Uneinigkeit über Brexit-Zeche
Johnson bringt keine neuen Vorschläge an G7-Gipfel

Im Ringen um eine einvernehmliche Beilegung des Brexit-Streits gibt es keine Fortschritte. Zudem bahnt sich ein Streit um anfallende Austrittszahlungen seitens Grossbritannien an.
Publiziert: 27.08.2019 um 11:09 Uhr

Nach Angaben aus EU-Kreisen kam der neue britische Premierminister Boris Johnson am Sonntag ohne neue Vorschläge zu einem Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk am Rande des G7-Gipfels.

Keine Entwicklung am G7-Gipfel

Das rund 30-minütige Gespräch in Biarritz sei in «sehr positiver Atmosphäre», aber ohne echte Neuigkeiten verlaufen, hiess es. Beim Streit über den von Grossbritannien zum 31. Oktober geplanten Brexit geht es vor allem darum, dass Johnson das bereits ausgehandelte Austrittsabkommen noch einmal aufschnüren will, um die sogenannte Backstop-Klausel zu streichen.

Die EU lehnt das kategorisch ab und verweist darauf, dass die Klausel verhindern soll, dass zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland wieder Grenzkontrollen eingeführt werden müssen.

Der britische Premierminister Boris Johnson konnte im Ringen um den Brexit auch am Rande des G7-Gipfels in Biarritz keine wesentlichen Fortschritte erzielen.
Foto: keystone-sda.ch
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Johnson sieht den Backstop hingegen als ein «Instrument der Einkerkerung», weil es das britische Nordirland in Zollunion und Binnenmarkt halten könnte, wenn bei den noch ausstehenden Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien keine Einigkeit erzielt wird.

Aus EU-Kreisen hiess es am Sonntag, man sei bereit mit Johnson über Alternativen zum Backstop zu reden. Vorschläge dafür müssten aber von britischer Seite kommen.

Johnson sieht «realistische Chance» auf Deal mit EU

Johnson hatte zuletzt wiederholt betont, er sei überzeugt, dass ein geregelter EU-Austritt zum derzeitigen Brexit-Stichtag am 31. Oktober machbar sei.

Notfalls will er sein Land aber auch ohne ein Brexit-Abkommen aus der EU führen. Letzteres Szenario dürfte vor allem für die Wirtschaft erhebliche Konsequenzen haben, weil nach derzeitigem Stand der Dinge wieder Zölle und Grenzkontrollen eingeführt werden müssten.

Dem TV-Sender Sky News sagte Johnson am Rande des G7-Gipfels, er sehe eine «realistische Chance» auf eine Einigung. Zugleich betonte er allerdings, dass das von seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelte Austrittsabkommen tot sei. Das müssten die europäischen Freunde anerkennen.

Streit um Zahlungen bahnt sich an

Johnson wiederholte zudem Drohungen, im Fall eines No-Deal-Brexits noch ausstehende Zahlungen an die EU kürzen. Wenn es keinen Deal gebe, werde man rechtlich nicht gebunden sein, 39 Milliarden Pfund zu zahlen, sagte Johnson. Sky News hatte zuvor berichtet, es könnten eventuell nur noch neun Milliarden Pfund gezahlt werden.

Am Rande des G7-Gipfels in Biarritz sagte er in einem Fernsehinterview: «Wenn wir ohne Abkommen aus der EU ausscheiden, ist es sicherlich wahr, dass wir die 39 Milliarden Pfund genau genommen nicht mehr schuldig sind». Das sei «einfach eine Darstellung der Realität».

Die EU sieht das etwas anders: Die EU-Kommission besteht auch bei einem Brexit ohne Vertrag auf die vollständige Bezahlung der milliardenschweren Schlussrechnung Grossbritanniens für finanzielle Pflichten aus der EU-Mitgliedschaft. Dies bekräftigte Kommissionssprecherin Mina Andreeva am Montag in Brüssel.

Es sei «wichtig, klarzumachen, dass die Begleichung der Rechnungen entscheidend ist für den gelungenen Beginn einer neuen Beziehung auf der Basis gegenseitigen Vertrauen».

Der Brexit-Koordinator des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt, wurde auf Twitter noch deutlicher: «Wenn Grossbritannien nicht zahlt, was es schuldet, wird die EU kein Handelsabkommen verhandeln. Nach einem «No Deal» wird das die erste Bedingung jeglicher Verhandlungen sein.»

Zudem wurde betont, dass die von Johnson genannte Summe von 39 Milliarden Pfund (46 Mrd. Franken) keine EU-Zahl sei. Den Angaben zufolge könnte die Abschlussrechnung niedriger ausfallen. Sie werde bekanntgegeben, wenn feststehe, wann Grossbritannien die EU verlasse, hiess es.

Aus EU-Kreisen hiess es am Sonntag nach dem Treffen zwischen Johnson und Tusk, das Thema sei von der britischen Seite am Gipfel nicht angesprochen worden. (SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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