Fahrbericht Vespa Elettrica
Ein Klassiker wird elektrisch

Nach über 70 Jahren bringt Piaggio die erste elektrisch angetriebene Vespa auf den Markt. Ein historischer Moment! Doch was taugt die Vespa Elettrica? «TÖFF»-Chefredaktor Daniele Carrozza hats für SonntagsBlick ausprobiert.
Publiziert: 14.07.2019 um 10:05 Uhr
|
Aktualisiert: 12.10.2020 um 22:40 Uhr
Daniele Carrozza (Text), Michele Limina (Fotos)

Eines gleich vorweg: Wer regelmässig Strecken ausserorts unter die Räder nehmen muss, kann hier mit Lesen aufhören. Denn die ab sofort in Silbergrau mit sechs verschiedenen Farba­pplikationen erhältliche Vespa Elettrica macht nur in der Stadt wirklich Sinn. Ihr Elektromotor leistet 3,5 kW (4,8 PS).

Bei einem Fahrzeuggewicht von 130 Kilo (fahrfertig) liegen so geradeaus gemäss dem hübschen TFT-Tacho­ im Power-Modus gerade mal 52 km/h Spitze drin. Und wenns mal zünftig bergauf geht, kann der Speed schon mal unter die 40er-Marke fallen. Alles in allem bietet die Strom-Vespa also in etwa die Performance eines «Cinquantino», der 50er-Vespa mit Verbrennermotor.

Leider kein ABS

Und so stellt sich beim Fahren der Vespa Elettrica ein für mich als Töfffahrer ungewöhnliches Phänomen ein: Während ich mich auf dem Motorrad ab dem Ortsschild langweile und ungeduldig die «50-aufgehoben-Tafel» herbeisehne, verhält es sich auf der komfortablen und geräumigen Sitzbank der Elettrica (790 mm) umgekehrt.

Nach über 70 Jahren bringt Piaggio die erste elektrisch angetriebene Vespa.
Foto: Michele Limina
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Ausserorts stehe ich peinlich berührt und ganz rechts fahrend den anderen Verkehrsteilnehmern im Weg, während ich ab der Ortstafel wieder voll dabei bin und besten Gewissens quasi mit Vollgas durchziehen kann. Wobei ich allerdings nicht nachvollziehen kann, warum Piaggio der Elettrica kein ABS mit auf den Weg gegeben hat. ABS ist in der vorliegenden Leistungsklasse zwar nicht vorgeschrieben, doch gerade im Gewusel der Stadt – und allein dafür wurde diese Vespa offensichtlich konzipiert – muss man immer wieder mal zünftig bremsen. Ein Regentag, etwas Schräglage im Kreisel, ein Schachtdeckel – und schon ists passiert. Da hilft auch die Kombibremse nicht viel.

Teure Alternative

Ist die Vespa Elettrica folglich ein sinnloses Fashion-Mobilitätsgerät? Absolut nicht! Denn abgesehen vom fehlenden ABS und dem aufgrund des Akkus zu klein geratenen Staufach (ein handelsüblicher Jethelm à la Arai Freeway passt nicht rein, der hauseigene Vespa-Elettrica-Helm mit Bluetooth-Modul dagegen schon) ist sie in der Stadt durchaus eine valable Alternative. Wenn auch mit einem Preis ab 7295 Franken eine teure. Denn die Benziner-Basis «Primavera 125» ist nicht nur stärker (7,9 kW bzw. 10,7 PS), sondern auch um 1850 Franken günstiger. Aber die Elettrica sieht klasse aus, weil sie optisch eine ganz normale Vespa ist – befreit von verkrampften Versuchen ihrer Schöpfer, partout anders zu sein. Was sich Piaggio mit dem zig-fach ausgezeichneten Vespa-Design natürlich leisten kann.

«TÖFF» am Kiosk

Neben der hier vorgestellten Vespa Elettrica gehts in der neuen Ausgabe des «TÖFF»-Magazins (ab Mittwoch am Kiosk) um zwei für diese Saison aufgefrischte US-Cruiser, die Harley Street Glide und die Indian Chieftain. In einem weiteren Vergleichstest treten zwei Naked-Bikes an, die das Ursprüngliche des Töfffahrens in den Fokus rücken – die Husqvarna Svartpilen 701 und die Yamaha XSR 700 XTribute. Ferner verraten spannende Hintergrundartikel, was es für Michelin bedeutet, Alleinausrüster in der MotoGP zu sein. Oder welche Folgen die nächsten Abgasnormen ab 2020 haben.

