Verdacht auf Korruption um Katar-WM
So tickt die verhaftete EU-Abgeordnete Eva Kaili

Bislang war sie eine erfolgreiche Politikerin. Doch nun legt sich ein Schatten über Eva Kaili: Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments ist verhaftet worden. Der Verdacht: Korruption im Zusammenhang mit der Katar-WM.
Publiziert: 10.12.2022 um 16:47 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2022 um 03:57 Uhr

Im Ausland sagte der Name Eva Kaili (44) den meisten Leuten bislang nichts. Aber zu Hause in Griechenland und in der Europa-Szene ist die Vizepräsidentin des Europaparlaments durchaus bekannt. Sie war eine der Jüngsten, die je ins griechische Parlament gewählt wurde. Der «Spiegel» lobte sie bereits 2011 als «die Weitsichtige». Die Brüssel-Kenner von «Politico» nahmen sie auf eine Liste der EU-Abgeordneten mit dem grössten Einfluss.

Seit Freitagabend kennen ihren Namen nun aber auch Leute, die nicht so viel mit Griechenland und Europa zu tun haben. Die belgische Justiz liess Eva Kaili unter dem Verdacht festnehmen, dass sie sich von einem Golfstaat bestechen liess. Nach dpa-Informationen handelt es sich um Katar.

Es bestehen Zusammenhänge zur Fussball-Weltmeisterschaft im Golfstaat, ist in Medienberichten zu lesen. Die Behörden haben diese Information bislang nicht bestätigt. Bei den Ermittlungen gehe es um mutmassliche Bemühungen eines Golfstaats, «die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen, indem er beträchtliche Geldsummen zahlt oder bedeutende Geschenke macht». Obwohl auch für die Europa-Abgeordnete die Unschuldsvermutung gilt, ist die Empörung gross.

Eva Kaili war einst TV-Moderatorin im griechischen Privatfernsehen. 2014 wurde sie ins Euorpaparlament gewählt.
Foto: AFP
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EU-Vizeparlamentspräsidentin Kaili verliert alle Befugnisse

Die unter Korruptionsverdacht festgenommene Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, wird entmachtet. Die 44-jährige Griechin verliert mit sofortiger Wirkung alle ihr übertragenen Befugnisse, Pflichten und Aufgaben. Dies hat Parlamentspräsidentin Roberta Metsola angeordnet, wie am Samstagabend ihre Sprecherin mitteilte. Eine förmliche Absetzung Kailis kann nur das Parlament selbst beschliessen.

Metsola reagiert damit auf Ermittlungen der belgischen Justiz wegen mutmasslicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fussball-WM. Am Freitag gab es deswegen 16 Durchsuchungen und fünf Festnahmen – darunter war auch Kaili.

Die ehemalige TV-Moderatorin ist eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Sie sass für die Pasok-Partei im Parlament, die zusammen mit der SPD zur sozialdemokratischen Fraktion gehört. Aus ihrer Partei wurde sie schon ausgeschlossen, aus der Fraktion suspendiert.

Die unter Korruptionsverdacht festgenommene Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, wird entmachtet. Die 44-jährige Griechin verliert mit sofortiger Wirkung alle ihr übertragenen Befugnisse, Pflichten und Aufgaben. Dies hat Parlamentspräsidentin Roberta Metsola angeordnet, wie am Samstagabend ihre Sprecherin mitteilte. Eine förmliche Absetzung Kailis kann nur das Parlament selbst beschliessen.

Metsola reagiert damit auf Ermittlungen der belgischen Justiz wegen mutmasslicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fussball-WM. Am Freitag gab es deswegen 16 Durchsuchungen und fünf Festnahmen – darunter war auch Kaili.

Die ehemalige TV-Moderatorin ist eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Sie sass für die Pasok-Partei im Parlament, die zusammen mit der SPD zur sozialdemokratischen Fraktion gehört. Aus ihrer Partei wurde sie schon ausgeschlossen, aus der Fraktion suspendiert.

