Remake der legendären Enfield Bullet

Der Donner-Sound des Diesels

Ein bisschen altmodisch sieht sie schon aus, die Enfield Diesel, mit ihrem silbernen Tropfentank, den zarten Speichenrädern und liebevoll gebogenen Schutzblechen. Ein Gruss aus früheren Zeiten. Doch der Anblick täuscht. Beim Drehen des Zündschlüssels stellen sich die Nackenhaare jedes Töff-Liebhabers auf: Mit trockenem Kreischen meldet sich der Anlasser. Einen Augenblick später entfährt dem Motor ein mächtiger Knall. Dann noch einer. Und noch einer. Schwarzer Qualm dringt aus dem Auspuff: Jetzt ist sie wach.

Dieser Sound schlägt alles, was sonst von Motorrädern zu hören ist. Harley-Fahrer geben für so was Unsummen aus, riskieren sogar Bussen. Doch der Sound der Diesel-Enfield ist so legal wie jener eines Hürlimann-Traktors. «Das helle Nageln des Einzylinder-Diesels wirkt für Lärmmessgeräte schwächer als das dumpfe Harley-Grollen», sagt Fritz Egli, Schweizer Enfield-Importeur.

Die Klangverwandtschaft zu Traktoren täuscht nicht – genau genommen ist die Enfield Diesel eine Kreuzung aus zwei Nutzfahrzeugen. Das Original mit Einzylinder-Benziner, Kopie der britischen Enfield Bullet, wird seit 1955 in Indien gebaut. Dort dient sie der Beförderung ganzer Familien samt Kleinvieh. Jochen Sommer (41), in das Lowtech-Bike verliebt, pflanzte ihm einen Hatz-Dieselmotor mit knapp 500 Kubik ein, wie er zum Beispiel
in Baumaschinen oder auch Stromaggregaten steckt. Stolz prangt der Name des deutschen Ingenieurs auf dem Tank: Sommer Motorradmanufaktur, schwarz auf gelb. Das steht der Enfield gut.

Überhaupt passt die kuriose Mischung aus indischem Rad und deutschem Motor perfekt zusammen: Die Enfield Diesel ist Balsam für die Seele. In Minuten wird Eile zum Fremdwort, man gondelt mit gespreizten Armen und Beinen bei Tempo 70 im vierten Gang dahin. Die Zündungen sind einzeln hörbar, das kernige, helle Nageln bergauf und das Blubbern bergab sind ein Genuss. Der Clou: Ein 14-Liter-Tank voller Diesel reicht fast 600 Kilometer weit. Da lacht der reisende Biker – und der Ölscheich wundert sich.