Dieser Maserati soll dem Porsche Macan die Stirn bieten
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Blick hat ihn schon gefahren:Dieser Maserati soll dem Porsche Macan die Stirn bieten

Erste Fahrt im Grecale
Der Rettungswagen von Maserati

Der Grecale soll es richten bei Maserati, um endlich mal den Absatz hochzufahren. Bei der ersten Probefahrt im getarnten Prototyp staunen wir: Der Grecale macht nicht nur Spass und hat Platz, sondern traut sich einen enormen digitalen Schritt.
Publiziert: 28.11.2021 um 10:58 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2021 um 14:44 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Maserati pfeift ein kalter Wind um den Dreizack im Kühlergrill: Wie so oft in der Geschichte sind die Absatzzahlen der italienischen Traditionsmarke bescheidener als einst zweckoptimistisch geplant – und nein, dies nicht erst seit Corona. Doch im Stellantis-Konzern ist Maserati oberhalb Alfa Romeos die einzige Luxusmarke im Haus – also in jenem Segment, in dem noch fette Margen locken. Und darf darum tüchtig investieren. Ob in den Renner MC20 oder jetzt in den neuen SUV.

Die Absatzerlösung bringen soll ein kühler Wind: Der Grecale pfeift über Inseln des Mittelmeers, sein automobiler Namensvetter im italienischen Balocco als getarnter Prototyp über die hauseigene Teststrecke. Unitalienisch kühl ist es hier und heute, italienisch heiss will der Grecale sein. Eigentlich wollte Maserati den Absatz-«Rettungswagen» ja dieser Tage enthüllen. Dann kam der Halbleiter-Mangel. Um den Start nicht zu verpatzen, fällt die Hülle nun im Frühjahr 2022.

Maserati wird voll digital

Der Grecale ist mit 4,85 Meter Länge 15 Zentimeter kürzer als der Levante und tummelt sich im Segment etwa des BMW X4, vor allem aber des Porsche Macan. Er steht auf derselben Basis wie Alfa Romeos Stelvio, aber um acht Zentimeter Radstand gestreckt. Das spürt man hinten: Tür auf (Sensorknopf statt Griff) – und schön viel Platz. Am Knie bleibt eine Handlänge, oben eine Handbreit Luft.

Wie so viele Maseratis ist auch dieser nach einem Wind benannt: Der neue SUV, der im Frühjahr enthüllt wird, heisst Grecale.
Foto: Maserati
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Der Laderaum fasst 535 Liter – ein Family-Masi quasi. Vorne drin ist alles noch geheim. Im Lenkrad Knöpfe, darunter Starter und Fahrmodi («Comfort», «GT», «Sport», «Offroad»). Tarnung lupfen: Ui – Maserati, Hort der Tradition, traut sich digital! Digi-Instrumente, in der Mitte oben gar eine coole digitale Interpretation der klassisch analogen Uhr. Über das Zifferblatt laufen die Sekunden wie bei einem Radar. Darunter ein gebogenes Glas: oben darin der Touchscreen für Navi und Co., dann (echte!) Tasten des Automaten – und unten ein Mini-Monitörli.

Fühlt und hört sich gut an

Letzterer steuert etwa Licht, Klimaanlage oder Luftfederung (Option). Wir sind skeptisch – siehe unseren Kommentar «Gebt uns unsere Knöpfe zurück». Aber hier ist es besser gelöst als üblich: Klare virtuelle Direkt-«Tasten» ersparen das lange ablenkende Suchen in Menüs. Ebenfalls zu spüren: Beim Ambiente will Maserati Fehler von früher – wir erinnern uns an Interieurs der 2000er-Jahre mit Passungen wie bei Laubsäge-Arbeiten – nie mehr wiederholen. Alles fühlt sich wirklich edel an und sieht auch nobel aus mit feinem Holz und edlem Leder.

Jetzt aber los: Der Startknopf weckt den Zweiliter-Vierzylinder-Mildhybriden, den man vom Ghibli kennt. Im Grecale bildet er mit 300 PS (221 kW) die Basis und ist an Acht-Gang-Automat und 4x4 gekoppelt. Neben dem Turbo gibt es gegen das «Turboloch» den Druck machenden E-Verdichter im 48-Volt-Netz. In Zahlen: 450 Nm bei 2000 bis 4000/min, 5,6 Sekunden auf 100 km/h, 240 km/h Spitze. Verbrauchswerte gibt es derzeit noch so wenig wie Auskunft zu den Preisen.

Vier oder sechs Zylinder

Der Mildhybride «ersetzt auch den Diesel», sagt Grecale-Chefentwickler Raniero Bertizzolo (48). Und später noch Plug-in-Hybrid? «Nein, des Gewichts wegen.» Derzeit liegt der Grecale bei 1870 Kilo. Zu weiteren Antrieben lässt sich Maserati noch wenig entlocken, aber man hört zwischen den Zeilen: Der neue V6 kommt, ein V8 nicht. Der Zweiliter hat sicher auch noch Luft nach oben. Und es folgt, da darf man sicher sein, was Vollelektrisches – vielleicht aber auf anderem Chassis.

Startknopf im «zu 85 Prozent dem Serienstand entsprechenden» (Bertizzolo) Prototyp drücken. Hörbar, aber unaufdringlich meldet sich der Vierzylinder zu Wort. Weil die Prüfstrecke mit Wechselbelägen heute nass und sehr rutschig ist, dürfen wir den millionenteuren Prototypen leider nicht in «Sport» testen. Also «Comfort». Der Name passt, sehr geschmeidig, der Automat weich. Harmonisch. Das war bei Maserati echt nicht immer so, aber im Grecale scheint alles stimmig.

Er darf sogar rülpsen

Jetzt «GT» und mit den Alu-Paddels schalten. Nun tritt der SUV spontan an, lässt die Gänge im Eiltempo ruckfrei flutschen, bleibt aber geschmeidig. Ausgangs der Kurve darf beim Gasgeben das Heck (gefahrlos) zucken, während still zentrale Elektronik wacht. Ja, der macht Laune! Was uns besonders gefällt: Die Lenkung geht leicht (in «Sport» wären Lenkung wie Federung straffer), aber exakt. Der Grecale wirkt irgendwie schön mühelos, verleugnet Grösse und Gewicht – und ja, vier Zylinder reichen. Zumal der Sound stimmt: In «Comfort» unaufdringlich, in «GT» röhrig und mit frechen Rülpsern – besser, als man Vierzylindern zutraut.

«Wir wollten einen deutlichen Schritt vorangehen, ohne die Werte von Maserati zu verwässern – und ein geschmeidiges Alltagsauto, mit dem man trotzdem echte Sportlichkeit erlebt», hatte Bertizzolo gesagt. Unser erster Eindruck bei aller Vorsicht angesichts nur kurzer Fahrt im Erlkönig: Mission offenbar erfüllt.

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