Sie stritten, schliefen auf dem Fussboden, rangen um Details und Posten – und schwiegen sich auch mal stundenlang an: Zwölfeinhalb Tage und eine ganze Nacht dauerten die Verhandlungen von Union und SPD im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Am Ende stand ein 177 Seiten starker Koalitionsvertrag, der für Unmut in den Reihen der CDU sorgt.
Die Verteilung der GroKo-Ministerien sorgt für Kritik
Vor allem eines gefällt den konservativen Kräften in der Partei nicht: die schwache Ämter-Ausbeute. «Der Kabinettszuschnitt ist ein politischer Fehler», warnte der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten am Donnerstag im «ARD-Morgenmagazin».
Denn: Laut CSU-Chef Horst Seehofer hat die SPD Bundeskanzlerin Merkel erpresst. Weil der Koalitionsvertrag noch von den 463'723 Mitgliedern abgesegnet werden muss, sperrte sich die SPD bei den Verhandlungen oft völlig. «Sonst bekommen wir das nicht durch die Parteibasis», habe das Argument der Genossen gelautet.
Stundenlang hätten die Unterhändler von Union und SPD teilweise keinen Ton von sich gegeben, berichtete Seehofer in einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen.
Obwohl Marathonsitzungen eigentlich Angela Merkels Spezialität sind, musste sie am Ende nachgeben. Gleich zwei Top-Ministerien fielen so an den kleineren Koalitionspartner SPD: Das Finanzministerium sowie das Auswärtige Amt. Das Finanzministerium wurde bislang von Wolfgang Schäuble (CDU) geführt, der mit der Sparsamkeit einer schwäbischen Hausfrau über Ein- und Ausgaben wachte.
Aufgabe des Finanzministeriums erhöht Druck auf Merkel
Das entsetzt vor allem den Wirtschaftsflügel der Partei. «Seele verkauft!», «Demütigung!», «Merkels Autorität erschüttert!». So hart urteilen Führungskräfte und Abgeordnete der CDU in deutschen Medien über Merkels Verhandlungsgeschick.
Mit dem Sozial- und dem Familienressort gingen ausserdem zwei der ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD, sagte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Werner M. Bahlsen, der Dpa. Er warnte: «Dadurch, dass die SPD zudem das Schlüsselressort Finanzen erhält, winkt ein Ende solider Haushaltspolitik.»
Seehofer schälte Mandarinen, um GroKo-Schweigen auszuhalten
Die Kanzlerin stellte klar: Entscheidungen über den Haushalt würden immer noch vom Bundestag getroffen. Doch ihr Ruf als harte Verhandlungsführerin ist angeknackst.
Nur einer kann ganz vergnügt sein: CSU-Chef Horst Seehofer erzählte dem Bayerischen Fernsehen, er habe sich während der zähen Verhandlungen auch gerne mal eine Mandarine oder Orange geschält, um das gegenseitige Anschweigen auszuhalten.
Am Ende erzielte er mit seiner Taktik einen Verhandlungserfolg für seine Partei. Er bekam den Zuschlag für das Innenministerium – ergänzt um Bau und Heimat –, Verkehr und Digitales sowie Entwicklung: «Wenn die SPD drei Minister verlangt, verlangt die CSU auch drei.» (kin)