Alfa Romeo Sprint Zagato
Dieses Monster rettete Alfa

Mit dem SZ sollte Fiats Sporttochter Alfa Romeo Ende der 1980er-Jahre neuen Schwung erhalten. Heute sind Coupé und Cabrio des ungewöhnlich geformten Sportwagens extrem rare und gesuchte Klassiker.
Publiziert: 16.06.2020 um 02:11 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2020 um 09:18 Uhr
Andreas Engel

Manchmal brauchts unkonventionelle Ideen, um Erfolg zu haben. Das dachte sich 1986 wohl auch Vittorio Ghidella, damals Präsident von Fiat, um der soeben übernommenen Marke Alfa Romeo neues Leben einzuhauchen. Er lancierte das Projekt «Experimental Sportscar 3.0 litre engine», kurz ES 30. Ghidellas Vorgaben: ein puristisches Coupé mit sportlichen Fahrleistungen und aufsehenerregendem Design.

Ums Optische kümmerten sich gleich drei Teams: Alfas Designabteilung unter Leitung von Walter de Silva, das Fiat Centro Stile mit Projektleiter Robert Opron, zuvor Designer des Citroën-Maserati SM. Und auch das legendäre Designstudio Zagato war an Bord. Diese Dreier-Mannschaft erhielt als Vorgabe geringes Gewicht sowie eine möglichst effiziente Aerodynamik inklusive Ground-Effect wie bei einem F1-Rennwagen.

Gewagte Optik, geringes Gewicht

Das Ergebnis war ein für seine Zeit avantgardistisches Design mit schmalen, quadratischen Dreifach-Scheinwerfern, eine ausgeprägte Keilform mit hoher Gürtellinie und kurzem Steilheck. Eine kontrovers diskutierte Optik, die dem Projekt ES 30 schnell den Spitznamen «Il Mostro», das Monster, einbrachte – was in den experimentellen späten 1980er-Jahren durchaus als Kompliment zu verstehen war. Als tragende Struktur unter der aufwändigen Karosserie aus Kunstharz diente ein Stahlskelett, fürs Dach wurde Alu verwendet. Das Resultat: vergleichsweise geringe 1256 Kilo Leergewicht.

Mit seinem äusserst geringen Luftwiderstand setzte der Alfa Romeo ES 30 Ende der 1980er-Jahre Massstäbe, hier bei der Erprobung im Windkanal.
Foto: zVg
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Mehr Leistung, kerniger Sound

Als Antrieb wählten die Techniker den V6-Benziner mit drei Litern Hubraum aus dem Alfa 75 America. Dessen Leistung steigerten sie unter anderem durch schärfere Nockenwellen und neu programmierte Motorelektronik auf 210 PS (155 kW) und 245 Nm Drehmoment. Eine Sportauspuffanlage lieferte den kernigen Sound des nicht einmal 4,10 Meter langen ES 30.

Der für die Zeit äusserst geringe Luftwiderstand (cW: 0,30) war Ergebnis ausgiebiger Versuche im Windkanal und sorgte für einen Topspeed von 245 km/h und 7,5 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100. Für den geforderten Ground-Effect, also den möglichst hohen Abtrieb, musste die Karosserie eine geringe Bodenfreiheit aufweisen: Sie betrug rund sechs Zentimeter. Da die im Alltag zu Problemen geführt hätte, wurde eine elektrische Niveauregulierung eingebaut, mit deren Hilfe der Aufbau um fünf Zentimeter angehoben werden konnte.

Know-how aus dem Rennsport

Um die Kosten für die Entwicklung im Rahmen zu halten, bediente sich die Mannschaft auch bei der Technik beim Alfa 75. Das Chassis mit dem Getriebe an der Hinterachse, die sogenannte Transaxle-Bauweise, wurde allerdings an einigen Stellen mit Know-how aus der Rennabteilung der angestrebten Leistung angepasst. Das Fahrwerk wurde optimiert, die Hinterachse erhielt ein Sperrdifferenzial. Die Feinabstimmung übernahm Rennfahrer Giorgio Pianta, später als Teamchef für die Siege von Alfa in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft verantwortlich.

Gedacht war der ES 30 aber als Grand-Tourer im klassischen Sinne, weshalb die Serienausstattung relativ üppig ausfiel. So gehörten etwa Klimaanlage, Ledersitze und elektrische Fensterheber zur Serie. Die in Kohlefaser-Optik verkleidete Armaturentafel verströmte Rennsport-Atmosphäre. Angeboten wurde einzig die Karosseriefarbe Rosso Alfa Romeo in Kombination mit dunkelgrauem Dach und naturfarbener Innenausstattung.

Hoher Grundpreis, geringe Stückzahl

Nach nur 19 Monaten Entwicklung, pünktlich zur geplanten Weltpremiere auf dem Genfer Autosalon 1989, war der ES 30 serienreif. Beim Namen entschied sich Alfa für eine legendäre Buchstabenkombination – SZ für Sprint Zagato. Trotz des relativ hohen Grundpreises von anfangs 80'000 D-Mark (heute rund 44'000 Franken) gingen zwischen 1989 und 1993 exakt 1036 Alfa Romeo SZ an Kunden.

1992 ergänzte das Cabrio RZ – für Roadster Zagato – das Angebot, bei dem das Alu-Dach durch ein Stoffverdeck ersetzt wurde. Da Zagato nach dem offiziellen Verkaufsstopp durch Alfa Romeo den 140'000 D-Mark (rund 76'600 Fr.) teuren Roadster in Eigenregie weiterbaute, kennt die genaue Produktionszahl niemand – belegt sind 287 Stück. Bei so geringen Stückzahlen ists logisch: Beide Varianten sind heute gesuchte Klassiker sind, die in gutem Zustand deutlich mehr als den damaligen Neupreis erreichen.

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