Neben der hier vorgestellten Vespa Elettrica gehts in der neuen Ausgabe des «TÖFF»-Magazins (ab Mittwoch am Kiosk) um zwei für diese Saison aufgefrischte US-Cruiser, die Harley Street Glide und die Indian Chieftain. In einem weiteren Vergleichstest treten zwei Naked-Bikes an, die das Ursprüngliche des Töfffahrens in den Fokus rücken – die Husqvarna Svartpilen 701 und die Yamaha XSR 700 XTribute. Ferner verraten spannende Hintergrundartikel, was es für Michelin bedeutet, Alleinausrüster in der MotoGP zu sein. Oder welche Folgen die nächsten Abgasnormen ab 2020 haben.

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Anständige Reichweite

74 Kilometer habe ich im reinen Stadtverkehr im Power-Modus aus einer vollen Akkuladung herausgeholt. Dies bei häufigem Vollgasanteil. Auf den letzten 20 Prozent liess das Spurtvermögen zwar nach (52 km/h Spitze lagen aber weiterhin drin), und als die Ladeanzeige noch 0 Prozent auswies, schaffte ich immerhin noch weitere 600 Meter Fahrt.

Das ist eine anständige Reichweite, mit der sich die Elettrica in urbanen Gefilden – auch dank solidem Antritt am Lichtsignal – durchaus adäquat nutzen lässt. Mehr Reichweite, nämlich 100 Kilometer, verspricht Piaggio mit dem Eco-Modus, wobei die mit einem Energierückgewinnungssystem (KERS) ausgestattete Elettrica dann allerdings nur noch rund 30 km/h «schnell» ist.

In 3,25 Stunden geladen

Der Lithium-Ionen-Speicher mit einer Kapazität von 86,4 Ah ist über das pfiffig unter dem Sattel – wo sonst der Benzineinfüllstutzen sitzt – liegende Spiralkabel mit regulärem 220-Volt-Stecker innert 3,25 Stunden zu 98 Prozent geladen. Nach 1,5 Stunden wurden im gut ablesbaren und überraschend informativen Display mit aussen an den Ecken etwas zu klein geratenen Anzeigen bereits 50 Prozent angezeigt, was darauf hindeutet, dass sich die Elettrica für die letzten zehn Ladeprozent etwas mehr Zeit lässt. Gewöhnen sollte man sich ans markante Lüftergeräusch beim Laden, doch in einer Tief­garage oder Einzelbox dürfte dies niemanden stören.

Mehr Topspeed wäre nett

Die Elettrica lässt sich wie eine ganz normale Vespa bewegen – einfach ohne das charakteristische Fahrgeräusch. Die Balance des gegenüber der Primavera rund zehn Kilo leichteren Elektro-Rollers wirkt aufgrund des Akkus im Heck subjektiv etwas hecklastiger. Aber sonst ist alles für standesgemäss-stylishes Vorwärtskommen in der Stadt gegeben. Auch wenn unsere temperamentvollen Nachbarn aus dem Süden bestimmt gerne noch etwas flotter als nur mit 52 km/h Spitze unterwegs wären.

Zwei verschiedene Elettricas

Die Elettrica wird in zwei Varianten angeboten – einer «kleinen» mit 45 km/h Spitze, die mit gelbem Kennzeichen als Kleinmotorrad eingelöst wird (Fr. 6995.–), sowie die von uns gefahrene, deutlich stärker nachgefragte L3-Variante. Letztere gilt als Motorrad der Kat. A1, darf ab 16 gefahren werden (Dauerleistung unter 4 kW) und muss einen Tempoaufkleber (55 km/h) tragen.

Die Elettrica wird in zwei Varianten angeboten – einer «kleinen» mit 45 km/h Spitze, die mit gelbem Kennzeichen als Kleinmotorrad eingelöst wird (Fr. 6995.–), sowie die von uns gefahrene, deutlich stärker nachgefragte L3-Variante. Letztere gilt als Motorrad der Kat. A1, darf ab 16 gefahren werden (Dauerleistung unter 4 kW) und muss einen Tempoaufkleber (55 km/h) tragen.

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