Amag-CEO Helmut Ruhl im Interview
«Wir reduzieren, eliminieren und kompensieren»

Seit März steht der Deutsche Helmut Ruhl als CEO an der Spitze der Amag und stellt dort die Weichen für eine nachhaltige Zukunft. Bis 2025 will die Amag klimaneutral arbeiten. Wie, das verrät er im Interview.
Publiziert: 29.08.2021 um 15:01 Uhr
Interview: Raoul Schwinnen

Herr Ruhl, seit wann sind Sie in der Schweiz?
Helmut Ruhl: Ich kam im Sommer 2017 zur Amag und wieder in die Schweiz. Doch das war nicht das erste Mal. Für meinen früheren Arbeitgeber war ich schon von 2007 bis 2010 in diesem schönen Land.

Während Corona eine neue Führungsposition anzutreten, ist nicht einfach. Als früherer Finanzchef sind sie nun ganz an der Spitze der Amag. Wie gut haben Sie sich in Ihre neue Rolle eingelebt?
Obwohl ich die Amag bei meinem Antritt als CEO schon gut kannte, machte ich im ersten halben Jahr einige Schnupperlehren – im Lager, in der Werkstatt, bei Porsche oder bei Europcar. Dabei spürte ich die Begeisterung unserer Mitarbeitenden, das war beeindruckend. Neu sind für mich Kundenbesuche, seien es Privat- oder Geschäftskunden, und der Austausch in den Verbänden und mit der Politik. Also viele neue Impulse für meine neue Aufgabe.

Sie stellen bei der Amag die Weichen für eine nachhaltige Zukunft und wollen als erstes Autounternehmen der Schweiz bis 2025 klimaneutral sein. Wie möchten Sie das schaffen?
Durch Reduzieren, Eliminieren und – wo nötig – Kompensieren. Zunächst elektrifizieren wir unsere Dienst- und Einsatzwagen. Dann erzeugen wir unseren Strom künftig stärker selbst: Die Amag-Gruppe wird in den kommenden Jahren den Ausbau von Solaranlagen an den eigenen Standorten forcieren. Alleine 2021 wurden oder werden vier Standorte ausgerüstet. Wir haben bis 2024 konkrete Massnahmen beschlossen und insgesamt ein Potenzial für Fotovoltaikanlagen von 150’000 Quadratmetern. Das entspricht der Fläche von rund 20 Fussballfeldern oder dem jährlichen Strombedarf von 10’000 E-Fahrzeugen. Weiter werden bei Neubauprojekten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt und bei Bestandsbauten wurde eine Roadmap zur energetischen Sanierung erstellt. Ausserdem passen wir unsere Prozesse an: Transportwege und -mittel in der Logistik werden laufend optimiert. So kommen etwa bereits heute 70 Prozent der Originalteile per Bahn. Und an unseren Garagenstandorten stellen wir beispielsweise sukzessive auf neue Lackieranlagen um, die mit ganzjähriger Wärmerückgewinnung und intelligenter Steuerung rund 50 Prozent weniger Energie verbrauchen.

Seit März steht der Deutsche Helmut Ruhl als CEO an der Spitze der Amag.
Foto: Raoul Schwinnen
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Die Amag will zudem bis 2040 einen klimaneutralen Fussabdruck gemäss Net Zero erreichen. Dazu müssten Sie ja über 90 Prozent der heutigen Emissionen reduzieren. Wie soll das gehen?
Um einen klimaneutralen Fussabdruck zu erreichen, müssen wir vor allem den CO2-Ausstoss der Kundenfahrzeuge im Betrieb, die Emissionen unserer Mitarbeitenden von und zur Arbeit oder bei Geschäftsreisen senken. Da hilft uns das Produktprogramm unserer Marken. Für 2025 wollen wir einen Marktanteil von 50 Prozent bei den Steckerfahrzeugen – Elektro und Plug-in – und 2030 mehr als 70 Prozent erreichen. Die E-Fahrzeuge kommen heute schon bilanziell CO2-neutral in die Schweiz und mit dem CO2-armen Schweizer Strommix ist elektrisch fahren hier eine saubere Sache. Bis 2040 gehen wir davon aus, dass dann alle verkauften Fahrzeuge elektrisch sind.

