Riverside Crazy Car Hop
Alles grell in Calafell

Immer im Frühjahr bebt nahe Barcelona die Erde: Im spanischen Calafell kommen 150 Hot Rods und Custom Cars zum grössten südeuropäischen Rockabilly-Treffen, zum Achtelmeilenrennen – und zum Buhlen um die Gunst der Rock'n'Roller.
Publiziert: 20.05.2017 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:45 Uhr
Riverside Crazy Car Hop
Foto: Roland Löwisch
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Roland Löwisch

Die Strasse vor dem Hotel Silken Canada Palace in Calafell (Spanien) sieht aus wie eine Kulisse für ein Filmset: Tiefgelegte Fords und Chevys aus den 1940er- bis 1960er-Jahren in teils psychedelischen Farben parkieren am Strassenrand, dazwischen glänzen Hot Rods aus den 1920ern und 1930ern. Elvis wird rauf und runter gedudelt, und vor dem Haupteingang hängen die «Kids» herum, mit Latzhosen, Haartollen und Tattoos. Wo sind die Kameras?

Am «Riverside Crazy Car Hop» tummeln sich südlich von Barcelona Hot Rods und Custom Cars – vorrangig aus Spanien, Belgien und England.
Foto: Roland Löwisch

Hot Rods und Rock'n'Roll

Kameras gibts keine! Die Regie führt nicht Hollywood, sondern der «Razzlers Club». Deren Chefs haben zum zwölften Mal zum «Riverside Crazy Car Hop», dem heissesten Hot-Rod- und Custom-Car-Festival Südeuropas, in die kleine Hafenstadt 65 Kilometer südlich von Barcelona geladen. Rund 150 schräge Autos – Baujahr meist vor 1965, vorrangig aus Spanien, England und Belgien – treffen mit ihren meist ebenso schrägen Besitzern auf Rock'n'Roll satt.

Aus einer anderen Zeit

Vier Tage dröhnen getunte V8 genauso laut und pausenlos wie die Musik von Elvis, Chuck Berry oder Fats Domino. Die «Kids» sind meist zwischen 50 und 70 Jahre alt und feiern sich und das automobile Anderssein: Hot Rods sind stark umgebaute US-Vorkriegsautos, Custom Cars modifizierte Nachkriegswagen. Erlaubt ist, was den Besitzern gefällt – ihren Ursprung hat die Szene ja in Zeiten der amerikanischen Prohibition, als die «Moonshiner» ihre Autos frisierten, um mit geschmuggeltem Alkohol der Polizei zu entkommen.

Besonders beliebt: Die gepimpten und auf Hochglanz polierten Motoren unverkleidet lassen, damit sie bewundert werden können.
Foto: Roland Löwisch

Etwas Spass muss sein

Heute fliesst das Bier legal. Aber der Höhepunkt ist – neben Live-Acts von «Charlie Hightone & The Rockets» bis «Rockin Gina & The Sentinels» – das «talentlose Achtelmeilenrennen». Dabei treten je zwei der umgebauten Fahrzeuge gegeneinander an, um auf der freigeräumten Hafenpromenade von Calafell so lärmintensiv wie kurz zu beschleunigen. Wer zuerst an der Pylone ankommt, verliert nicht, gewinnt aber auch nichts. Spass kann so einfach sein ... .

Wundertüte Startlinie

Die etwa 4000 johlenden Zuschauer beklatschen jeden, der sich hier stellt – auch wenn manche Teilnehmer überfordert scheinen: Gleich der erste Starter im roten Hot Rod vergisst nach dem Parkieren an der Startlinie den Vorwärtsgang einzulegen und fährt rückwärts los – so werden die hinter dem Auto platzierten Fotografen leichenblass, die Veranstalter wutrot und der Fahrer kreideweiss. Manche Piloten ignorieren die Startflagge vor Aufregung völlig, andere würgen den Motor ab und bekommen ihn nicht wieder an. Wieder andere versuchen einen Burnout auf dem Asphalt, ruinieren aber höchstens ihre Kupplungsbeläge.

