingenieure.

Klang von allen Seiten

Vorne wirds dann geradezu luxuriös: Sitze und Türen werden mit Alcantara-Stoff überzogen, der zu 68 Prozent aus Recycling-Polyester besteht – auch Ferrari denkt nachhaltig. Das Lenkrad mit dem Fahrprogrammschalter namens Manettino gibts so ähnlich in allen Ferrari-Modellen. Neu sind aber die virtuellen Instrumente, der versenkbare Drehregler für Klima, Sitzposition und Massage in der Mitte und der zweite Screen ganz rechts, auf dem der Beifahrer schalten und walten kann. Gar nicht so einfach, weil die Menüführung nicht immer so ganz logisch ist und man auf den holprigen Strassen der Dolomiten (I) bei flotter Fahrt kaum die Icons trifft. Navi? Gibts nur per Smartphone-Kopplung, denn Google und Co. seien viel genauer als jedes eingebaute.

Trotzdem ein ganz neues Ferrari-Gefühl im Cockpit. Auch, tatsächlich, dank des Soundsystems vom Edel-HiFi-Anbieter Burmester aus Berlin (D). Vom ersten Karosserieblech an waren dessen Ingenieure bei der Entwicklung dabei, um jede störende Schwingung zu eliminieren. Mit 21 Lautsprechern und 1420 Watt Leistung deckt die Anlage jetzt gegen alle Fahrgeräusche gnadenlos die Schwächen jeder Musikaufnahme auf. Trotzdem grollt der V12 unter der riesigen Fronthaube immer präsent mit.

Irre Leistung, aktives Fahrwerk

Alles andere wäre für einen Ferrari auch nicht akzeptabel. Den 6,5-Liter kennt man teils aus dem 800 PS starken Ferrari 812. Im Purosangue wirkt er trotz höherem Einspritzdruck mit 725 PS etwas entspannter, aber tönt genauso grossartig bis zum Kreissägenkreischen knapp vor dem nächsten Gangwechsel. Motor vorne und das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe hinten sorgen für perfekte Gewichtsverteilung im Verhältnis 49:51. Siebter und achter Gang werden besonders lang übersetzt für tiefe Drehzahlen bei Autobahntempo. Für jedes Rad passt je ein 48-Volt-Elektromotor 20-mal in der Sekunde den Luftfederweg an, um das Gewicht von zwei Tonnen im Zaum zu halten. Und die Hinterräder lenken um ein bis drei Grad, mit oder bei tiefem Tempo gegen – das bringt Fahrstabilität und hilft in engen Kurven.

Ferrari Purosangue

Antrieb: 6,5-l-V12-Benziner, 725 PS (533 kW), 716 Nm maximal, 650 Nm@4300–7750/min, 8-Gang-Automat (Doppelkupplung), adaptiver Allradantrieb.
Fahrleistungen: 0–100 km/h 3,3 s, Spitze über 310 km/h
Masse: L/B/H 4,97/2,03/1,59 m, Leergewicht 2033 kg, Laderaum 473 l
Umwelt: WLTP 17,1 l/100 km = 389 g/km CO₂, Energie k.A.
Preise: ab 409'000 Fr.

Antrieb: 6,5-l-V12-Benziner, 725 PS (533 kW), 716 Nm maximal, 650 Nm@4300–7750/min, 8-Gang-Automat (Doppelkupplung), adaptiver Allradantrieb.
Fahrleistungen: 0–100 km/h 3,3 s, Spitze über 310 km/h
Masse: L/B/H 4,97/2,03/1,59 m, Leergewicht 2033 kg, Laderaum 473 l
Umwelt: WLTP 17,1 l/100 km = 389 g/km CO₂, Energie k.A.
Preise: ab 409'000 Fr.

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Die angetriebene Vorderachse gabs so schon im GTC4 Lusso und dessen Vorgänger FF: Sie wird per Zweiganggetriebe (plus Rückwärtsgang) nur angehangen, wenn's nötig ist und auch nur maximal bis zum vierten Gang – dann übernimmt die Hinterachse wieder allein. Weil die präparierte Test-Schneepiste grossteils dahinschmolz, liess sich das nur kurz als Beifahrer ausprobieren. Mehr als eine leichte Unterstützung bei tiefem Tempo gewährt der Allrad kaum, das Heck tänzelt dennoch – aber bei mehr Schnee und Eis sicher sinnvoll. Und noch ein Argument: Der Purosangue ist definitiv kein SUV.

Bestseller mit Wartezeit

Umso beeindruckender fegt der Vierplätzer auf der Testrunde um die Kurven – weniger tänzelnd als andere Ferraris, aber genauso unwiderstehlich. Auf den engen Pässen limitiert eher der Fahrer als das Auto – rechts vorne ahnt man kaum die Fahrzeugecke und lässts deshalb zur Sicherheit lieber etwas langsamer angehen. Zumal man sich erst dran gewöhnen muss: Der Purosangue ist ein ziemlich grosses Auto für einen Ferrari. Aber endlich kann man mal zu viert um die Kurven fetzen.

Das findet auch die Fangemeinde: Über 2000 Exemplare des Purosangue sollen pro Jahr gebaut werden – und die ersten zwei Jahre sind schon ausverkauft, trotz eines Preises von mindestens 409'000 Franken. Sorry, Enzo Ferrari: Offenbar haben die Anhänger auf genau dieses Auto gewartet.

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