Zweifel an offizieller Todesursache – starb Literatur-Nobelpreisträger durch Gift?
Untersuchungsbericht zu mysteriösem Tod von Pablo Neruda vorgelegt

Der berühmte Autor und Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda starb kurz nach Beginn der Militärdiktatur in Chile. Es gibt aber erhebliche Zweifel an der offiziellen Todesursache Prostatakrebs. Womöglich war der Diktatur-Gegner ermordet worden.
Publiziert: 16.02.2023 um 05:08 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2023 um 08:16 Uhr

50 Jahre nach dem mysteriösen Tod des chilenischen Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda (1904–1973) hat ein Gremium aus wissenschaftlichen Experten einen Bericht zum mysteriösen Tod des Erfolgsautors vorgelegt. Richterin Paola Plaza, die die vor mehr als einem Jahrzehnt begonnene Untersuchung leitet, sagte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, sie werde die Befunde der Experten nun prüfen. Presseberichten zufolge kamen die Fachleute zu dem Schluss, dass dem Schriftsteller eine giftige Substanz gespritzt worden sei.

Neruda, ein Freund des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende (1908–1973), war am 23. September 1973, zwölf Tage nach dem Militärputsch von General Augusto Pinochet (1915–2006), im Alter von 69 Jahren gestorben. Die offizielle, von der Junta herausgegebene Sterbeurkunde gab Prostatakrebs als Todesursache an. Daran bestehen aber erhebliche Zweifel.

Tod vor Abreise ins Exil

2013 hatte Nerudas Chauffeur Manuel Araya berichtet, der Literatur-Nobelpreisträger von 1971 sei nach einer mysteriösen Injektion am Vorabend seiner geplanten Ausreise nach Mexiko gestorben. Neruda wollte nach Mexiko ins Exil gehen, um sich dort in der Opposition gegen Pinochet zu engagieren.

Der chilenische Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda gilt als einer der grössten Schriftsteller überhaupt.
Foto: Keystone
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Um die Todesursache zu klären, hatte die chilenische Justiz 2013 die Exhumierung von Nerudas sterblichen Überresten angeordnet. 2017 kam ein Gremium aus internationalen Experten zu dem Schluss, dass Neruda nicht an Krebs starb. Die wirkliche Todesursache konnten die Fachleute allerdings nicht feststellen. In der Folge wurde ein Bakterium analysiert, das in Nerudas sterblichen Überresten gefunden wurde. Es handelte sich dabei um das tödliche Clostridium botulinum.

Zwist zwischen Nachkommen

Nerudas Neffe Rodolfo Reyes hatte diese Woche mitgeteilt, dass er den neuen Untersuchungsbericht gelesen habe und dieser hinreichend belege, dass sein Onkel vergiftet worden sei. «Natürlich ist dieses Bakterium eine biologische Waffe, die Pablo Neruda injiziert wurde, und er starb wenige Stunden später», sagte Reyes der Nachrichtenagentur AFP.

Nerudas Grossneffe Bernardo Reyes wies diese Schlussfolgerung allerdings zurück. Die wissenschaftliche Untersuchung könne einen Mord an dem Schriftsteller nicht nachweisen, sagte er AFP. 1973 seien unter der Militärjunta Morde mit «chemischen Methoden» noch nicht üblich gewesen. Verwandte, die etwas anderes behaupteten, «repräsentieren nicht die Familie», betonte Bernardo Reyes.

Der Diktator Pinochet hatte in Chile von 1973 bis 1990 geherrscht. In dieser Zeit wurden etwa 3200 linksgerichtete Aktivisten und andere Regierungsgegner ermordet. Pinochet starb 2006 im Alter von 91 Jahren, ohne je für die Verbrechen unter seiner Herrschaft verurteilt worden zu sein. (AFP/kes)

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