Zertifikat entzweit Strasse
Corona-Posse in französisch-belgischer Grenzgemeinde

Seit der Einführung des Gesundheitspasses in Frankreich laufen einer Wirtin im französischen Saint-Jans-Cappel die Gäste davon. Der Grund: Das Restaurant auf der anderen Strassenseite steht auf belgischem Boden – und dort wird der Corona-Status nicht kontrolliert.
Publiziert: 25.08.2021 um 20:37 Uhr

Eine Strasse, zwei Corona-Regeln. In der französisch-belgischen Grenzgemeinde Saint-Jans-Cappel kommt es zu absurden Folgen der unterschiedlichen Massnahmen gegen die Pandemie in den beiden Ländern. An der Route de Westoutre befinden sich mehrere Restaurants. Einige befinden sich auf der französischen, einige auf der belgischen Seite. Dort heisst die Strasse Bellestraat.

In Frankreich sind Wirte dazu verpflichtet, den Impfstatus von Gästen zu überprüfen. Für die Restaurant-Betreiber auf der französischen Seite ist dies jedoch nicht nur eine bürokratische Unannehmlichkeit – sondern gar eine existenzielle Bedrohung. Restaurantbesitzerin Bénédicte Duyck macht sich Sorgen, denn ihre Gäste brauchen nur die Strasse zu überqueren, um ein belgisches Restaurant zu finden, in dem sie nicht denselben Vorschriften unterliegen. Vor der Einführung des Gesundheitspasses sei sie noch von Gästen überrannt worden, so Duyck gegenüber «Euronews». «Ich musste fast 200 Gäste abweisen.»

Belgische Konkurrenz verzeichnet deutlichen Zuwachs

«Einige Stammgäste sagen mir schon, dass sie nicht mehr kommen werden, weil sie gegen den Gesundheitspass sind», sagt Duyck zu «Libération». «Mehrere von ihnen haben mir gesagt, dass sie jetzt auf der anderen Strassenseite einkehren.»

An der route de Westoutre in Saint-Jans-Cappel befinden sich mehrere Restaurants.
Foto: Google Street View
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Nur 100 Meter von Duycks Restaurant Le Chalet du Mont Noir entfernt hat ein belgischer Konkurrent bereits zusätzliche französische Kunden gewonnen. Didier Delval, der das Restaurant L'Horloge Inversée leitet, sagte kurz nach der Verschärfung der Corona-Massnahmen in Frankreich, er verzeichne einen deutlichen Zuwachs an Gästen. «Viele fragten uns, ob der Gesundheitspass in Belgien obligatorisch sei.»

Landesweite Massenproteste gegen den Gesundheitspass

Er habe Tische bedient mit Arbeitskollegen, die alle aus demselben Unternehmen stammten, sagt Delval. «In einer Fünfergruppe war einer der Gäste nicht geimpft, so dass er nicht in einem französischen Restaurant hätte essen können». Das Problem sei, dass er nicht über die nötigen Arbeitskräfte verfüge, um die steigende Nachfrage der französischen Kunden zu befriedigen. «Wir sind schon jetzt überlastet und haben Mühe, neue Mitarbeiter zu finden.»

Duyck auf der französischen Seite bedauert, dass die französischen Behörden die besonderen Probleme der Restaurants in den Grenzregionen nicht berücksichtigten. «Ich denke, der Staat muss über andere Lösungen nachdenken, um die Leute zu ermutigen, sich impfen zu lassen», sagt die Restaurantbesitzerin. «Ohne dass wir, Restaurants, Bars oder Clubs, Gesundheitspässe kontrollieren müssen. Das ist nicht unsere Rolle, nicht unsere Aufgabe.»

Mit dem französischen Gesundheitspasses wird nachgewiesen, dass der Inhaber entweder gegen das Coronavirus geimpft ist, in den letzten 72 Stunden negativ getestet wurde oder sich in den letzten sechs Monaten von dem Virus erholt hat. Als der Nachweis für den Besuch von Restaurants, Bars, Gesundheitszentren und für die Benutzung öffentlicher Fernverkehrsmittel zur Pflicht erklärt wurde, kam es landesweit zu Massenprotesten. «Ohne den Gesundheitspass wären wir gezwungen gewesen, erneut einen vollständigen Lockdown vorzunehmen», sagte Präsident Emmanuel Macron. (noo)

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