Helmut Ruhl, CEO Amag Group AG

Helmut Ruhl ist 1969 in Deutschland geboren und in Franken aufgewachsen. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium an der Uni Würzburg stieg er direkt in die Autobranche ein. Von 2005 bis 2007 war er CFO bei Daimler-Chrysler in Prag, von 2007 bis 2010 CFO bei Mercedes-Benz Schweiz in Schlieren ZH und von 2010 bis 2014 bei Daimler North East Asia in Peking. Seit 2017 ist Helmut Ruhl bei Amag Group AG (u.a. Audi, Bentley, Cupra, Seat, Skoda, VW und VW Nutzfahrzeuge sowie Europcar und Clyde), erst als CFO und seit 1. März 2021 als CEO. Ruhl ist verheiratet, Vater von zwei Töchtern und lebt in Küssnacht am Rigi SZ.

Helmut Ruhl ist 1969 in Deutschland geboren und in Franken aufgewachsen. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium an der Uni Würzburg stieg er direkt in die Autobranche ein. Von 2005 bis 2007 war er CFO bei Daimler-Chrysler in Prag, von 2007 bis 2010 CFO bei Mercedes-Benz Schweiz in Schlieren ZH und von 2010 bis 2014 bei Daimler North East Asia in Peking. Seit 2017 ist Helmut Ruhl bei Amag Group AG (u.a. Audi, Bentley, Cupra, Seat, Skoda, VW und VW Nutzfahrzeuge sowie Europcar und Clyde), erst als CFO und seit 1. März 2021 als CEO. Ruhl ist verheiratet, Vater von zwei Töchtern und lebt in Küssnacht am Rigi SZ.

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Erreicht die Amag die von Ihnen versprochenen Umweltziele nicht, wird dann finanziell kompensiert?
Wir haben uns bis 2025 eine CO2-Reduktion um mindestens 30 Prozent gegenüber 2019 vorgenommen. Und den Rest der Emissionen werden wir ab 2025 kompensieren. Wir führen aber auch einen internen CO2-Preis ein. Die CO2-Emissionen unseres Unternehmens in den Jahren bis 2025 werden mit diesem Preis bewertet und damit ein interner Klima- und Innovationsfonds finanziert. Dieser Fonds wird rund zehn Millionen Franken enthalten und vorzugsweise in Schweizer Start-ups investiert, die im Bereich Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung forschen und neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Die VW-Stromer ID.3 und ID.4 sind nun auf dem Markt. Auch weitere Amag-Marken bieten E-Fahrzeuge an. Dennoch zahlte die Amag im letzten Jahr mit Abstand am meisten CO2-Strafsteuer in der Schweiz. Warum?
Sie sprechen von der Lenkungsabgabe, die die Emissionsgemeinschaft der Volkswagen-Gruppe in der Schweiz entrichten musste. Wir haben ein einzigartiges Produktportfolio, und die Amag wird mit den ihr zur Verfügung stehenden Vertriebsinstrumenten der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen. Wir sehen bei unseren Kunden eine sehr grosse Nachfrage nach den in diesem Jahr neu lancierten 15 Steckerfahrzeugen all unserer Marken. Die Amag-Gruppe als Unternehmen hat sich zudem klare Klimaziele gesetzt und konkrete Massnahmen beschlossen, um diese Ziele zu erreichen. Wir denken, wir sind auf dem richtigen Weg.

Die Schweiz ist ein Land von Mietern. Wie soll die von der Autoindustrie und der Politik angestrebte schnelle Verbreitung von E-Fahrzeugen funktionieren, wenn viele zu Hause gar keine Lademöglichkeit haben?
Das Thema ist erkannt, das hat auch Bundesrätin Sommaruga vor wenigen Tagen gesagt. Und wir als Amag suchen den Schulterschluss mit Vermietern und Verwaltungen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Ich glaube, dass sich hier etwas bewegen muss und wird. Schon bald wird eine Mietwohnung ohne Lademöglichkeit weniger attraktiv werden. Ein konkretes Beispiel: Die Amag-Pensionskasse prüft bei den Bestandesliegenschaften die Installation von Solaranlagen und Ladestationen, und bei der Investition in Immobilienprojekte ist das neu Voraussetzung.

Neben Corona beschäftigen die Branche derzeit auch Rohstoff-Engpässe. Die Hersteller müssen die Produktion reduzieren, längere Lieferfristen sind die Folge. Und Preiserhöhungen. Alleine für die Marke VW dieses Jahr schon zweimal. Wie kommt dies beim Kunden an?
Die Branche beschäftigen nicht nur Rohstoffengpässe, sondern auch höhere Rohstoffpreise. Das stellen Kunden in ganz verschiedenen Bereichen fest. Zudem muss man etwas differenzieren: Es gab zwar Preiserhöhungen für gewisse Modelle, aber nicht generell. Im Gegenzug wurden bei gewissen Modellen auch Preise gesenkt.

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