Der Suez-Kanal ist weiterhin dicht. Der Mega-Frachter Ever Given versperrt den Weg. Und das dürfte sich auch nicht so schnell ändern. Denn das 400 Meter lange und 59 Meter breite Schiff wieder flott zu bekommen, sei «extrem schwierig», teilte der Eigentümer, die japanische Leasingfirma Shoei Kisen Kaisha, am Donnerstag mit. Die Kanalbehörde erklärte offiziell, die Durchfahrt sei «temporär ausgesetzt».
Die genaue Ursache für die Havarie ist noch nicht bekannt. Nun sind aber Bilder aufgetaucht, die zeigen, dass der Kapitän den tonnenschweren Frachter gut im Griff hatte – zumindest vor dem Unfall.
«Es ist nicht ungewöhnlich»
Während die Crew darauf wartete, in den Suezkanal zu fahren, schipperte das Schiff hin und her, wie auf den veröffentlichten Fahrt-Aufzeichnungen des Unternehmens VesselFinder zu sehen ist. Auf den zweiten Blick offenbart sich dabei ein Muster – der Umriss eines krakelig gezeichneten Penis.
Das Management des Schiffs nimmt die künstlerische Einlage der Crew gelassen. «Es ist nicht ungewöhnlich, dass Schiffe, die auf die Einfahrt warten, vorher herum mäandern», sagt ein Sprecher vom Bernhard Schulte Shipmanagement zum «Spiegel». Dass die Umrisse einen Penis zeigen, wird als «purer Zufall» abgetan.
In der Zwischenzeit dürften auch andere Schiffe vor dem Suezkanal mäandern. An beiden Seiten des Kanals stauen sich die Schiffe. Denn die wichtige Handelsroute kann nicht benutzt werden. Zumal die alternative Route um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika sehr viel länger ist.
«Das ist ein gestrandeter Wal»
Die Kanalverwaltung (Suez Canal Authority, SCA) entsandte mehrere Schlepper zur Ever Given, die mit ihrer Ladung auf dem Weg nach Rotterdam (Niederlande) war, als sie im Suez-Kanal festlief und den Kanal in Diagonalstellung vollständig abriegelte. Ein neuer Bagger zur Unterstützung der Arbeiten sei unterwegs, erfuhr AFP am Donnerstag.
Auch ein Team der niederländischen Spezialfirma Smit Salvage machte sich auf den Weg, wie der Chef der Mutterfirma Boskalis sagte. «Das ist, könnte man sagen, ein gestrandeter Wal», beschrieb Peter Berdowski im niederländischen Sender Nieuwsuur die Lage. Die Ever Given wieder flott zu bekommen, könne «Tage oder Wochen dauern».
Sollte es nicht gelingen, den Containerriesen mit Hilfe von Schleppern wieder flottzumachen, müsse ein Teil der Ladung mit Hilfe von Kränen vom Schiff geholt werden, erklärte die Firma Braemar, spezialisiert auf Dienstleistungen für die Schifffahrt. Auch Braemar erklärte, dies könne Tage oder vielleicht Wochen dauern.
4,6 Milliarden Franken mit Durchfahrtsrechten
Die 25 Besatzungsmitglieder der Ever Given»seien in Sicherheit, erklärte die Firma BSM in Singapur, die für das technische Management des Container-Schiffs verantwortlich ist. Es gebe keine Umweltverschmutzung und keinen Schaden an der Fracht.
Der 1869 eröffnete Suez-Kanal verkürzt die Handelsverbindung zwischen Asien und Europa. Die Strecke von Singapur nach Rotterdam verringert sich durch den Kanal um 6000 Kilometer gegenüber der Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung. Ägypten erzielte aus den Durchfahrtsrechten durch den Suez-Kanal im vergangenen Jahr einen Erlös von umgerechnet 4,6 Milliarden Franken. 2020 passierten fast 19'000 Schiffe die Wasserstrasse.
Der Suez-Kanal war schon mehrfach gesperrt – etwa in der Suez-Krise 1956, nachdem Ägypten den Kanal verstaatlicht hatte und deshalb von Israel, Grossbritannien und Frankreich angegriffen worden war. Infolge des Sechs-Tage-Krieges zwischen Israel und Ägypten blockierte Kairo den Kanal von Anfang Juni 1967 bis Juni 1975. Und 2018 musste der Kanal nach einer Schiffskollision kurz geschlossen werden. (jmh/AFP)
