Ist der Diesel am Ende?
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Schweizer Forscher erklärt:Ist der Diesel am Ende?

Empa-Antriebs-Experte Christian Bach im Interview
«Der Diesel hilft beim Klimaschutz»

Seit dem VW-Dieselskandal 2015 hat der Ruf des Selbstzünders in der Öffentlichkeit enorm gelitten. Experte Christian Bach von der Empa erklärt, warum wir den Diesel trotzdem brauchen und warum er einst gar so CO2-arm betrieben werden kann wie ein Elektro-Auto.
Publiziert: 08.07.2019 um 16:54 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2020 um 09:27 Uhr
Andreas Engel

Herr Bach, sind Diesel wirklich dreckiger als Benziner?
Christian Bach:
Der Diesel hat zwei Probleme: Auf der einen Seite die Stickoxid-Emissionen (NOx), die in der Vergangenheit nicht in dem Ausmass zurückgegangen sind, wie gedacht. Auf der anderen Seite die CO2-Emissionen. Allerdings sind die neuen Euro-6d-Diesel deutlich sauberer und bewegen sich inzwischen teils auf gleichem Niveau wie Benziner. Bei den CO2-Emissionen hat der Diesel systembedingt durch seinen höheren Wirkungsgrad Vorteile. Allerdings stellen wir fest, dass dieser Vorteil etwa bei kleineren Fahrzeugen kleiner wird oder gar ganz verschwindet.

Wie viel sauberer sind moderne Diesel im Vergleich zu älteren?
Die neuen Diesel sind bei den Stickoxid-Emissionen im Extremfall um das zehnfache sauberer. Wir haben Werte bei Euro-6b-Fahrzeugen auf der Strasse gemessen – Autos also, die heute zwei bis vier Jahre alt sind – die bei über 1000 mg NOx pro Kilometer lagen! Die neuen Euro-6d-Temp oder Euro-6d-Diesel liegen aber im Bereich von 100 mg NOx pro Kilometer oder noch tiefer.

Brauchts den Diesel weiterhin auf unseren Strassen?
Ja. Bei der Analyse des Mobilitätsverhaltens sehen wir, dass die 30 Prozent der längsten Fahrten im PW-Verkehr für etwa 70 Prozent der Fahrleistungen verantwortlich sind. Mit anderen Worten: Die Langstrecken-Mobilität ist überdurchschnittlich relevant für die CO2-Emissionen. Und in diesem Umfeld hat der Dieselmotor heute ganz klar eine hohe Dominanz. Wenn er nun ersetzt würde, etwa durch Plug-in-Hybride oder Benzin-Fahrzeuge, würden sich die CO2-Emissionen massiv erhöhen. Deshalb wird der Diesel auch bei den PW insbesondere im Langstrecken-Bereich notwendig bleiben. Er muss aber auf erneuerbaren Diesel umgestellt werden, um den CO2-Ausstoss weiter zu mindern.

Christian Bach ist Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa in Dübendorf ZH.
Foto: Andreas Engel
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Wie sieht der Dieselmotor der Zukunft aus?
Ich sehe zwei Schwerpunkte, die man auch wieder in Abgasemissionen und CO2 unterscheiden kann. Bei den Abgasemissionen wird es weitere Verschärfungen geben. In Kalifornien etwa wurde angekündigt, die Stickoxid-Grenzwerte für Lastwagenmotoren nochmals um das zehnfache abzusenken. Wir denken, dass auch in Europa weitere Grenzwert-Absenkungen kommen. Das ist für den Diesel technisch sehr anspruchsvoll. Konkret können wir uns vorstellen, dass es beim PW ein zweites SCR-Abgasreinigungssystem in Serie zum ersten SCR-System braucht. Das erhöht die Komplexität, braucht mehr Platz, wird schwerer und teurer. Deshalb dürfte der Dieselantrieb aufgrund der Abgasgesetzgebung in Zukunft unterhalb er Mittelklasse verschwinden.