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Von der TV-Moderatorin zum Politstar

Mit 26 Jahren nur wurde die studierte Architektin in den Stadtrat ihrer Geburtsstadt Thessaloniki gewählt. Zuvor hatte sie schon als Moderatorin beim quotenstarken Privatsender Mega TV reüssiert. Schnell wurde man bei der sozialistischen Partei Pasok auf sie aufmerksam. 2007 wurde sie erstmals für Pasok ins Nationalparlament von Athen gewählt. Nebenbei schloss sie ein Master-Studium in Internationalen und Europäischen Beziehungen ab.

Die Zeit in der Nationalversammlung war 2012 aber vorbei. Ausgebremst wurde sie von Pasok-Chef Evangelos Venizelos (65), der aus demselben Wahlkreis kam und dort selbst kandidierte. Daraufhin orientierte sich Kaili neu. 2014 wurde sie ins EU-Parlament gewählt. Dort machte sie sich in Wissenschaftsfragen einen Namen. Sie engagierte sich auch bei den Themen Migration und Kinderschutz. Sie ist eine von 14 Vize-Präsidentinnen und -Präsidenten im EU-Parlament. Privat ist Kaili Medienberichten zufolge mit Francesco Giorgi, einem italienischen Politik-Berater, liiert, der am Freitag ebenfalls festgenommen wurde.

Flammende Verteidigungsrede für Katar

Viel beachtet wird jetzt auch eine Rede, die sie nach einem Besuch in Katar am 21. November im Parlament hielt. Darin lobte die Vizepräsidentin den Golfstaat als Vorreiter bei Arbeitsrechten. Das Land habe sich der Welt geöffnet. «Dennoch rufen einige hier dazu auf, die Katarer zu diskriminieren. Sie schikanieren sie und beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht, der Korruption.»

Katar spiele bei Arbeiterrechten «eine Vorreiterrolle», sagte Kaili: «Die Fussball-WM in Katar ist heute der Beweis dafür, dass die Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann.»

Bei ihrem Besuch in Katar hatte die Griechin den Premierminister Chalid bin Chalifa bin Abdulasis Al Thani (54) sowie andere Regierungsvertreter getroffen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Katars berichtete. Thema sei unter anderem die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Katar gewesen sein.

Trotz der Kritik – gerade im Zusammenhang mit den Todesfällen auf den Baustellen der WM-Spielstätten – habe Kaili bei ihrem Besuch betont, dass Katar «alle notwendigen Anforderungen im Bereich des Arbeitsmarkts erfüllt» und Reformen «zügig umgesetzt» habe, schreibt der «Spiegel». Zudem habe Kaili hervorgehoben, dass das Europaparlament «sehr an der Stärkung der Beziehungen zu Katar interessiert» sei.

Hat Eva Kaili «zwei Gesichter»?

Die Verhaftung von Kaili hat hohe Wellen geschlagen. Ihre Partei gab kurzerhand den Ausschluss der 44-jährigen Politikerin bekannt. Auch die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament setzte Kailis Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung aus. In einer Mitteilung zeigte sich die Fraktion «entsetzt über die Korruptionsvorwürfe».

Weiter unterstütze die Fraktion eine gründliche Untersuchung: «In Anbetracht der Schwere der Vorwürfe beantragen wir, die Arbeit an allen Dossiers und Abstimmungen im Plenum zu den Golfstaaten auszusetzen, bis die zuständigen Behörden relevante Informationen und Klarstellungen liefern.»

Die deutsche FDP-Politikerin Nicola Beer (52), die ebenfalls Vizepräsidentin im EU-Parlament ist, zeigt sich entrüstet: «Das macht mich fassungslos», sagt sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die Verhaftung habe Beer schockiert. Kaili sei «eigentlich immer sehr engagiert, proeuropäisch und sehr korrekt» aufgetreten. Falls sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist für Beer klar: «Da hat jemand quasi zwei Gesichter.» Ähnlich fallen die Reaktionen aus weiteren Fraktionen des EU-Parlaments aus. Der Tenor: Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, soll Kaili schleunigst den Hut nehmen (SDA/bab)

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