United Airlines kauft Concorde-Nachfolger
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Zürich - New York in 4 Stunden:United Airlines kauft Concorde-Nachfolger

22 Jahre nach dem Concorde-Drama
Fliegen wir bald alle Überschall?

Im Jahr 2003 hob die legendäre Concorde das letzte Mal ab. Seither durchbrach kein Passagier-Flugzeug mehr die Schallmauer. US-Anbieter versprechen nun eine Revolution auf dem Markt – und Reisen mit noch nie dagewesenen Geschwindigkeiten.
Publiziert: 27.09.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2022 um 07:06 Uhr
Andreas Engel

Der Air-France-Flug 4590 hat sich bei Aviatik-Fans ins Gedächtnis eingebrannt: Am 25. Juli 2000 verunglückt eine vollbesetzte Concorde kurz nach dem Start am Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle. Alle 109 Insassen sterben bei einer der grössten Katastrophen der jüngeren Geschichte der Luftfahrt. Das Drama bedeutet gleichzeitig das Ende der Concorde: Offiziell ab dem Jahr 1976 beförderte dieser «Meilenstein der Luftfahrttechnik» als erstes Überschall-Passagierflugzeug der Welt die gut betuchte Kundschaft in rekordverdächtigen dreieinhalb Stunden von den beiden europäischen Flughäfen London und Paris nach New York.

Doch trotz Rekordgeschwindigkeiten von maximal Mach 2,23 (2405 km/h), was mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit entspricht, war der schon beim Startvorgang ultralaute Hightech-Jet von Anfang an umstritten: One-Way-Tickets waren mit Preisen von rund 6300 Franken horrend teuer, der Treibstoffverbrauch mit rund 25'000 Liter Kerosin pro Stunde immens und so fast jeder Flug für die Fluggesellschaften Air France und British Airways ein Verlustgeschäft. Am 26. November 2003 hob die Concorde am Flughafen London-Heathrow zum letzten Mal ab.

Bombardier erreicht Mach 1

Heute, knapp 20 Jahre später, sind Überschallflüge für die breite Masse noch immer Wunschdenken – doch es zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont für Aviatik-Fans und Flugbegeisterte ab: Ende Mai hat der kanadische Hersteller Bombardier an der europäischen Luftfahrt-Messe Ebace in Genf das neueste Modell seiner Global-Serie vorgestellt. Der Businessjet Global 8000 hat Platz für 19 Passagiere, ermöglicht Reichweiten von bis zu 14'800 Kilometer (also Direktflüge von der Schweiz bis nach Australien) und soll laut Bombardier-CEO Eric Martel das «schnellste zivile Flugzeug seit der Concorde» werden – wenn auch mit grossem Abstand.

Der Air-France-Flug 4590 hat sich bei Aviatik-Fans ins Gedächtnis eingebrannt: Am 25. Juli 2000 verunglückt eine vollbesetzte Concorde kurz nach dem Start am Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle.
Foto: Keystone
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Die Höchstgeschwindigkeit liegt laut Hersteller knapp unterhalb der Schallmauer bei Mach 0,94 – rund 1150 km/h. Der auf der gleichen Technik aufbauende Vorgänger Global 7500 kam bei Testflügen mehrfach auf Überschall-Geschwindigkeiten von mehr als 1200 km/h. Bombardier geht deshalb davon aus, dass der mindestens 78 Millionen Dollar teure Businessjet diese Marke ebenfalls erreichen sollte.

Ein Start-up hebt ab

Doch die Kanadier sind nicht der einzige Hersteller, der um die Nachfolge der legendären Concorde buhlt: Das US-Start-up Boom Technology stellte bereits 2017 den einsitzigen Prototypen XB-1 vor. Das Spezielle: Statt wie bisher alle anderen Flugzeuge im Überschallbereich ist es nicht aus Staatsmilliarden, sondern rein privat finanziert. Mit dem «Baby Boom» genannten Unikat soll unter anderem an der Aerodynamik geforscht werden. Aufbauend auf den Erfahrungen soll dann ein Überschalljet für 55 bis maximal 88 Passagiere folgen. Auch der Name steht schon fest: Overture.

Und das Projekt scheint alles andere als ein Luftschloss zu sein: Die US-Fluggesellschaft United Airlines hat bereits 15 Exemplare vorbestellt. Noch in diesem Jahrzehnt soll der Überschalljet mit zahlenden Passagieren an Bord abheben und dabei Geschwindigkeiten von Mach 2,2 (2700 km/h) erreichen. Das wäre nicht nur schneller als einst die Concorde, sondern dank CO₂-neutral hergestelltem Treibstoff, innovativer Aerodynamik, Leichtbau und stark abgemildertem Überschallknall auch deutlich umweltverträglicher als der einstige Rekordflieger – zumindest verspricht das Boom.

Aerion will hoch hinaus

Noch kühner sind die Pläne von Aerion Supersonic. Seit 2002 tüftelt das US-Unternehmen an einem kleinen Businessjet für maximal 15 Passagiere mit dem Projektnamen AS2. Vermutlich 2024 soll das dreistrahlige Flugzeug erstmals abheben und ab 2026 auch Passagiere mit maximal Mach 1,4 transportieren. Dass es Aerion ernst mit dem Projekt meint, zeigt der Bau des 300 Millionen Dollar teuren Hauptsitzes inklusive neuer Fertigungslinie unweit des US-Weltraumbahnhofs Cape Canaveral in Florida. Aerion bedient neben dem Privat- auch den deutlich erfolgversprechenderen Militär-Markt und kann bereits ein einsatzbereites, hocheffizientes Triebwerk von US-Hersteller General Electric vorweisen.

Von Über- zu Hyperschall

Der Businessjet AS2 soll nur der Anfang sein: Langfristig will Aerion ins Geschäft mit grösseren Verkehrsflugzeugen einsteigen. Die AS3 als nächstes Projekt soll nichts weiter als eine Revolution in der Luftfahrt darstellen. Rund 50 Passagiere sollen bis zu 13'000 Kilometer weit befördert werden – und das in einem Flugzeug, das als erstes nicht Über-, sondern Hyperschall-Geschwindigkeit fliegt. Dieser Bereich beginnt bei Mach 5 – fast 6200 km/h! Das bisher schnellste Flugzeug mit luftbetriebenen Triebwerken, der Militär-Aufklärer Lockheed SR-71, erreicht mit Mach 3,3 knapp 4000 km/h und absolvierte die Strecke New York nach London bei einem Rekordflug in unter zwei Stunden.

Firmenchef Tom Vice will mit der AS3 jeden Punkt der Erde innerhalb von nur drei Stunden erreichen können. Überschall sei dabei der Startpunkt, doch längerfristig müsse man die Grenzen des Möglichen weiter verschieben, wolle man die globale Mobilität revolutionieren. Experten gehen allerdings davon aus, dass aus heutiger Sicht Hyperschall noch mehrere Jahrzehnte in der Zukunft liegt. Das Wettrennen um den schnellsten Flieger der Welt ist aber längst lanciert.

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