OSZE-Chef-Wahlbeobachterin Urszula Gacek (57) muss schon über 400 Klagen prüfen
«Die US-Wahlen sind meine heisseste Mission»

Umstrittene Briefwahl, Diskriminierung, Klagen: Die Arbeit der 45 Wahlbeobachter der OSZE in den USA ist alles andere als einfach. Gegenüber BLICK verrät Missions-Chefin Urszula Gacek (57) per Skype, wie sie mit ihrem kleinen Team die Wahlen kontrollieren will.
Publiziert: 04.11.2020 um 00:37 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2020 um 08:34 Uhr
Interview: Guido Felder

Sie sind Chefin von 45 Wahlbeobachtern. Wie wollen Sie mit einem so kleinen Team eine derart hitzige Wahl mit 250 Millionen Wahlberechtigten kontrollieren?
Urszula Gacek: Es tönt nicht nach viel, ich weiss. Wir haben aber grosse Erfahrung. Zudem sind wir lange im Lande, um uns ein Bild von der Gesamtsituation zu machen. So sind wir schon etwa sechs Wochen vor den Wahlen angereist und bleiben anschliessend weitere zwei Wochen.

Wo setzten Sie Ihre Leute ein?
Unsere Mission umfasst 15 Leute in Washington D.C., wo ich selber auch grad bin. Dazu gibt es 30 weitere in 28 Bundesstaaten.

Worauf fokussieren Sie sich?
Wir schauen uns die verschiedensten Teile des Wahlprozesses an. So prüfen wir zum Beispiel die Sicherheit, Server, Postdepots, checken Websites auf deren Wahrheitsgehalt und Hass und untersuchen auch die Finanzierung der Wahlkampagnen.

Urszula Gacek: Die Polin schaut als Chefin der OSZE-Wahlbeobachter den Amerikanern beim Wählen auf die Finger.
Foto: OSZE
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Was ist mit der Überprüfung der Wahllokale?
Natürlich haben wir auch das Geschehen in Wahllokalen beobachtet – jedenfalls dort, wo man uns liess. 18 Staaten erlauben keine Wahlbeobachter.

Warum nicht?
Ganz einfach: Das ist ihr Gesetz, das wir befolgen müssen. Und wenn ein regionales Gesetz vorschreibt, sich von Wahllokalen hundert Meter entfernt zu halten, stehen wir eben hundert Meter entfernt. Auch so erkennt man Dinge. Wir waren ausserdem vor den Wahlen in einigen Staaten, die am Wahltag eben keine Wahlbeobachter erlauben. Da machen wir uns vorher ein Bild davon, wie die Prozesse ablaufen.

Das grösste Problem dürfte die Briefwahl sein, in der Präsident Trump eine grosse Gefahr für Manipulation sieht. Wie wollen Sie die kontrollieren?
Es ist nicht zwingend das grösste Problem, aber jenes, über das am meisten diskutiert und gestritten wird. Man wird erst mehrere Tage nach den Wahlen wissen, wie viele Stimmen ungültig waren. Wenn Fehler entgegen den gültigen Gesetzen gemacht werden – etwa eine fehlende Unterschrift –, können wir nichts unternehmen. Wir werden aber laut, wenn wir zum Beispiel feststellen würden, dass Stimmen zurückgehalten wurden.

Welches ist denn das grösste Problem?
Eine grosse Herausforderung sind die über 400 Klagen über den Wahlablauf, die eingegangen sind, als das ganze Spiel schon am Laufen war.

Was unternehmen Sie, wenn Sie in einem Wahllokal Diskriminierung feststellen?
Wie der Name sagt, sind wir Beobachter. Wir belehren niemanden, wir treffen keine Entscheidungen. In einem solchen Fall würden wir an das Wahlbüro herantreten und um eine Erklärung bitten. Wenn die Antwort nicht nachvollziehbar wäre, würden wir nicht einschreiten, sondern das im Bericht angeben.

Kann Ihr anschliessender Bericht überhaupt etwas bewirken?
Auf jeden Fall. Wir decken Schwachstellen auf und geben Empfehlungen ab, die bei künftigen Wahlen einfliessen können. Unsere Berichte sind öffentlich, und das heisst, dass andere OSZE-Länder, zivilgesellschaftliche Organisationen und natürlich die Medien von unseren Schlussfolgerungen und Empfehlungen Gebrauch machen können.

Es ist für Sie der sechste Einsatz als Missionschefin. Wird es Ihr härtester?
Auf jeden Fall! Die US-Wahlen sind mit ihren regional unterschiedlichen Gesetzen immer sehr komplex und herausfordernd. Dazu kommt Corona mit all den Massnahmen. Es ist aber nicht nur meine heisseste Mission, sondern auch die spannendste. Fast wie ein Thriller.

Auch ein Urner kontrolliert mit

Während der US-Wahlen schaut die ganze Welt auf Urszula Gacek (57). Die Polin ist bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Missionschefin für die Wahlbeobachtung. Die OSZE führt in ihren 57 Mitgliedstaaten, zu denen auch die USA und die Schweiz gehören, regelmässig Wahlbeobachtungen durch. Zuständig bei der OSZE ist dafür das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte mit Sitz in Polen. Gacek war Mitglied des polnischen Senats, des Europa-Parlaments sowie ständige Vertreterin ihres Landes im Europarat. Schweizer sind in dieser Mission nicht vertreten.

Parallel zur mehrwöchigen Mission, die Urszula Gacek anführt, hat die OSZE während rund einer Woche auch eine Parlamentarier-Mission im Einsatz. Einziger Schweizer Vertreter ist da der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli (63). Wie srf.ch schreibt, arbeitet er mit einem Luxemburger Kollegen in Washington D.C., Maryland und Virginia. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem zu kontrollieren, ob die Urnen leer sind und ob niemand eingeschüchtert wird. Bereits am Tag nach den Wahlen wird er seine Beobachtungen ans OSZE-Büro weiterleiten. (gf)

Während der US-Wahlen schaut die ganze Welt auf Urszula Gacek (57). Die Polin ist bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Missionschefin für die Wahlbeobachtung. Die OSZE führt in ihren 57 Mitgliedstaaten, zu denen auch die USA und die Schweiz gehören, regelmässig Wahlbeobachtungen durch. Zuständig bei der OSZE ist dafür das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte mit Sitz in Polen. Gacek war Mitglied des polnischen Senats, des Europa-Parlaments sowie ständige Vertreterin ihres Landes im Europarat. Schweizer sind in dieser Mission nicht vertreten.

Parallel zur mehrwöchigen Mission, die Urszula Gacek anführt, hat die OSZE während rund einer Woche auch eine Parlamentarier-Mission im Einsatz. Einziger Schweizer Vertreter ist da der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli (63). Wie srf.ch schreibt, arbeitet er mit einem Luxemburger Kollegen in Washington D.C., Maryland und Virginia. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem zu kontrollieren, ob die Urnen leer sind und ob niemand eingeschüchtert wird. Bereits am Tag nach den Wahlen wird er seine Beobachtungen ans OSZE-Büro weiterleiten. (gf)

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