Und bei grösseren Fahrzeugen?
Dort ist der Kostendruck etwas geringer. Deshalb wird man bei grösseren Fahrzeugen die Abgasproblematik in den Griff bekommen. Das CO2 wird man allerdings nicht mit einem Katalysator reduzieren können. Um die CO2-Ziele zu erreichen, muss der fossile Diesel auf erneuerbaren Diesel umgestellt werden. In einer ersten Phase könnte das biogener Diesel aus Biomasse sein. Das Potenzial ist zwar relativ begrenzt, aber er ist vergleichsweise kostengünstig. Mittelfristig muss synthetischer Diesel ins Spiel kommen. Solcher Diesel wird aus überschüssigem, erneuerbarem Strom erzeugt und ist sehr CO2-arm – damit können Dieselfahrzeuge ähnlich CO2-arm werden wie ein Elektrofahrzeug, das mit erneuerbarem Strom betrieben wird.

Hilft der Diesel beim Klimaschutz?
Ja, wenn er erneuerbar wird. Das gilt aber für alle Antriebskonzepte. Fossil betriebene Fahrzeuge bringen keine CO2-Minderung, auch wenn man auf andere Antriebssysteme wechselt. Der Wechsel von fossiler auf erneuerbare Energie ist der eigentliche Hebel für die CO2-Reduktion, bei dem wir ansetzen müssen. Das ist beim Diesel zwar nicht ganz einfach, aber machbar.

Für viele vielleicht die wichtigste Frage: Darf ich heute noch einen Diesel kaufen?
Wenn jemand primär in der Stadt fährt oder Kurzstrecken, würde ich keinen Dieselmotor empfehlen, weil der Partikelfilter hohe Temperaturen zum Regenerieren braucht. Und die erreicht man eigentlich nur auf der Autobahn. Auf der anderen Seite gibts wenig Alternativen zum Diesel, wenn man viele Langstrecken fährt oder hohe Lasten transportieren muss. Dort ist der Diesel einfach unschlagbar.

Müssen wir bei neuen Dieselmotoren mit höheren Kosten rechnen?
Ja, weil – wie schon gesagt – die Abgasnachbehandlung technologisch anspruchsvoll ist. Heute schon ist allein der Dieselmotor etwa doppelt so teuer wie ein vergleichbarer Benziner – und die Abgasnachbehandlung kostet nochmals so viel wie der Dieselmotor selbst! Diese Tendenz wird sich in Zukunft eher noch verstärken. Allerdings wird auch der Benzinmotor teurer, da er nun ebenfalls einen Partikelfilter braucht und die Hybridisierung – 48-Volt-Mildhybride oder Vollhybride – ein stärkeres Thema ist als beim Diesel. Das treibt die Kosten natürlich ebenfalls in die Höhe.

Welchen Antrieb soll man heute wählen, wenn man sauber in die Zukunft fahren will?
Grundsätzlich macht es keinen Sinn, ein zu grosses oder übermotorisiertes Fahrzeug zu kaufen. Das erhöht nur den Verbrauch, und bringt im Alltag wenig, da man die Leistung in der Regel nicht ausnutzen kann. Ich würde ein Antriebskonzept wählen, das dem typischen Einsatzprofil am besten entspricht. Also innerstädtisch etwa ein Elektroauto, im gemischten Verkehr ein Gasfahrzeug und auf der Langstrecke einen Diesel. Und natürlich kommts auch darauf an, ob man etwa eine Gastankstelle in der Nähe hat, die Möglichkeit besteht, eine Elektro-Ladestation zu Hause zu installieren oder ob ein Händler in der Nähe diese Produkte anbietet. Deshalb gibts aus meiner Sicht keine allgemeingültige Antwort, aber man sollte beim Autokauf sicher das Umfeld und das Einsatzprofil berücksichtigen.

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