«Unerwiderte Liebe»
Die Schweiz hat Junckers Herz gebrochen

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte das Schweiz-Dossier zur Chefsache erklärt. Nun tritt er ab – ohne Rahmenabkommen.
Publiziert: 29.11.2019 um 12:27 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2020 um 19:46 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Jean-Claude Juncker (64) trauert dem Rahmenabkommen mit der Schweiz hinterher. «Alles liegt auf dem Tisch und wir haben einen Text. Es ist frustrierend, dass wir die letzte Hürde nicht schaffen», schreibt er unter dem Titel «Unerwiderte Liebe» über die verpasste Chance an seinem letzten Amtstag als EU-Kommissionspräsident im «Politico»-Newsletter aus Brüssel.

Der EU-Kommissionspräsident schreibt, er habe persönlich 23 Mal mit vier aufeinanderfolgenden Bundespräsidenten der Schweiz gesprochen. Seine Kommission habe ausserdem 23 Verhandlungsrunden abgehalten, um ein Abkommen zwischen der EU und der Schweiz über die künftige Beziehung zu erreichen. «Ein perfektes Beispiel, wie hart Verhandlungen sein können.»

Von der Leyen übernimmt Verhandlungen mit Schweiz

Doch trotz Junckers Bemühungen fanden die Schweiz und die EU nie zusammen. Das Institutionelle Rahmenabkommen wurde zum politischen Dauerbrenner – und beschäftigte den Kommissionspräsidenten während seiner fünfjährigen Amtszeit. Das Abkommen soll das Vertragsgeflecht ersetzen, das aktuell die Beziehungen der Schweiz mit der EU regelt. Das besteht aktuell aus rund 20 zentralen bilateralen sowie über 100 weiteren Abkommen. Zwar liegt seit 2018 ein Vertragsentwurf vor, doch für Streit sorgt unter anderem der Lohnschutz.

Komplizierte Beziehung: Jean-Claude Juncker busselte kurz nach Verhandlungsbeginn mit Simonetta Sommaruga (59, SP).
Foto: Keystone
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Am 1. Dezember nun übernimmt die neue EU-Chefin Ursula von der Leyen (61) das Ruder. Sie hat bereits erklärt, dass das Rahmenabkommen «Chefsache» bleibe. Sie werde die Verhandlungen leiten, Ansprechpartner für Aussenminister Ignazio Cassis (58) bleibt der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn (61). Priorität hat die Schweiz bei der neuen EU-Chefin allerdings nicht.

Ihr Vorgänger hatte das schon befürchtet. Juncker hatte der Schweiz bereits vor Monaten geraten, den EU-Deal lieber noch unter seiner Präsidentschaft in trockene Tücher zu bringen. Luxemburgs ehemaliger Premier galt als Schweiz-Freund, äusserte als Kleinstaatler stets viel Verständnis für die Eidgenossenschaft. Und setzte gegen die EU-Linie auf sanfte Worte. Umso mehr trifft es ihn, dass die Schweiz seine Liebe nie erwiderte.

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