«Bloody Mary» startet die Plauschrennen auf der freigeräumten Hafenpromenade.
Foto: Roland Löwisch

Besuch aus Hollywood

Egal – all das gefällt Startergirl «Bloody Mary» genauso wie Custom-Gott Gene Winfield, der mit der Flagge die ersten der Duelle freigibt. Winfield ist der extra eingeflogene Ehrengast – der Mann ist in der Szene so berühmt wie sein 2015 verstorbener Kollege George Barris (unter anderem Schöpfer des ersten Batmobils) und bekannt als bunter Hund (Erfinder der «Gene-Winfield-Fades» auf Autolack; dabei laufen verschiedene Lila-Töne ineinander). Unvergessen sind seine Film-Fahrzeuge und -Raumschiffe der 1980er-Jahre – so zum Beispiel der «Spinner» aus dem «Blade Runner», der zum «6000 CUX» mutierte 1976er Oldsmobile Cutlass Supreme aus «Robocop», aber auch andere skurrile Vehikel wie das Shuttle «Galileo» aus «Star Trek» oder der «Jupiter 8» von Captain Kirk, den Winfield aus einem Citroën DS schuf.

Ehrengast ist Custom-Gott Gene Winfield, der unter anderem Fahrzeuge für die Filme «Blade Runner» und «Robocop» oder Raumschiffe für «Star Trek» entworfen hat.
Foto: Roland Löwisch

Grosses Lob

Noch heute führt der fast 90-jährige Künstler seinen «Winfield Rod and Custom»-Shop in der Mojave-Wüste zwischen Los Angeles und Las Vegas, USA. «Ich bin erstaunt, wie viele US-Fahrzeuge dieser Art es hier noch gibt», wundert sich Winfield beim Festival: «Und die Qualität ist hoch.» Aber der perfekte Hot Rod sei stets auf dem Chassis eines 1932er Ford aufgebaut und trage eine Metallkarosserie. Winfield: «Wie gut ein Custom Car ist, hängt hauptsächlich vom Ideenreichtum des Besitzers ab.»

Rollende Kunstwerke

Daran mangelt es den Riverside-Fans nicht. Manche der fahrbaren Showcars liegen so tief, dass nur extra angebrachte Rohre unter den Seitschwellern die Karosserie vor Schäden schützen. Vollverkleidete Hinterräder sind fast ein Muss, darunter nicht selten umgedrehte Felgen. Die Dächer sind fast alle so «gechoppt», dass die Restscheiben nicht mehr bieten als winzige Sehschlitze. Innen dominieren Kettenlenkräder, Pleuel mit festgeschweissten Kolben als Schalthebel und die unvermeidlichen Stoffwürfel am Rückspiegel, die einst zum Ampelduell aufforderten.

Echte Hingucker sind «Bonnie» und «Clyde»: Zwei alte Original-Renn-Hot-Rods auf Basis von Ford T Roadstern aus den Jahren 1927 und 1922.
Foto: Roland Löwisch

«Bonnie» und «Clyde»

Die Hot Rods zeigen unverkleidet ihre gepimpten und hochpolierten Motoren. Zwei Exemplare fallen besonders auf: Sie heissen «Bonnie» und «Clyde» und gehören den Wahl-Spaniern Andreas Ullstein und Ken Robinson. Die Autos sind alte Original-Renn-Hot-Rods auf Basis von Ford T Roadstern von 1927 und 1922 und tragen echte Patina und falsche Nummernschilder. Egal: Die spanischen Polizisten – sonst absolut humorfrei punkto Verkehrssicherheit – drücken hier sämtliche Augen zu, wenn die Teilnehmer die vier Kilometer vom Szenehotel bis zur Hafenmole auf eigener Achse über öffentliche Strassen rollen.

Nach insgesamt vier Tagen Rock'n'Roll und Carshow zieht die Meute weiter. Wohin, steht auf dem Transporter von Ullsteins Vintage-Hot-Rod: zum «Rust'n'Dust Jalopy» in Deutschland, zum «Roll'n'Beach Flat» in Italien und zum «GOW Hill Climb» nach England.

Denn Rock'n'Roll stirbt nie!

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