Zürcherin Sara Bär (29) hilft nach dem Todes-Beben
Der Engel von Kathmandu

Sie war als Touristin auf Weltreise. Dann geriet die Zürcherin Sara Bär (29) ins Erdbeben von Nepal. Jetzt bleibt sie, um zu helfen.
Publiziert: 14.05.2015 um 17:36 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 00:09 Uhr
 Interview: Michael Sahli

Die Erde in Nepal kommt nicht zur Ruhe. Mittlerweile ist die Zahl der Erdbebenopfer auf 8400 angestiegen. Am Dienstag wurde das Land von einem heftigen Nachbeben erschüttert. Wer konnte, hat die Region verlassen. Sara Bär (29) aus Zürich ist seit ­einem Monat in Nepal. Die Marketingfachfrau hat während ihrer Ferien das Hauptbeben am 25. April erlebt. Und entschieden: Ich bleibe!

Frau Bär, wo befinden Sie sich gerade?
Sara Bär:
In einem Hotel in der Hauptstadt Kathmandu. Die Versorgungslage ist ziemlich gut, aber ich schlafe schlecht, weil es immer wieder zu Nachbeben kommt.

Warum sind Sie im Katastrophengebiet geblieben?
Am Anfang, weil der internationale Flughafen Kathmandu überlastet war. Das hiess: Jeder Evakuationsflug mit Touristen entsprach einer Hilfslieferung, die nicht landen konnte. Das konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Jetzt versuche ich einfach zu helfen, wo ich kann.

Sara Bär will mindestens noch zwei Wochen in Nepal bleiben.
Foto: ZVG

Diese Woche gab es ein Nachbeben der Stärke 7,4. Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt?
Ich half mit einigen anderen Touristen beim Wiederaufbau in ­einem Dorf. Plötzlich sind die Häuser um uns herum eingestürzt. Ganze Dächer kamen herunter. Ich bin einfach nur gerannt. Es war eine Massenpanik. Ein Bild werde ich nie vergessen: Ein junger Mann, der mit seiner Grossmutter auf den Schultern aus dem Dorf gerannt ist.

Warum überlassen Sie die Hilfe nicht den Profis?
Ich bin ein Laie, aber ich gebe mein Bestes. Wir Touristen können jederzeit zurück in unsere heile Luxuswelt. Die Einheimischen können das nicht. Ich habe mich mit zehn anderen Reisenden zusammengetan. Zuvor habe ich mit meiner Reisebegleiterin zwei Dörfer mit je 50 Säcken Reis, zehn Säcken Linsen, Salz, Zucker, Seife, Wasser und Öl beliefert. Wer die Gesichter der Dorfbewohner sieht, versteht mich sofort. Die Stärke der Nepalesen ist eine Inspiration.

Wo waren Sie während des Hauptbebens?
In der Annapurna-Region auf einem Trekking. In einer Hütte auf 4200 Meter. Ich dachte, das kleine Haus bricht jeden Moment zusammen. Dann sind alle hinausgerannt, in Erwartung ­einer Lawine. Wir hatten Glück, dass der Hang gehalten hat. In den Bergen hat niemand realisiert, wie schlimm die Situation tatsächlich war.

Wann haben Sie die Lage erfasst?
Als wir beim Abstieg wieder Handyempfang hatten. Da hat sich die Schweizer Botschaft gemeldet. Die Rückfahrt nach Kathmandu war dann etwas vom Schlimmsten.

Inwiefern?
Kathamandu ist beschädigt. Aber die kleinen Dörfer im Umland sind vollkommen platt. Von weitem denkst du, vor dir liegt eine Hügellandschaft. Dann aber merkt man: Die ganzen Steinhügel waren mal Häuser. Immer wieder sieht man Kleider zwischen den Trümmern und kann nur hoffen, dass keine Menschen in den Kleidungsfetzen gesteckt haben. Irgendwann konnte ich gar nicht mehr hinsehen.

Im Westen wurde das Verhalten vieler Touristen kritisiert. Sogar von einer Zweiklassen-Rettung war die Rede.
Am Anfang hat mich das auch wütend gemacht. In den Touristenzentren sind die Bars offen, man kann ins Restaurant gehen. Und ein paar Kilometer weiter tobt eine humanitäre Katastrophe. Aber: Tourismus ist die wichtigste Einnahmequelle von Nepal. Je schneller die Touristen wiederkommen, desto besser!

Wie lange wollen Sie noch bleiben?
Ich weiss es noch nicht. Eigentlich war ich ja auf Weltreise. Sicher noch zwei Wochen. Was danach kommt, weiss ich nicht.

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