Nach weltweiter Empörung
Namensänderung von deutscher Kita «Anne Frank» vom Tisch – Bürgermeister in der Kritik

Eine Kindertagesstätte im deutschen Sachsen-Anhalt wollte ihren Namen ändern. Statt «Anne Frank» sollte die Kita einen Namen «ohne politischen Hintergrund» erhalten. Nach weltweiter Empörung ist die Namensänderung nun vom Tisch.
Publiziert: 06.11.2023 um 14:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2023 um 18:16 Uhr

«Weltentdecker» statt «Anne Frank» sollte die Kita in Tangerhütte (D) künftig heissen. Sie sollte nicht mehr den Namen des jüdischen Mädchens (1929–1945) tragen, dessen Tagebuch seit 1947 die Welt bewegt. 

Eine mögliche Namensänderung ist nach weltweiter Empörung jetzt vom Tisch. Der Bürgermeister der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte, Andreas Brohm (45), bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Diskussion vom Kuratorium der Kita beendet worden sei. Man sei ohnehin seitens der Kita und des Kuratoriums mitten in der Diskussion gewesen. In der vergangenen Woche hatte sich auch der Stadtrat gegen eine Umbenennung der Kita ausgesprochen.

Eltern und Mitarbeiter hatten sich zuvor einen «kindgerechten» Namen gewünscht, der «besser zum Konzept passt». Das erklärte Brohm vor gut einer Woche gegenüber der «Volksstimme». Ihre Bedürfnisse hätten Vorrang vor der weltpolitischen Lage.

Die Kita «Anne Frank» in der deutschen Stadt Tangerhütte sollte einen neuen Namen bekommen.
Foto: Google Street View
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Auch Kita-Leiterin Linda Schichor bevorzugt einen «kindgerechteren» Namen, wie sie gegenüber der Regionalzeitung bestätigte. Eltern und Kinder mit Migrationshintergrund könnten mit dem Namen «oft nichts anfangen». Gewünscht war laut Schichor ein Kita-Name ohne politische Hintergründe. 

«Falsches Signal in einer Zeit des Antisemitismus»

Doch die geforderte Namensänderung sorgte für Kritik. Auf X meldete sich der Verein «Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt» zu Wort: «Die Änderung des Namens der Kita ‹Anne Frank› in Tangerhütte ist in einer Zeit des erstarkenden Antisemitismus ein falsches Signal», so der Verein. «Gerade jetzt braucht es eine hohe Sensibilität für die Wirkung zeichenhafter Umbenennungen und ein historisches Bewusstsein.»

Ähnlich sah es auch das Internationale Auschwitz-Komitee. In einem offenen Brief an die Stadt Tangerhütte forderte das Komitee, die Umbenennung zu überdenken. «Wenn man die eigene Geschichte gerade in diesen Zeiten von neuem Antisemitismus so leichtfertig abzuräumen bereit ist, kann einem im Blick auf die Erinnerungskultur in unserem Lande nur angst und bange werden», heisst es in dem Schreiben, das dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) vorliegt.

Entscheidung über Namensänderung noch offen

Mit den aktuellen Ereignissen habe die Umbenennung aber nichts zu tun, so die Stadt. Die Namensdiskussion sei bereits Anfang des Jahres aufgekommen, erklärte die Stadt am Montag in einer Pressemitteilung. Demnach habe die Kita in den vergangenen 14 Monaten einen Erneuerungsprozess durchlaufen. Im Mittelpunkt stand dabei die Umstellung auf offene Jugendarbeit. 

Aufgrund der grundlegenden Konzeptänderung sei diskutiert worden, dies auch durch einen neuen Namen nach aussen zu verdeutlichen. Bürgermeister Brohm hatte sich zunächst für die «vielen konstruktiven Anregungen» bedankt, wie der MDR schrieb. Nun die Entscheidung gegen die Namensänderung. 

Auch wenn die Umbenennung vom Tisch sei, werde das Thema innerhalb der Stadt weiter besprochen werden müssen, sagte der Vorsitzende des Stadtrats von Tangerhütte, Werner Jacob auf Anfrage. In der vergangenen Woche hatten mehrere Stadträte den parteilosen Bürgermeister bereits zum Rücktritt aufgefordert. «Moralisch hat er da komplett versagt und das wird Konsequenzen haben», sagte Jacob. (gs/nad/SDA)

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