Moto Guzzi 1400 Audace
Nicht für eine Handvoll Dollar

Sergio Leones Gewaltorgie «Für eine Handvoll Dollar» mit Clint Eastwood in der Hauptrolle stand vor 51 Jahren für ein neues Filmgenre – den Italo-Western. Nun bricht Moto Guzzi mit der mächtigen 1400er Audace in eine weitere US-Domäne ein und räubert frech im Harley-Revier.
Publiziert: 24.07.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:19 Uhr
Von Michael Kutschke (Text) und Milagro (Fotos)

Der erste Spaghetti-Western 1964 hatte nichts mit dem damaligen Viehherden-Pathos der moralistischen Hollywood-Cowboys am Hut. Etwas, das sich auch aufs Erscheinen der neuen Moto Guzzi Audace in einem von Harley Davidson dominierten Töffsegment übertragen lässt. Denn das neue, mächtige Italobike will nichts mit den Eisen aus Milwaukee zu tun haben. Im Gegenteil: Mit seiner riesigen 1400er-90-Grad-V2-Wumme und gewaltigen 120 Nm Drehmoment geht die Audace ohne nette Chromschnörkel im Harley-Revier auf Jagd. Fette mattschwarze Krümmer, ein puristisch gestylter Sattel, Fussrasten statt Trittbretter, formschöne Gussräder und ein gerader Dragbar-Lenker – das ist in Kürze die neue Guzzi. Technisch entspricht sie weitgehend dem klassisch angehauchten Retro-Cruiser Eldorado. Mit dem Unterschied, dass die Audace die erste Guzzi ist, welche die neue Euro4-Abgasnorm erfüllt und trotz der Eldorado-Verwandtschaft ein völlig anderes Fahrerlebnis bietet.

Das Audace-Erlebnis beginnt bereits beim Aufsitzen: Keine Kabelstränge, kein Schlauchgewirr und keine billigen Anbauteile (bis auf die Kunststoff-Kotflügel) stören das optische Bild. Frei schweift der Blick über das grosse Rundinstrument nach vorne. Man sitzt als Fahrer leicht nach vorne gebeugt in einer angriffigen, aber dennoch entspannt-komfortablen Haltung. Der Hammer dann beim Starten: das Motorrad erbebt – und die Erde auch. Die fahrfertig 318 Kilo schwere Audace klingt kerniger, bassiger als ihre 1400er-Tourer- und Cruiser-Verwandtschaft. Wir starten – die Gänge rasten exakt, das Ansprechverhalten des 96 PS starken Motors ist ein Gedicht. Die Vibrationen in den Fussrasten und Lenkerenden halten sich in Grenzen, während der V2 besonders im unteren Tourenbereich ausgelassen poltert. Auf kurvenreicher Strasse überrascht die Guzzi mit für diese Gewichtsklasse hervorragender Agilität. Wer den Gleiter-Fahrstil pflegt, wird sich an der einfühlsamen Leistungsentfaltung erfreuen. Doch keine Angst: Der V2 drückt aus dem Standgas ebenso erbarmungslos ab wie Raubein Clint Eastwood bei seinen Duellen. Drei Motormappings und die abschaltbare Traktionskontrolle halten dabei den Drehmomentbrutalo stets in Schach.

Gar keine Kritik? Doch! Das einmal vorgewählte Tempo lässt sich nicht mehr am Tempomaten variieren und das hintere Plastikschutzblech ist zu schlabberig. Und: Leider ist die Audace auch nicht für eine Handvoll Dollar zu haben. Das sind aber die etablierten Cowboys aus Milwaukee auch nicht.

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«Wir sind mit Leidenschaft Guzzisti»

Miguel Galluzzi ist einer der renommiertesten Töff-Designer der Gegenwart und verantwortlich für die Moto Guzzi Audace und Eldorado.

Die Traditionsmarke Moto Guzzi könnte heute ähnlich marktbeherrschend wie Harley Davidson sein. Warum nicht?
Miguel Galluzzi: Verantwortlich ist ein jahrzehntelanges Missmanagement und – ja, es ist hart, aber man muss es so sagen – Inkompetenz. Es wurde nicht im Ansatz verstanden, welches Bijou man mit diesem traditionsreichen Markennamen in den Händen hielt.

Das ist heute anders?
Definitiv! 2008 war der Moment, als sich alles zu ändern begann. Die Produktentwicklung wurde an einem Ort zusammengefasst. Und quer durch die Hierarchien sind jetzt Leute am Werk, die passionierte Töfffans und mit Leidenschaft Guzzisti sind.

Täuschen wir uns, wenn wir behaupten, dass Sie mit der Audace die Harley Fat Boy Special und mit der Eldorado die Softail Deluxe im Visier hatten?
Wir haben uns nicht an irgendeiner Harley orientiert. Die Genetik und Geschichte einer Guzzi sind eigenständig und unterscheiden sich völlig. Wir haben das Erbe der Traditionsmarke in die Zukunft transferiert.

Miguel Galluzzi ist einer der renommiertesten Töff-Designer der Gegenwart und verantwortlich für die Moto Guzzi Audace und Eldorado.

Die Traditionsmarke Moto Guzzi könnte heute ähnlich marktbeherrschend wie Harley Davidson sein. Warum nicht?
Miguel Galluzzi: Verantwortlich ist ein jahrzehntelanges Missmanagement und – ja, es ist hart, aber man muss es so sagen – Inkompetenz. Es wurde nicht im Ansatz verstanden, welches Bijou man mit diesem traditionsreichen Markennamen in den Händen hielt.

Das ist heute anders?
Definitiv! 2008 war der Moment, als sich alles zu ändern begann. Die Produktentwicklung wurde an einem Ort zusammengefasst. Und quer durch die Hierarchien sind jetzt Leute am Werk, die passionierte Töfffans und mit Leidenschaft Guzzisti sind.

Täuschen wir uns, wenn wir behaupten, dass Sie mit der Audace die Harley Fat Boy Special und mit der Eldorado die Softail Deluxe im Visier hatten?
Wir haben uns nicht an irgendeiner Harley orientiert. Die Genetik und Geschichte einer Guzzi sind eigenständig und unterscheiden sich völlig. Wir haben das Erbe der Traditionsmarke in die Zukunft transferiert.

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