CO2-Lenkungsabgabe
Kohle für Kohlendioxid

Die ab 1. Januar 2020 gültige Senkung des CO2-Grenzwerts von 130 auf 95 Gramm pro Kilometer setzt die Autobranche gehörig unter Druck. Den Herstellern und den Schweizer Importeuren drohen massive CO2-Bussen, uns Konsumenten höhere Autopreise.
Publiziert: 10.07.2019 um 23:48 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2021 um 21:08 Uhr
Raoul Schwinnen

Vor sieben Jahren schien die Schweizer Autowelt dem Untergang geweiht: Der Bund führte den Grenzwert von 130 Gramm CO2-Ausstoss pro Kilometer ein, den eine Automarke im Schnitt aller neu verkaufter Fahrzeuge erreichen muss. Dass es unserer Landesregierung ernst damit war, bewies sie mit der bei jedem Gramm darüber liegenden Lenkungsabgabe (sprich Busse) für die Autoimporteure.

Grenzwert sinkt auf 95 Gramm

Untergegangen ist die Autobranche seither nicht. Die vom Bund erhobenen Bussen bewegten sich, entgegen den Befürchtungen der Branche, bislang in einem erstaunlich moderaten Rahmen (siehe Box). Doch wird sich dies ab nächstem Jahr ändern. Ab 1. Januar 2020 folgt die Schweiz erneut der EU und senkt den Grenzwert von bisher 130 auf neu 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Zudem wird erstmals auch für leichte Nutzfahrzeuge (Lieferwagen und leichte Sattelschlepper) ein Grenzwert (147 g/km) eingeführt. Erneut drohen den Autoimporteuren hohe Sanktionszahlungen.

CO2-Busse in der Schweiz

Jahr Summe in Fr.
2012 3,5 Mio.
2013 5,1 Mio.
2014 1,7 Mio
2015 12,6 Mio
2016 2,4 Mio.
2017 2,9 Mio.
2018 31,7 Mio.

Meilenweit vom Grenzwert weg

Und diesmal dürften sie nicht so glimpflich davonkommen. Denn das Bundesamt für Energie veröffentlichte letzte Woche die aktuellen Schadstoffzahlen fürs Jahr 2018. Schockierend: Statt zu sinken, stieg im letzten Jahr der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoss neuer Personenwagen in der Schweiz von 134,1 Gramm auf 137,8 Gramm. Die Industrie ist gegenwärtig also meilenweit vom ab 2020 gültigen Grenzwert von 95 Gramm entfernt. Interne Rechenspiele bei einem deutschen Importeur zeigen, dass eine Busse von über 25 Millionen Franken fällig würde, wenn man die Verkäufe aus dem Jahr 2018 unter dem neuen 2020er-Grenzwert betrachtet.

Statt runter ist im letzten Jahr der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoss neuer PW in der Schweiz wieder gestiegen. Trotz dem aktuell gültigen Grenzwert von 130 g/km auf 137,8 g/km.
Foto: Timothy Pfannkuchen
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Inselstaat Schweiz

«Zu grossen Teilen ist dieser Rückschlag auf die Einführung des neuen Prüfzyklus WLTP zurückzuführen», versucht Andreas Burgener, Direktor der Importeursvereinigung Auto-Schweiz, den CO2-Anstieg zu erklären. Die strengeren – man könnte auch sagen: praxistauglicheren – Testbedingungen lieferten höhere Verbrauchs- und damit auch CO2-Werte als das vorherige NEFZ-Verfahren. Die Schweizer Importeure stossen sich zudem daran, dass sie im Gegensatz zur EU den ab 1. Januar 2020 geltenden Grenzwert alleine erreichen müssen. Burgener: «Der EU-Flottenwert pro Marke wird dagegen über alle EU-Mitgliedstaaten gebildet. Selbst Nicht-EU-Länder wie das Elektro-Land Norwegen oder Island lassen sich dabei einbeziehen.» In der Schweiz verfügen im Schnitt neue PW über mehr Leistung als in den Nachbarländern, zudem hat kein EU-Mitglied auch nur annähernd einen ähnlich hohen 4x4-Marktanteil wie unser Land. «Das treibt den CO2-Schnitt halt nach oben», so Burgener.

Phasing-in und Supercredits

Immerhin berücksichtigt der Bundesrat die marktspezifischen Besonderheiten, in dem er den Schweizer Autoimporteuren besondere Einführungsmodalitäten (siehe Tabelle) gewährt. Das sogenannte «Phasing-in» regelt zum einen, welcher Anteil der Fahrzeugflotte eines Importeurs in einem Jahr den neuen Zielwert erreichen muss. Zum anderen zählen besonders effiziente Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoss von weniger als 50 g/km während einiger Jahre mehrfach. Diese Faktoren, die vor allem E-Fahrzeuge und Plug-in-Hybride betreffen, nennen sich Supercredits.

Neue Preispolitik?

Man darf gespannt sein, wie die Branche die drohenden CO2-Millionen-Strafzahlungen verhindern will. Denn so schnell dürften sich Frau und Herr Schweizer wohl nicht zum Umstieg auf alternative Antriebe oder kleinere, verbrauchsgünstigere Autos bewegen lassen. Möglicherweise auch dann nicht, wenn die Branche die Lenkungsabgabe vermutlich auf die Verkaufspreise draufschlägt und so unsere Autos bald teurer werden dürften.

Einführungsmodalitäten für neuen Grenzwert

Jahr Phasing-in Supercredits
2020 85 Prozent 2,00
2021 90 Prozent 1,67
2022 95 Prozent 1,33
2023 100 Prozent 1,00
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